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"Meinst du, er schafft das?", überlegte Sahra während sie im Kühlschrank des Rudelhauses nach etwas Fleisch suchte. Ihr Gefährte zog nachdenklich die Stirn in Falten. "Ich glaube ehrlich gesagt nicht daran. Den Blutverlust könnte selbst ein Beta nicht mehr ausgleichen."

Seufzend nahm Collin seiner Mate die Packung mit rohen Hühnerfilets ab und öffnete sie. Zwei Stück davon legte er auf einen kleinen Teller, dann machten sie sich auf den Weg zum Königshaus nebenan, wo Silvain bereits auf sie wartete. Sie hatten sich darauf geeinigt, das immer jemand bei dem Verletzten bleiben würde, denn sie trauten ihm nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde er versuchen zu fliehen und dann wäre er schneller tot, als man ihn wieder eingefangen hätte.

Leise öffneten beide Betas die Tür und traten ein. Silvain saß auf dem Bett, welches mit alten Decken ausgelegt war, damit der Wolf neben ihm nicht alles mit seinem Blut verschmierte. Erleichtert nahm Sahra zunehmend den Eigengeruch des Omegas wahr und nicht mehr so stark den Gestank nach Blut. Obwohl sie hart im Nehmen stand gingen ihr solche Erlebnisse trotzdem nahe, denn sie war nunmal sehr einfühlsam. Collin stellte den Teller direkt vor den überkreuzten Pfoten des Tieres ab. Unter dem stuppigen Fell ließ sich sein Körperbau nur erahnen, aber besonders viel war an ihm nicht dran. Zudem er ungewöhnlich groß für einen Omega war. Statt sich aber wie erwartet direkt auf das Fleisch zu stürzen, wendete der Omega leise knurrend den Kopf ab. "Was soll das? Das ist einwandfreies Fleisch!", motzte Collin sofort, denn er hasste Leute, die undankbare Esser waren.

Er verstummte jedoch als sein Alpha warnend die Hand hob. Silvain hatte da so eine Vermutung, weswegen er eines der Stücke Fleisch in die Hand nahm und davon abbiss. Besonders appettitlich war es nicht, aber es zeigte den gewünschten Effekt. Aufmerksam musterte der fremde Wandler ihn und sobald Silvain seinen Bissen runtergeschluckt hatte, wurde ihm der Rest beinahe aus der Hand gerissen. Zufrieden sah er dabei zu, wie der Wolf gierig alles verschlang und sich danach gründlich über die Lefzen leckte. "Wie hast du das geschafft?", fragte Sahra erstaunt, auch Collin sah nicht weniger überrascht aus. Ihr blonder Freund zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Er hatte Angst, es könnte vergiftet sein. Aber ich würde es nicht essen wenn es das wäre.", erklärte er, was durchaus einleuchtend klang. Auch wenn er es nicht an die große Glocke hang, war Silvain dafür bekannt, das er sich gut in Andere hineinversetzen konnte.

"Und du bist sicher, das du allein mit ihm hier schafen willst?", versicherte Collin sich nochmal, nachdem sie sich eine Weile über belanglose Dinge unterhalten hatten. Silvain nickte lächelnd. "Ich weiß es sehr zu schätzen, das du dich um mich sorgst. Aber ich habe ein gutes Gefühl bei ihm. Er wird mir nichts tun, zudem er ja kaum aufstehen kann.", erklärte er ruhig und streichelte dem Wolf neben sich sanft über den Kopf. Irgendwann war der Omega einfach zu ihm auf den Schoß gekrabbelt und hatte sich dort zusammengerollt, wo er nun den Schlaf nachholte, welchen er so dringend brauchte. Seine beiden Freunde verabschiedeten sich noch, dann war Silvain allein. Vorsichtig, um den Fremden nicht zu wecken, legte er sich nach hinten, sodass auch er schlafen konnte. Sein Wecker würde pünklich in vier Stunden klingeln und die Zeit bis dahin wollte er nutzen um ebenfalls etwas Erholung zu finden.

Als es dann soweit war, setzte er sich verschlafen auf. Der Wolf lag noch immer unverändert auf seinen Beinen. "Hey mein Kleiner, wir müssen deinen Verband wechseln.", murmelte Silvain und schaltete die Lampe auf seinem Nachttisch an, damit er genug sah, um auch alles richtig zu machen. "Kleiner?", fragte er erneut, als der Omega sich nicht regte. Dessen Brustkorb hob sich in viel zu langsamen Abständen und so schwach, das man die Bewegung kaum noch erkannte. Panik flutete seine Adern als er das viele Blut sah, welches den Verband durchtränkt und die Decken eingesaut hatte. Das war viel zu viel!

"Hilfe!", rief er so laut er konnte. "Hilfe!" Es dauerte keine Minute, da wurde die Zimmertür aufgerissen und Baldwin stürmte in das Zimmer. "Was ist passiert?", fragte er mit Blick auf das Spektakel im Bett seines Sohnes. "Ich weiß es nicht. Dad, er atmet kaum noch!" Silvains Stimme überschlug sich dabei mehrfach. Er war völlig überfordert mit der Situation, hatte sich noch nie so hilflos gefühlt. Baldwin überprüfte den Puls des Omegas, viel zu schwach. Ihm war klar, das es für diesen kleinen Kerl keine Rettung mehr gab. Abigail war zwar eine Heilerin, doch ihre Fähigkeiten reichten nur für kleinere Verletzungen aus. Seufzend schüttelte er den Kopf, sah bereits die ersten Tränen in den Augen seines Sohnes.

Silvain weinte nicht oft, war er doch viel zu optimistisch dafür gestimmt. Aber in diesem Omega hatte er etwas gesehen, was er sich selbst nicht erklären konnte. Instinktiv wusste er einfach, das er alles für diesen Jungen tun würde, obwohl er ihn erst seit wenigen Stunden kannte. Und jetzt würde eben dieser Omega sterben müssen. 

~.~.~

Wohl doch kein happy end 😬

Unsteady / AlphaxOmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt