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Gut gelaunt schlenderte Silvain durch den kleinen Obstgarten hinter dem Königshaus. Viele tropische Pflanzen überlebten in ihren Breitengraden nicht, weswegen das sonnige Plätzchen nur rahr besäht war. Gärtnern konnte er in den Gemüsebeeten, aber hier her kam er zum entspannen. Wolig seufzend legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, genoss die warme Sonne auf seinem Gesicht. Zumindest so lange, bis ihn jemand unsanft in die Seite stieß. "Na Bruderherz, bist du schon aufgeregt?", blickte Milla ihn aus großen neugierigen Augen an. Die blonde Delta fiberte dem nächste Woche anstehenden Geburtstag viel mehr entgegen, als Silvain selbst, würde sie ihre eigene seelenverwandte Person doch erst in etwa mehr als vier Jahren finden können.

Silvain schmunzelte. "Ja, bin ich. Aber ich weiß, das mein Mate auch erst später auftauchen kann." Milla nickte, schlang die schmalen Arme um den Bauch ihres Bruders. "Und was machst du, wenn du ein Mädchen als deine Gefährtin bekommst?", zog sie ihn grinsend auf. Seit dem 12. Geburtstag des jungen Alphas war so ziemlich jedem im Rudel klar, das Silvain am anderen Ufer schwamm. Damals hatte er seinen besten Freund und Beta Collin geküsst, welcher danach heulend vor Überforderung zu seiner Mutter gerannt war und ihr alles erzählt hatte. Bereits am nächsten Morgen waren die Beiden wieder ein Herz und eine Seele gewesen und der Kuss vergessen. Ein paar Wochen später hatte Silvain sich dann offiziell geoutet.

"Jetzt guck nicht so. Ich mache doch nur Spaß!", lachte Milla als sie das überraschte Gesicht ihres Bruders sah. "Das Schicksal wird sich bei der Wahl deines Mates schon etwas denken.", fuhr sie fort. Bevor sie aber noch mehr erzählen konnte, knackte es hinter ihnen. Erschrocken fuhren sie herum, nur um im nächsten Moment in lautes Gelächter zu verfallen. Ihr Vater kroch unbeholfen zwischen den Zweigen eines Zitronenbäumchens hindurch, versuchte dabei den heiligen Garten seines Sohnes nicht zu zerstören. "Ich hätte wissen müssen, das ich dich hier finde.", ertönte sein rauchiges Lachen und er klopfte seinem Sohn etwas zu fest auf die Schulter. "Deine beiden Freunde suchen nach dir. Ihr wolltet doch am Strand schonmal einen geeigneten Platz für deine Feier aussuchen." Jetzt wo er es sagte, fiel es Silvain auch wieder ein. Da hatte er doch ernsthaft seine beiden Freunde versetzt! "Danke für die Erinnerung, Dad!", rief er noch, dann rannte er los. Die Hektik wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, denn seine beiden Betas standen vor dem Königshaus und warteten auf ihn. "Ich dachte mir schon, das du zu spät kommst.", lachte Collin und zog ihn lachend in seine Arme. Sarah, die neben ihm stand, warf sich einfach mit dazu.

So verharrten sie einen Moment, bevor sie sich auf den Weg zum Strand machten. Ihr Gebiet lag nur einige hundert Meter vom Meer entfernt, hatte auf der anderen Seite aber einen großen Mischwald und etwas weiter weg begannen die Berge, in dessen Tag ihr Rudel sicher und geschützt lag. Zu dieser Uhrzeit war es angenehm ruhig hier, nur die Möven waren noch zu hören. Direkt vor ihnen erstreckte sich der Steg, mit den zwei Fischerbooten, die daran befestigt waren. Kleine Muscheln schmückten den Weg ins Wasser und manchmal konnte man hier sogar Krabben beobachten. "Möchtest du lieber etwas weiter abseits feiern? Vielleicht hinten, da wo das Wasser flacher ist?", schlug Sarah gut gelaunt vor. Silvain stimmte mit einem knappen Nicken zu, sah ein wenig neidisch auf die miteinander verschränkten Hände seiner Freunde. Sie waren nicht nur seine Betas, sondern auch Mates. Im Gegensatz zu ihrem Alpha waren beide ein gutes halbes Jahr älter , konnten ihren Seelenverwandten dementsprechend schon eher finden. Natürlich freute er sich für sie, immerhin gingen sie schon seit Jahren zusammen durch dick und dünn, aber gleichzeitig wuchs mit jedem Tag, den sein Geburtstag näher rückte, die unterschwellige Angst, seinen eigenen Mate vielleicht niemals zu finden.

Sie liefen ein paar Minuten, als Collin abrupt stehen blieb. "Riecht ihr das?" Von der Stelle, wo bis vor einem Jahr noch ein ehemaliger Obdachloser in einer kleinen Hütte gehaust hatte, wehte der metallische Geruch von Blut in der Luft. Silvain spürte wie seine Nackenhaare sich aufstellten. Das war definitiv nicht nur ein toter Fisch. Langsam gingen die Drei vorwärts, für den Ernstfall bereit. Doch was sie sahen, als sie um die letzte Ecke bogen, war alles andere als eine Bedrohung. Ein weißer Wolf mit hübschen grauen Abzeichen in dem dichten Fell lag vor ihnen, auf einer der alten Zaunlatten, welche in den Sand gesteckt waren und als Abgrenzung der Hütte gedient hatten, wortwörtlich gepfählt. Das Holz bohrte sich an der Stelle seines Herzens durch den Pelz und vermutlich auch durch das feste Fleisch. Warm sickerte das Blut aus seinem Körper, tropfte auf den Sand darunter und färbte ihn dunkelrot. Es stellte ein wirklich schreckliches Bild dar.

Sarah schnappte nach Luft, war die Erste, die sich von dem Anblick lösen konnte und hin rannte. Den Kopf legte sie an die Brust des Tieres um nach einem Herzschlag zu lauschen. "Er lebt noch!", flüsterte sie ehrfürchtig und sah sich die Wunde an. Ihr Vater war der Rudelarzt, weswegen sie noch die meiste Ahnung hatte. Obwohl es keiner von ihnen ansprach, wussten sie doch alle, dass dies hier kein normaler Wolf war. Dahinter steckte ein Wandler wie sie selbst, kurz davor, seinen letzten Atemzug zu nehmen. "Wir müssen ihn irgendwie befreien, damit er geheilt werden kann!", meinte Sarah energisch und machte Anstalten, das Tier anzufassen. In dem Moment jedoch ruckte der große Kopf nach oben und die Beta stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sich die spitzen Zähne in ihren Unterarm bohrten. Sofort eilte Collin zu ihr, gab dem Wolf einen festen Schlag auf die empfindliche Nase, weswegen er jaulend von seinem Mädchen abließ und den Kopf schwer atmend wieder hängen ließ, wobei die bernsteinfarbenen Augen wachsam auf sie gerichtet waren. Vor Schreck ganz blass taumelte Sarah einen Schritt zurück und in die Arme ihres Mates, die er schützend um sie schlang. Zum Glück heilten Wunden von Wandlern wesentlich schneller als die von Menschen, zudem Betas weniger schmerzempfindlich waren als die unteren Ränge.

Silvain blieb mit etwas Abstand stehen. Durch das viele Blut war es so gut wie unmöglich zu riechen, welchen Rang dieser Wandler besaß, was ihn ein wenig beunruhigte. Aufgrund seiner Aggressivität und Größe würde er auf einen Beta tippen, denn für einen Alpha war er zu unruhig und schmächtig. Doch egal welchen Rang er hatte, eines stand fest: sie mussten ihn unbedingt retten!

~.~.~

Momentan geht mir das Schreiben dieser Story echt mega leicht von der Hand.
Fühlt ihr schon die Vibes? 🌚

Wer dieser fremde Wandler wohl ist? 🤔

Unsteady / AlphaxOmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt