Kapitel 4

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Stöhnend warf ich mich in meinem Bett zur anderen Seite, auf der Flucht vor den Sonnenstrahlen, die meine Nase kitzelten. Als ich jedoch verschlafen auf meinen Wecker schielte, fiel ich fast aus dem Bett!

Verdammt! Schon halb 8! Ich schaffe es garantiert nicht mehr noch pünktlich zu kommen... Mr. Jason wird mich in der Luft zerreissen!

Hastig sprang ich aus dem Bett und rannte kopflos im Haus herum und versuchte mich so schnell wie möglich schulfertig zu machen. Zu allem Überfluss griff ich in der Küche in eine der Scherben die meine Eltern wohl nicht mehr beseitigt hatten. Zum Glück sah es nicht so schlimm aus und ich konnte endlich das Haus verlassen.

Als ich endlich in der Schule angekommen war, hob Mr. Jason nicht mal den Kopf als ich mich ins Klassenzimmer stahl. "Nachsitzen!", war sein einziger Kommentar. Das war ja sehr merkwürdig! Keine Strafpredigt heute? Keine Schikane vor der ganzen Klasse? Auch Julia schien verwirrt zu sein. Wir sahen uns an. Ich zuckte nur mit den Schultern und wandte mich dann ab, schließlich wollte ich mein Glück nicht überstrapazieren. Also tat ich so als würde ich dem Unterricht folgen, hing derweil aber meinen Gedanken nach und bekam kein Wort über die lineare Algebra mit.

Völlig in meiner eigenen kleinen Welt versunken spürte ich plötzlich ein Kribbeln im Nacken. Instinktiv legte ich eine Hand an die Stelle und drehte leicht meinen Kopf. Gleich zwei Augenpaare waren auf mich gerichtet. Nick starrte mich an und als er sah, dass ich ihn bemerkt hatte ließ er den Blick anzüglich über meinen Körper gleiten und grinste. Angewidert ließ ich meinen Blick weiter nach vorne wandern und meine Haare über die Schulter fallen, sodass sie mich wie ein Vorhang von Nick abschirmten. Doch die Überraschung, dass auch Lucas' Augen auf mir ruhten, ließ jeden Gedanken an Nick sofort verschwinden.

Das Klingeln riss mich aus meiner Starre und schnell kramte ich meine Sachen zusammen. Julia schwatzte schon munter auf mich ein während wir in Richtung Pausenhalle schlenderten. "Mensch Alice, hörst du mir überhaupt zu?!" Julia schien tatsächlich leicht verärgert zu sein. "Oh bitte entschuldige, Ju!", zerknirscht sah ich sie an, "Was hast du gesagt?". Julias Augen begannen zu strahlen. "Na ich hab von der Party morgen geredet! Sag bloß die hast du schon vergessen? Klar, Jenny Jenkins ist ein arrogantes Miststück, aber von Partys versteht sie was!" Gespielt ungläubig sah ich sie an "Wie könnte ich diese Party vergessen? 'DAS Ereignis des Semsters'!", äffte ich Jennys schrillen Begeisterungsschrei nach. Julia lag vor lachen schon halb auf der Erde, als ich mir auch noch affektiert mein Haar aus dem Gesicht strich und mit wackelndem Hintern auf und ab stolzierte. Auch ein paar der Jungs aus unserer Clique hatten sich zu uns gesellt und johlten.

Von hinten schlang sich plötzlich ein Arm um meine Taille und ich wurde an eine harte Brust gezogen. "Süße, dieses Getue hast du doch gar nicht nötig. Meine Aufmerksamkeit ist dir auch so sicher.". Sofort versteifte ich mich und versuchte mich aus Nicks Arm zu winden. "Lass mich los!", forderte ich ihn möglichst ruhig auf. Wenn dieser Typ auch nur die kleinste Schwäche witterte, wäre ich Freiwild. Zum Glück ließ er von mir ab und trollte sich, nachdem Steve ihn von mir weggezogen hatte. Für den Moment hatte ich meine Ruhe, aber wer wusste schon wie lange noch...

Den Rest der Pause redeten wir über die morgige Party. Julia und ich hatten uns nach der Schule verabredet, um  noch passende Partyoutfits zu besorgen. Vorher musste ich allerdings noch eine Stunde Geschichte überstehen. Zum Glück saß ich in diesem Kurs neben Steven und so war der trockene Unterricht doch noch ein echtes Highlight meines Tages. Wir blödelten die ganze Zeit nur herum, bewarfen uns mit kleinen Papierflugzeugen und schrieben einen albernen Rap über den Sturm auf die Bastille 1789. Mit Steve zusammen war immer alles leicht, er war ein richtiger Sunnyboy und brachte mich unentwegt zum Lachen. Er war einfach mein bester Freund. 

Mit seinen blonden verwuschelten Haaren und den schokoladenbraunen Augen hatte er schon so einige Mädchenherzen zum Schmelzen gebracht. Ein richtiger kleiner Player, aber keinesfalls oberflächlich! Man konnte mit ihm über alles reden. Allerdings mussten wir uns jetzt zusammenreissen. Der Lehrer hatte uns schon einige Male ermahnt und ich wollte mir nicht noch mehr Nachsitzen einhandeln. Da fiel mir siedent heiß ein, dass durch das Nachsitzen mein 'nach der Schule' später war, als Julias. Schnell schrieb ich ihr eine SMS. Nur leider blieb das auch Mr. Lennox nicht verborgen und schimpfend nahm er mir mein Smartphone ab. So ein Mist! Heute lief wirklich alles schief! Mitleidig sah Steve mich an, hielt aber den Mund und so verfolgten wir nurnoch stumm den Zeiger der Uhr bis zum Ende der Stunde. 

Mit hängenden Schultern schlurfte ich zum Raum der Geächteten. Als ich eintrat war dieser aber leer. Das war ja wieder typisch, kaum leistete ich mir einen Fehltritt, war ich auch noch die Einzige an diesem Tag. Allein in einem Raum mit Mr. Jason? Ein Traum ging in Erfüllung... Lustlos hing ich über meinem Tisch, den Kopf auf den Armen. Doch plötzlich öffnete sich die Tür und Lucas streckte seinen Kopf herein. "Sieh an, das Schalmädchen. Ist das hier der Raum fürs Nachsitzen?", frage er mich mit dieser verflixten Augenbraue, die sich anscheinend immer hob wenn er mit mir sprach. 

Ich hob nichtmal den Kopf, zuckte aber leicht mit der Schulter. Er verstand und setzte sich schräg hinter mich. Wie auf unseren Plätzen im Mathekurs. So befand er sich nicht mehr in meinem Blickfeld und dennoch spürte ich seinen Blick in meinem Nacken prickeln. Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. Wärme schien sich von meinem Rücken auszubreiten und in meinen ganzen Körper auszustrahlen. Mittlerweile saß ich kerzengerade auf meinem Stuhl und starrte die Tafel an. um nur nicht der Versuchung zu erliegen mich umzudrehen. 

"Was machst du überhaupt hier? Nachsitzen schon am 2. Schultag?", ich versuchte meine Stimme möglichst cool und kontrolliert klingen zu lassen. Dass ich mehr zu der Tafel als zu ihm gesprochen hatte, schien ihn nicht im mindesten zu stören. Doch was mich völlig aus dem Gleichgewicht brachte war ein leises Lachen. Das musste eindeutig von ihm gekommen sein, sonst befand sich niemand in diesem Raum! Erstaunt drehte ich mich nun doch um und sah direkt in seine meerblauen Augen, die mich schalkhaft anblitzten. Seine reservierte, aalglatte Fassade war verschwunden, wie weggeblasen. "Sagen wir so, Mr. Jason war von meinem künstlerischen Talent nicht ganz angetan.", grinsend hielt er mir sein Matheheft hin. Automatisch streckte ich meine Hand aus um es entgegen zu nehmen, zog sie allerdings sofort zurück, ballte sie zur Faust und versteckte sie hinter meinem Rücken. 

Lucas war aufgesprungen und kam zu mir, zog meine Hand erstaunlich sanft hervor und öffnete behutsam meine Finger. Zum Vorschein kam der Schnitt, den ich mir heute morgen in der Küche zugezogen hatte. Die Wunde war aufgeplatzt und blutete jetzt sogar noch stärker als vorhin. Ich wusste nicht wann das passiert war, kleinere Verletzungen gehörten praktisch zu meinem Alltag als ungeschickteste Person des ganzen Sonnensystems. Er warf einen fachmännischen Blick darauf. "Alice, wir müssen das versorgen, sonst entzündet sich deine Hand vielleicht.". Gespielt erstaunt sah ich ihn an. "Du kennst meinen Namen? Wow!", der Sarkasmus troff aus jeder Silbe. 

Ja, ich war manchmal wirklich ein Biest. Seine Besrognis verwirrte mich und machte mich unsicher, also flüchtete ich mich hinter die Zicke in mir. Mr. Jasons Erscheinen rettete mich fürs erste und er kümmerte sich auch um meine Hand. Als wir vom Lehrerzimmer zurück kamen, war zu meinem Entsetzen nicht nur Lucas, sondern auch noch Nick da. Die beide saßen nebeneinander in der letzten Reihe und schienen sich angefreundet zu haben. Wortlos setzte ich mich in größtmöglichem Abstand zum Lehrerpult und den beiden anderen und machte mich an die Aufgaben die Mr. Jason uns gegeben hatte.

Es war die gefühlt längste Stunde meines Lebens und ich war mehr als froh, als wir endlich gehen durften. Vor der Schule wartete Julia auch schon auf mich und wir gingen shoppen. Die Party am nächsten Tag konnte kommen!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 10, 2013 ⏰

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