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Hilflos sah Sahra zu dem Verletzten. Einerseits wollte sie ihm unbedingt helfen, denn dieser Wandler schien noch jung zu sein undhatte es keinenfalls verdient, allein sterben zu müssen. Andererseits brannte die Wunde an ihrem Unterarm noch immer fürchterlich, obwohl sie bereits begann sich zu schließen. Noch eine Verletzung wollte sie ungern riskieren.

"Halt ihm die Schnauze zu.", forderte Silvain knapp und zog sich sein T-Shirt über den Kopf. Darunter verbargen sich sonnengebräunte Haut und kräftige Muskeln sowie breite Schultern. Achten tat darauf jedoch keiner von ihnen, denn Wandler waren es gewohnt nackt zu sein. Stattdessen packte Collin die Schnauze des Wolf und hielt die Kiefer fest zusammengedrückt. Das Tier begann zu zappeln, versuchte mit letzter Kraft sich zu befreien. Aber nach und nach forderte der hohe Blutverlust seinen Tribut, sodass er sich endlich beruhigte und still hielt.

Das nutzte Silvain und kam zu ihnen. Beide Hände legte er an die Zaunlatte, welche aus dem Körper des Wandlers hervor ragte, dann wendete er all seine Kraft auf und zerbrach das morsche Holz. Es knackte und schließlich gab der Zaunpfahl nach. Bei seiner Aktion zog er sich einige Splitter zu, aber die würde er später entfernen. Jetzt hatte ihr neuer unfreiwilliger Freund Vorrang.

Vorsichtig hob er den Wolf hoch. Leise winselte er als er an die breite Brust des Alphas gedrückt wurde, welche er mit seinem Blut beschmierte. Damit er nicht noch mehr der lebensnotwendigen Flüssigkeit verlor band Sahra das Shirt, welches Silvain ihr gegeben hatte, um den dürren Oberkörper. Innerhalb kurzer Zeit war der weiße Stoff ebenfalls in ein dunkles Rot gefärbt. "Wir sollten uns beeilen.", meinte Sahra besorgt und griff nach der Hand ihres Gefährten, der den Fremden misstrauisch musterte. Erst nach der Aufforderung seines Anführers ließ er den Wolf los, welcher schwach in Silvains Armen hing. Jetzt kam es auf jede Minute an, das wussten sie.

Zu viert traten sie den Heimweg an und beeilten sich, zurück zum Rudelhaus zu kommen. Viele überraschte Blicke trafen sie als die drei Freunde zur Haustür herein kamen. Abigail Rainer war die Erste, die zu ihnen kam. Die Heilerin arbeitete eng mit Sahras Vater zusammen. "Was ist dem Süßen hier denn passiert?", sah sie sich den verletzten Wolf kurz an. "Ach, ich sehe schon. Bringt ihn ins Krankenzimmer und ich werde schauen ob ich noch etwas für ihn tun kann.", wurde sie ernster wobei sich ein besorgter Unterton in ihre Stimme schlich, was nichts Gutes hieß. Normalerweise war die Omega voller Zuversicht und niemand konnte ihr die gute Laune nehmen. Doch das hier war verdammt ernst.

Schnell brachte Silvain den Verletzten ins Krankenzimmer, welches sich im Erdgeschoss des Rudelhauses befand. Sahra breitete noch ein altes Handtuch auf der Liege aus, dann legten sie den Wolf darauf ab. Das Stück des Pfostens schaute ein Stück unter dem dichten Fell hervor, würde gleich von ihrer Heilerin behandelt werden. Vermutlich würde sie es vorerst noch in der Wunde stecken lassen, damit die Blutung nicht noch extremer wurde. Sonst hatte er erst recht keine Chance mehr.

Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Meinung konnten Wandler nämlich durch die gleichen Bedinungen sterben wie normale Menschen, sie heilten bloß deutlich schneller und lebten länger.

Bevor Abigail aber überhaupt wieder zurück ins Zimmer kommen konnte, hob der Wolf den Kopf und packte das Endstück des Pfostens mit den Zähnen, dann zog er es mit einem Ruck heraus. "Was machst du denn da?!", fluchte ihre Heilerin, die einen Verbandskasten unter dem Arm trug. Als sie näher kam knurrte das Tier jedoch drohend. Geschmeidig, wenn auch etwas zur Seite taumelnd, sprang er von der Liege, wo er auf dem Boden eine Spur seines Blutes hinterließ, die zur Tür führte.

Silvain ließ sich davon allerdings nicht einschüchtern und stellte sich ihm stur in den Weg. "Wir haben versucht dir das Leben zu retten obwohl du nicht gerade nett warst. Also zeig endlich Respekt und lass dich untersuchen!", knurrte er und brachte seine Dominanz zum Vorschein.

Der Wolf legte zähnefletschend die Ohren an, während er den Schwanz zwischen die Beine klemmte und sich klein machte. Obwohl der metallische Geruch von Blut noch immer in der Luft hingund somit den Duft seines Ranges verbarg, sah Silvain allein an seiner Reaktion, das es sich um einen der seltenen männlichen Omega handelte. Betas und Deltas hatten zwar großen Respekt, doch in den Augen dieses Wandlers stand pure Angst wie er es noch nie gesehen hatte.

Auch seine Freunde schienen es zu merken, denn Sahras Gesicht zeigte noch mehr Mitgefühl als sowieso schon und Collin entspannte sichtlich. Ein Omega stellte für sie keine Bedrohung dar, denn laut ihren Erzählungen waren diese Wandler sehr schüchtern und brauchten Zeit um aufzutauen, aber dann waren sie herzensgut und sehr liebevoll. Auf Nicole, die Frau ihres Alphas, traf das auch vollkommen zu. Einen männlichen Omega hatte aber keiner des Rudels je getroffen, denn sie waren äußerst selten und auf dem Schwarzmarkt sehr begehrt. Deswegen traute der Beta sich auch, ihn unter der Brust oberhalb der Wunde zu greifen und festzuhalten, damit Abigail seine Wunden untersuchen konnte.

"So krass wie das blutet kann ich ihn nur bestmöglich versorgen und dann müssen wir hoffen, das die Blutung schnell stoppt.", erklärte sie während sie die Verletzung säuberte und einen Verband anlegte. "Allein kann ich das aber nicht übernehmen, denn ich habe noch viel zutun und die Verbände müssen alle vier Stunden gewechselt werden. So geschwächt wie er ist wird er sich auch nicht verwandeln können um es selbst zu machen."

Ein leises Fiepen ertönte und der graue Wolf schwenkte mit dem Kopf herum. Statt wie erwartet zuzubeißen leckte er jedoch bloß über die Hand der Omega, welche nicht weniger überrascht aussah, wie die Anderen. Plötzlich schien er ganz lieb und zutraulich.

"Wie hoch stehen seine Chancen die erste Nacht zu überstehen?", fragte Silvain besorgt. Abigail überlegte, zuckte ungewiss mit den Schultern. "Nicht gut. Schätzungsweise hat er bereits vier Liter Blut verloren, so viel kann ich ihm mit Konserven nicht schnell genug wieder zuführen. Eigentlich müsste er längst bewusstlos sein.", murmelte sie und streichelte ihm vorsichtig durch das weiche aber etwas verfilzte Fell. "Dabei ist er bestimmt ein hübscher junger Mann."

Silvain musterte den Omega lange, dann fasste er einen Entschluss. "Ich werde mich um ihn kümmern so gut ich kann. Den Rest entscheidet das Schicksal." 

~.~.~

Scheint so als würde es ganz schön knapp werden. Ob der kleine Omega trotzdem noch zu retten ist? 

Unsteady / AlphaxOmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt