Kapitel 8

18 2 0
                                    

Ich öffnete die Augen und bemerkte, dass ich aufrecht im Bett saß, schwer atmete und mein Gesicht komplett nass war. Nate lag neben mir auf dem Bauch und brummte im Halbschlaf >>Charlie ... alles ok?<< Ich versuchte das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken als ich antwortete >> Ja es ist alles gut. Schlaf weiter Natie<< Er brummte wieder kurz und schlief dann anscheinend wieder ein und ich musste kaum merklich über meinen alten Spitznamen für ihn schmunzeln. Ich merkte dass ich völlig verschwitzt war und ging ins Bad um zu duschen. Unter der Dusche zitterte ich leicht, was aber nicht an der Wassertemperatur lag.Als ich die Duschtür öffnen wollte sah ich auf meine Hände und erschrak. Ich hatte lauter kleine rote Kratzer auf meinen Handrücken und Unterarmen. Ich seufzte schwer denn das hatte ich früher schon gehabt als ich noch kleiner war und nachts Albträume hatte.Als ich dann doch aus der Dusche stieg sah ich kurz in den Spiegel und sah wie erwartet richtig scheiße aus. Ich hatte tiefe Augenringe und meine Augen waren rot geschwollen. Ich trocknete mich ab und zog andere Unterwäsche und Schlafzeug da mein altes ja vollgeschwitzt war. Dann rubbelte ich meine Haare etwas trocken und legte mich dann wieder zu Nate ins Bett.Ich hatte zwar eigentlich Angst vor einem weiterem Albtraum aber bei Nate's beruhigendem Atem hatte ich es noch nie geschafft wach zu bleiben.

Irgendwann wurde ich von einem nerviegen Piepen geweckt und musste mit miserabler Laune über Nate drüber krabbeln um seinen Wecker auszustellen. Nate bekam davon natürlich nichts mit und schlief entspannt weiter. Ich stand auf und ging ins Bad um mich umzuziehen. Die Stellen an meinen Armen waren schon etwas blasser aber noch leicht zu sehen und meine Augenringe waren auch noch da und sagten hallo. Ich zog mir eine  schwarze Leggins an und einen dünnen Overseize pulli. Dann machte ich mir meine Haare zu einem messi-bun und schminkte meine Augenringe und die Arme leicht über. Ich sah zwar immernoch recht scheiße aus aber wen juckts. Als ich aus dem Bad kam sah ich dass Nate noch schlief und rüttelte ihn wach. Er brummte und schlurfte dann ins Badezimmer. Ich zog mir meine weißen Chucks an und schnappte mir meine Schultasche. Dann ging ich in die Küche und machte zwei Schälchen Cornflakes mit Milch die ich dann gemeinsam mit Nate löffelte. Danach schnappte ich mir etwas zu trinken und einen Apfel-normalerweise war ich keines der Mädchen die nur einen Apfel am Tag essen und dann rumjammerten dass sie sich fett fanden- aber heute hatte ich keinen Apetit. Wir fuhren los und Nate fragte mich auf der Autofahrt kurz ob ich darüber reden wollte aber ich winkte ab. Er kannte mich gut genug um zu wissen dass ich ihm erzählen würde was los war wenn ich soweit war.

An der Schule angekommen umarmte ich Nate und gab ihm einen kurzen Schmatzer auf die Wange zum Abschied. Ich würde nachher nach Hause laufen, da Nate länger in der Uni bleiben musste. Ich ging in die Schule ohne irgendwen eines Blickes zu würdigen und ging zu meinem Schließfach. Ich holte meine Bücher für heute raus und als ich die Spindtür wieder zumachte stand Dan neben mir. Ich sah ihn kalt an und fragte >>Was gibt's ?<< Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich etwas und er fragte mich leise >> Hab ich gestern was Falsches gesagt ?<< Ich schüttelte ausdruckslos den Kopf, die Bücher immernoch auf dem Arm. Ich packte sie  in meine Schultasche und sagte dann zu Dan  >> Wenn das alles war würde ich jetzt gerne zum Unterricht also aus dem Weg.<< und rauschte an ihm vorbei. Ich ging also in den Klassenraum und setzte mich auf einen freien Platz. Dan kam etwas später rein und setzte sich hinter mich. Ich war den gesamten Unterricht nur körperlich anwesend, dachte an alles und gleichzeitig nichts. Dabei zeichnete ich die ganze Zeit und achtete kein Stück darauf was ich eigentlich zeichnete. Ich ließ einfach meine Gedanken und Gefühle auf das Papier fließen.Als der Unterricht dann fertig war -ich glaube es war Biologie gewesen- sah ich mir zum ersten mal wirklich an was ich gezeichnet hatte. Es war ein riesieger Friedhof und im Vordergrund waren Grabsteine mit den Namen meiner Eltern drauf. Die Sterbedaten waren erst vor ein paar Tagen gewesenund ich zog scharf Luft ein. Neben den Grabsteinen meiner Eltern war einer mit meinem alten Namen (also Blair) und das Datum meines Todes war heute in einem Monat. Ich starrte wie gebannt auf diese traurige Szene und wusste genau dass sie auch in meinem Albtraum von heute Nacht vorgekommen war. Ich versuchte mich an mehr aus meinem Traum zu erinnern und konnte meinen Blick nicht von meiner Zeichnnung abwenden.Plötzlich bemerkte ich, dass Dan neben mir stehen geblieben war statt vorbeizugehen und ebenfalls auf meine Zeichnung sah. Mein Herz begann zu rasen und ich ließ sie blitzschnell zwischen anderen Schulbüchern in meiner Tasche verschwinden. Ich stand abrupt auf und ließ ihn stehen. Als ich gerade aus der Tür war hatte er mich eingeholt und meinte leise >>Wow, ich wusste garnicht dass du zeichnen kannst.<< Ich hatte meine Maske wieder auf und antwortete kalt >> Tja bis gestern wusstest du auch nicht mal dass ich existiere also mach dir nix draus.<< Ich versuchte ihn beim rausgehen abzuhängen , was mir aber nicht gelang denn er war immernoch neben mir als ich den Schulhof betrat und auf "meinen" Baum zusteuerte. Er fragte >> Was ist denn los mir dir? Du warst ja gestern schon nicht gerade gut gelaunt aber heute bist du ja richtig  biestig..<< Ich schnaubte und ging weiter zu meinem Baum. Als ich angekommen war war Dan immernoch da und ich sah ihn genervt an. Er sagte mit zusammengebissenen Zähnen >> Weißt du Charlie ich bin auch nicht geil drauf dir hinterherzudackeln wie bestellt und nicht abgeholt!<< >>Warum tust du es dann ?! << zischte ich. Er holte tief Luft und antwortete dann ruhig und leise >> Keine Ahnung. Gestern hast du so traurig ausgesehen und heute siehst du auch nicht gerade fit aus und ich hab echt keinen blassen Schimmer warum aber obwohl ich dich gerade mal seit gestern kenne und du fast die ganze Zeit eine biestige Zicke warst geht mir dieser unendlich traurige Ausdruck in deinen Augen nicht aus dem Kopf. << Ich wusste nicht was ich sagen sollte, noch nie hatte sich jemand den ich gerade einen Tag kannte für meine Probleme interessiert und ich brauchte jemanden zum reden. Das konnte ich allerdings auch mit Nate und ich hatte beschlossen meine Maske aufzubehalten. Dazu war die Gefahr dass SIE mich finden würden, und wenn, dann mit Pauken und Trompeten und sie würden keinen verschonen der jemals mehr als 3 Sätze mit mir geredet hatte. Ich beschloss "unauffällig" wie ich eben war das Thema zu wechseln und bemerkte , dass ich vermutlich eine ganze Weile so dagestanden und abgewägt hatte. Er sah mich abwartend und vorsichtig an und das ähnelte so garnicht dem selbstverlieben Badboy von gestern Vormittag.

*nach der Schule nachdem Charlie zu Fuß nach Hause ist*

Ich packte sofort Sportsachen in meine Tasche und joggte dann zum Boxverein. Ich zog mich sofort um und boxte wie eine behinderte gegen einen Boxsack. Ich boxte so brutal ich konnte und da ich keine Handschuhe anhatte rissen meine Knöchel schnell auf. Ich bemerkte es kaum uns boxte und boxte denn so war ich abgelenkt von dem standigen Schmerz in meiner Brust.

Als ich irgendwann nicht mehr konnte und mich so leer fühlte wie noch nie hörte ich auf und sah,  dass sich mein Trainer und einige der Jungs umgedreht hatten &realisierte, dass sie mir vermutlich die ganze Zeit zugesehen hatten. Ich wollte einfach zurück in die Umkleide schlurfen als mein Trainer  kumpelhaft sagte >> Hey Charlie , schön dich wieder zu sehen. Ich hoffe wir sehen dich bald wieder.>> Und ließ mich durch. Ich nickte ihm nur zu und machte mich auf den Heimweg. Ich musste am Park vorbei aber ich war innerlich total leer, ich fühlte nichts und deswegen sah ich auch keinen Sinn darin mir wieder genau das unter die Nase zu reiben, was ich niemals haben konnte. Deswegen ging ich am Parkrand entlang und sah ein paar Meter weiter eine Gruppe Jugendlicher in meinem Alter. Ich war wie in Trance und gab mich innerlich vollkommen dem Gefühl der dumpfen Leere hin, denn es war so unendlich viel ertragbarer als der Schmerz, deswegen beachtete ich die Teenies nicht weiter aber als ich dann eine Stimme meinen Namen rufen hörte sah ich erschrocken auf. Ich sah Dan auf mich zukommen und er schien fest entschlossen mich nicht wieder vom Haken zu lassen.


Neues LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt