Kapitel 2

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In der Pausenhalle drängten die Mädchen sich in eine Ecke. Kichernd suchten sie den Raum nach der Sensation des Morgens ab. Lucas stand umringt von neugierigen Mitschülern, tat aber den ganzen Rummel um sich mit einer lässigen Handbewegung ab. Julia und ich betrachteten die Szene aus sicherer Entfernung mit einer Mischung aus Belustigung und Scham für die teilweise wirklich peinlichen Auftritte der hemmungslos flirtenden Girlies. Gerade hatte sich Jenny bei Lucas untergehakt und schmachtete ihn durch ihre langen, schwarz getuschten Wimpern an, während sie sich durch ihre honigblonde Lockenmähne fuhr. Der Ausdruck ihrer braunen Augen ließ wenig Interpretationsspielraum. "Komm, lass uns zu den anderen gehen." Julia zog mich rüber zu ihrem Freund Matt und dem Rest unserer Clique. 

Schon schlang sich ein Arm um meine Schultern und meine Haare wurden verwuschelt. "Oh Steve, das gibt Rache!", schrie ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Doch er lachte nur und hielt mich weiter fest. Manchmal hasste ich es so zierlich zu sein, niemand nahm mich ernst! Gespielt entrüstet funkelte ich ihn an und richtete dann doch schmunzelnd meine langen, braunen, jetzt leider hoffnungslos verknoteten Haare. Den Rest der Pause blödelten wir so herum, bis es klingelte. Stöhnend verabschiedete ich mich, denn ich war die Einzige meiner Freunde, die in den Biokurs musste. Warum hatte ich mich nochmal dafür eingetragen? Ich seufzte und wartete vor dem Raum mit den anderen darauf, dass Mr. Lane endlich auftauchte. "So betrübt, Schönheit?" säuselte mir jemand von hinten ins Ohr. Sofort versteifte ich mich, wirbelte herum und stieß mit der Nase beinah an die Brust von Nick Drew. Oh nein..., schoss es mir durch den Kopf. Dieser Kerl konnte mich einfach nicht in Frieden lassen!

Zum Glück kam in diesem Moment schlüsselklappernd Mr. Lane um die Ecke und ich flüchtete in den Raum. Bevor sich die Tür schloss erhaschte ich noch einen Blick auf Nick, der in meine Richtung starrte. Mit düsterer Miene hing ich meinen Gedanken nach. Als sich plötzlich jemand neben mich auf seinen Stuhl fallen ließ, schrecke ich hoch. Lucas nahm allerdings keinerlei Notiz von mir und kritzelte auf seinem Collegeblock herum. Was fiel ihm eigentlich ein? Langsam entwickelte ich eine echte Abneigung gegen diese Arroganz, obwohl wir noch nicht einmal mit einander geredet hatten. Aber sein abweisendes Verhalten verstand ich nicht. Und in Mathe war er unmöglich zu mir gewesen! Ohne meinen Kopf zu drehen sagte ich: "Mein Name lautet übrigens Alice! Schön, dass du fragst." Verblüffung zeichnete sich für eine Sekunde auf seinen Zügen ab, doch sofort hatte er sich wieder Kontrolle. Auch er sah mich nicht an. "Das Schalmädchen.", stellte er trocken fest. Meine Augen folgten Mr. Lanes Bewegungen, aber meine Aufmerksamkeit war neben mich gerichtet. In mir brodelte es. "Genau die!", zischte ich ihm zu. " Kannst du mir verraten, was das sollte?" Noch immer würdigte er mich keines Blickes und meinte nur ruhig "Ich habe ihn dir gern zurück gegeben, ein Dankeschön ist nicht nötig." Meine Wangen färbten sich rot vor unterdrückter Wut. Plötzlich stand Mr. Lane vor unserem Tisch und sah mich besorgt an: "Miss Grey, fühlen Sie sich nicht gut? Sie sehen so erhitzt aus!" Verlegen grummelte ich, dass alles in Ordnung sei und beschloss kurzerhand Lucas von nun an zu ignorieren. 

Dennoch warf ich ihm für den Rest der Stunde immer wieder kurze Seitenblicke zu. Irgendwie sah er auf seine Art schon verdammt gut aus. Sein Gesicht war sehr ebenmäßig und seine dunkelbraunen Haare fielen ihm leicht gelockt in die Augen, sobald er sich zum Mitschreiben über sein Blatt beugte. Die Farbe konnte ich nicht ausmachen, ich hätte den Kopf drehen müssen und diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Endlich erlöste mich das Klingeln und ich stürmte aus dem Raum. Von der Biostunde hatte ich keine Minute mitbekommen. 

The Sound of SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt