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25. März

Seit meiner Geburt sah ein Tag in meinem Leben aus wie der nächste.

Meine Pflicht war das frühe Aufstehen am Morgen und erstmal kalt duschen, um wach in den Tag zu starten. Danach stand Joggen gehen an, was zum Reflektieren und dem Nachdenken über die anstehenden Termine diente.

Am Morgen sei der Mensch am produktivsten, so meine intelligente Mutter, weshalb mein Unterricht zu dieser Zeit stattfand. Teil davon waren etwa das Erlernen von Ettiketen, geschichtlichen Daten, Tänzen, Politik, rechter Artikulation und Fremdsprachen - zurzeit sprach ich vier Sprachen fließend: Französisch, Englisch, Spanisch und Russisch. Latein fiel weg, es wurde schließlich nicht gesprochen.

Nach einer ausgewogenen Mittagspause folgten familiäre Veranstaltungen, wie beispielsweise Interviews, Bälle und öffentliche sowie private Treffen. Abends wurden noch mindestens zwei Bücher gewelzt, wobei die Themen von Harry Potter bis hin zu Biographien von jeglichen berühmten Persönlichkeiten gelangen. Jedes Buch diente dabei zur Verschärfung meines Charakters und Wissens.

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Mit einem tiefen Atemzug pumpte ich die frische Morgenluft durch meinen Körper, sodass sich meine Lungen komplett füllten. Währenddessen setzte ich dreimal einen Fuß vor den anderen und atmete erst dann die verbrauchte Luft wieder aus. Meine Arme bewegten sich abwechselnd in die jeweils entgegengesetzte Richtung, dabei waren die Finger ausgestreckt als würde ich in der Luft Zwiebeln schneiden.

Umgeben von weiten Feldern sprintete ich meine regelmäßige Morgenstrecke ab und ließ zur gleichen Zeit meine Gedanken schweifen. Grüne Wiesen - so weit das Auge reichte, alle im Besitztum meiner Familie.

In meinen Ohren pfiff ein schwacher Wind, doch außer ihm war nichts weiter zu hören als das stumpfe Geräusch meiner Schuhe, die sich gleichmäßig immer wieder auf den Boden hin sowie von ihm weg bewegten. Manchmal lag ein kleiner Stein dazwischen, welcher dann gegen meine Fußsohle drückte. Sonst war alles still.

Meine Augen schlossen sich kurz, sodass ich mich voll und ganz auf den, meine Nase umhüllenden, saftigen Duft von frisch gemähtem Gras konzentrieren konnte. Es war ein berauschendes Gefühl, wenn die Welt um einen herum noch schlief und man nur sich selbst zu existieren glaubte...

Ein Hindernis hinderte meinen rechten Fuß daran weiter zu laufen, sodass ich mich keine zwei Sekunden später längs am Boden liegend wiederfand.

"Was zur Hölle war denn das, verdammt?" Die gute Laune war hinüber, sobald ich meinen Fluch aufgesagt und einen pochenden Schmerz an meiner Hüfte spürte.

Mit meinem linken Arm versuchte ich mich aufzurappeln und musste feststellen, dass Schürfwunden an meinem nackten Arm entlang zu sehen waren. Vorsichtig fuhr ich sie nach. Sie schmerzten nicht, jedoch würden sie mir Ärger einbringen, denn sie würden die Öffentlichkeit nicht von meiner Tugendhaftigkeit, Keuschheit und Fruchtbarkeit überzeigen. Meiner Mutter war mein Aussehen wichtiger als mir selbst.

Auf dem linken Bein hockend, suchte ich nach dem meiner Lage zugrundeliegenden Problem und fand es in einem faustgroßen Stein. Komisch, der Feldweg wird mehrmals am Tag gesäubert - Ordnung war meiner Mutter sehr wichtig. Damit ihre Tochter nicht über einen großen Stein stolperte und so makellos wie die perfekte Barbie erschien. Dass meine einzige Ähnlichkeit mit Barbie die naturblonden Haare waren, ignorierte sie. Es war schließlich ihr bester Vergleich.

Schnaufend beugte ich mich nach vorne und griff mit meiner linken Hand zornig nach dem Objekt mit der Intention, ihn so weit wie möglich von hier weg fliegen lassen.

Ich stoppte. Was war das? Mein Finger fuhr in eine kleine weiche Einkerbung. Dann strich er weiter und fühlte mehr Tiefen im Stein.

Es war eine geheime Botschaft, wie ich nun nach genauerem Hinsehen erkennen konnte. Widerwillig zogen sich meine Mundwinkel in die Höhe und mein Herz schlug plötzlich wie wild beim Lesen der Nachricht.

Lilou, mi vida.
Triff mich heute um 6
in der Bibliothek Nael.
-V

Mit einem prüfenden Blick in den Spiegel musterte ich mein Gesicht.

Meine Haut war rein, dafür bekam ich die besten und gleichzeitig teuersten Hautpflegeprodukte.
Die Augenringe unter den graublauen Augen ließen sich jedoch nur mit Concealer abdecken. Sonst war mein Gesicht nicht geschminkt.
Die schulterlangen Haare hatte ich mir zu einem festen Pferdeschwanz gebunden, sodass ich mir die Kapuze so weit wie möglich übers Gesicht ziehen konnte.

Auf meiner geheimen Mission sollte mich schließlich niemand erkennen.

Mit der Entschuldigung, ich hätte Kopfschmerzen und müsse mich gesundschlafen, gingen ein Interview sowie das noch bevorstehende Abendessen an mir vorüber. Danach galt die Bettruhe, weshalb meine Mutter auch nicht mehr bei mir vorbeischauen würde.

Voller Vorfreude auf das bevorstehende Treffen mit Vicente vollführte ich ein kleines Tänzchen, indem sich mein Körper mit Schwung im Kreis in der Mitte meines riesigen Schlafzimmer drehte. Als sich allerdings ein stechender Schmerz in meiner Hüfte aufmachte, stoppte ich und hielt inne. Das muss vom Sturz gewesen sein...

Hätte mein Date nicht erstmal nachdenken können, bevor er mir einen Stein in den Weg legte?

Wahrscheinlich wäre er dabei nicht auf die Idee gekommen, dass ich blind jogge. Wer macht schon die Augen zu, wenn er läuft und lässt Hindernissen freie Fahrt?

Augenrollend sah ich mich ein letztes Mal in meinem Zimmer um.

Es war alles weiß eingerichtet: hohe Möbel, ein Prinzessinnenbett, der in der Wand befestigte Spiegel, unpersöhnliche schwarz-weiß Bilder. Hier hätte jeder wohnen können. Mein Zimmer befand sich im obersten Stock, sodass ich volle Sicht auf den Pool, die neben ihm stehenden Liegen und den weitläufigen Garten mit Kirschbäumen hatte.

Ich hatte noch nie etwas Verbotenes getan, doch ich schätzte es gab für alles ein erstes Mal.

Und so geschah es, dass ich ohne die Kenntnis meiner Eltern die Villa über einen Seitengang meines Zimmers verließ und mich auf den Weg zur der sich im Besitz der Garcías befindenen Bibliothek Nael machte.

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