Kapitel 43

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---Ihre Sicht---
„Ich muss mal mit dir reden!", sage ich, als ich in Charlies und mein Zimmer komme. Er sitzt an die Wand gelehnt auf dem Boden und hat die Beine angezogen, um die er die Arme gelegt hat. Sein Blick ist starr zu Boden gerichtet. Ich ahne, dass die folgende Unterhaltung etwas lauter verlaufen wird, deshalb schließe ich besser die Tür.
„Das glaub ich aber auch!", sagt er und sieht auf - mir direkt in die Augen. „Ich will eine gute Erklärung dafür haben, was eben passiert ist!", sagt er leise. Seine sonst so warmen, verständnisvollen und freundlichen Augen sehen mich mit einer Mischung aus Verwirrung und Wut an, wie ich es selten gesehen habe. Und trotzdem sind sie von einer unglaublichen Leere erfüllt, die ich nie für möglich gehalten hätte. Alle Freundlichkeit, Treue und Güte ist verschwunden.
„Hast du das etwa...?", frage ich unsicher.
„Ob ich es mitbekommen habe?", fragt er spöttisch und steht langsam auf. „Ja, hab' ich! Warum? Warum tust du mir das an?", fragt er verständnislos. Ich höre das Zittern in seiner Stimme, die erstickt klingt, als könne er kaum sprechen. Er wirkt nicht wütend, eher tottraurig. Ich beschließe, ihm die Wahrheit zu sagen, statt ihm irgendetwas vorzulügen.
„Charlie, ich kann dir das erklären! Bitte hör mir zu!", fange ich an.
„Warum?", fragt er.
„Ich liebe ihn noch.", sage ich leise und schaue zu Boden.
„Was?", fragt er tonlos. „Du hast ihn ewig nicht gesehen! Er ist verlobt! Wie...? Was soll ich davon halten?" Sein Gesichtsausdruck spiegelt Verwirrung und Trauer wieder - vor allem Trauer.
„Du willst es wissen, in Ordnung!" Ich setze mich auf das Bett, streiche mir die Haare aus dem Gesicht und fange an zu erzählen. „Als ich dich getroffen habe, habe ich mich in dich verliebt. Ich dachte, dadurch Will endlich vergessen zu haben.", sage ich, er lehnt sich an die Wand. „Als ich ihn wiedergesehen habe, war ich zuerst stinksauer auf ihn.", erzähle ich weiter. „Wegen allem, was passiert ist. Er hat mir bei jeder Gelegenheit dafür die Verantwortung übertragen. Ich habe ihn dann heute Morgen ordentlich die Meinung gesagt. Aber dann hat er sich entschuldigt und wir haben geredet und irgendwie... haben wir uns geküsst. Ich wollte es nicht! Ich konnte dich einfach nicht verletzen."
„Hast du ja super hinbekommen!", schnaubt er und schlägt plötzlich mit der Faust gegen die Wand.
„Charlie!", rufe ich erschrocken und stehe auf.
„Was!", schreit er. Jetzt hat sich seine Traurigkeit in Wut verwandelt.
„Ich hab' das ernst gemeint, Charlie! Ich wollte das wirklich nicht. Ich hab' ihm gesagt, dass wir das am besten vergessen und nie mehr darüber reden.", sage ich verzweifelt.
„Oh ja, tolle Idee! Hat nur nicht geklappt, wie ich sehe.", ruft er.
„Ich habe versucht, ihm aus dem Weg zu gehen.", rufe ich verzweifelt. „Aber als ihr dann alle weg ward... Wir haben uns wieder geküsst und dann... Ich weiß nicht, was mich da geritten hat, aber...!" Ich breche ab, da ich nicht weiß, wie ich es ihm sagen soll. Außerdem kommen mir langsam aber sicher die Tränen.
Er wird wieder laut: „Was? Was hast du getan?"
„Ich habe...!", fange ich an, kann aber nicht weiterreden. Mein Hals ist total ausgetrocknet.
„Was hast du? Verdammt, sag mir wenigstens die Wahrheit! Das hab' ich verdient!", sagt er und schlägt wieder mit der Faust gegen die Wand.
„Charlie, hör auf damit!", flehe ich, als ich seine Hand sehe, und renne zu ihm.
„Warum?", brüllt er. Erschrocken weiche ich zurück. „Denkst du, das tut mehr weh, als das was du mir antust? Nein, tut es nicht! Also sag mir endlich was passiert ist!", schreit er.
„Ich habe... Ich habe mit ihm geschlafen." Zuerst passiert gar nichts. Er sieht mich einfach nur mit neutraler Miene an. Jede Kraft scheint aus seinem Körper gewichen zu sein. Er sieht gebrechlich aus, so habe ich ihn noch nie erlebt.
„Was?", flüstert er schließlich schockiert. Seine Augen sind feucht und ich sehe seine Hände zittern.
Er starrt mich fassungslos an.
„Wieso?", fragt er tonlos. „Womit habe ich das verdient? Habe ich dich schlecht behandelt? Dich angelogen? Dich betrogen? Was habe ich dir angetan?"
„Nichts Charlie! Glaub mir, dass ich dich wirklich sehr liebe, aber ich... Es hat mir das Herz gebrochen, mich entscheiden zu müssen. Glaub mir das bitte! Es tut mir selbst so unendlich weh! Aber ich konnte nicht anders. Deshalb haben wir uns gerade geküsst. Ich habe mich entschieden. Es tut mir so leid.", weine ich.
„Warum habe ich dir nur vertraut?", flüstert er.
„Es tut mir so leid, Charlie!"
„Ich muss hier weg!", sagt er leise und läuft an mir vorbei durch die Tür.
„Charlie! Bitte!", rufe ich ihm hinterher, aber er dreht sich nicht um, sondern rennt weiter die Treppen hinunter. Ich sehe ihm noch für einen Moment hinterher, dann breche ich weinend zusammen.

Die folgenreiche EntscheidungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt