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Ich beschloss, meinen Eltern vorerst nichts von dem Treffen mit Elias zu erzählen. Das bedeutete, dass ich es dann beim Mittagessen tun musste, wenn sie noch nicht so gestresst und einen zwölf Stunden Tag hinter sich hatten. Das hätte sowieso nichts gebracht. Sie verstanden mich nicht, hätten dagegen an geredet. Eigentlich wollten sie nur, dass ich zuhause blieb, mich in mein Zimmer verzog und verkümmerte. Seit Carolines Tod waren sie unausstehlich. Auch, wenn ich noch nie ein sonderlich gutes Verhältnis zu ihnen gehabt hatte, so wurde es noch schlimmer, seit dem ich Tag für Tag in meinem Zimmer hocken durfte.

Elias hatte mir gezeigt, was es hieß, glücklich zu sein. Ganz egal, was für ein Päckchen man mit sich herum trug. Ich wusste nicht genau, warum Elias zu Evke musste, aber was immer der Grund dafür war: Er schien damit klar zu kommen. Und zwar ganz anders, als ich es tat. Natürlich, jeder ging anders mit seinen Problemen um, aber bei Elias sah es so federleicht aus. Gestern Abend war ich das erste Mal seit langem wieder abgelenkt und irgendwie ich gewesen. Unbeschwert. Für einen kurzen Moment hatte ich mich wie in einer typischen und total unrealistischen Lovestory gefühlt, wo alles beinahe perfekt und romantisch gewesen war. Und, viel wichtiger, ich hatte mich so normal wie vor Carolines Tod gefühlt.

Ich nahm mir vor, dass das hier, dieses mit Elias, das zwischen uns, meine Lovestory werden würde. Ganz egal, ob ich ihn verdiente oder nicht.

Er gab mir Zucker. Machte mich lebendig.

»Hope!«, riss mich die schrille Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken. Ich war versucht zu schreien, dass ich keinen Hunger hatte, aber das würde sie geflissentlich überhören. Grimmig sprang ich von meinem Bett und polterte die Treppe herunter. In der Küche roch es nach ekligem Blumenkohl. Am liebsten wäre ich auf dem Absatz wieder umgedreht.

Ich hasste gekochtes Gemüse und, noch viel wichtiger, ich hasste es, mit meinen Eltern an einem Tisch sitzen zu müssen!

»Hope, setz dich bitte«, schnauzte mein Vater und faltete bedächtig seine Zeitung wieder zusammen. Sein bereits grau meliertes Haar hatte er streng zurückgekämmt und seine Krawatte hing locker um seinen Hals herum.

Mein Vater war gewöhnungsbedürftig. Vor allem seine abschätzigen Blicke waren gewöhnungsbedürftig.

Steif wie ein Brett setzte ich mich wiederstrebend auf meinen Stuhl ihm gegenüber. Meine Mutter stellte einen dampfenden Topf auf den Tisch und watschelte dann nochmal zurück zum Herd, um die Dunstabzugshaube auszuschalten. Es war mir, als könnte ich das Donnerwetter aus der Zukunft bereits hören, das sich da in unserer Küche zusammen braute.

Schweigend saß ich mit meinen Eltern am Tisch, die mir mit einem Mal unglaublich fremd vorkamen. Sie hätten auch ganz normale Leute von der Straße sein können.

Mehr als die Erinnerungen verband mich nicht mehr mit ihnen.

Lustlos stocherte ich in meinem Blumenkohl rum. Nur um ihn dann wenige Sekunden später weg zu schieben. Meine Eltern sahen mich entgeistert an.

»Ich werde heute Abend übrigens weggehen«, sagte ich, um eine möglichst feste Stimme bemüht und winkelte ein Knie an, um mein Kinn darauf stützen zu können. Nur, weil ich es ihnen gestern Abend nicht gesagt hatte, hieß das nicht, dass ich es so langsam nicht tun musste.

Meinem Vater fiel die Fassung aus dem Gesicht und meine Mutter knallte ihre Gabel auf den Teller.

»Was?«, kreischten sie hysterisch und hämmerten beide synchron auf die Tischplatte ein, so als hätten sie sich eine Choreografie extra nur für diesen Anlass ausgedacht. Es klang, als würden fünfzig Pauken auf einmal los schmettern. Ich verzog das Gesicht und blickte abwartend aus dem Fenster, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatten.

Heartbeatbreaker - When Love is the only reason why you die - Teil 1 || #ErzaehlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt