Zwei

80 6 0
                                    

Ich lag auf meinem Bett und las mein Lieblingsbuch. Looking for Alaska von John Green. Ich hatte es bestimmt schon fünfzehn mal gelesen. Dementsprechend sah es auch aus.

Ich klappte das Buch zu und seufzte. In einer Stunde fing die Selbsthilfegruppe an. Niemand hatte Lust darauf, doch es war sowas wie eine Pflicht. Jedem ging es schlecht, doch jeder musste sich runter in den ersten Stock zu Mr. Marple quälen.

Ja, er heißt wirklich Marple mit Nachnamen. Ich fand, dass sein Nachname gut zu seinem aussehen passte. Er war bestimmt schon Mitte vierzig. Jedesmal trug er Stoffhosen, dünne Hemdchen und die gleichen abgelatschten Ledersandalen.

Immer war auf seiner Nasenspitze eine Lesebrille. Dazu hatte er Rasterlocken. Ich fragte mich wirklich wie so jemand dazu kam, eine Selbsthilfegruppe zu leiten, aber immerhin brachte er etwas Abwechslung in das Krankenhaus. Sonst sah man immer nur die Ärzte in ihren weißen Kitteln.

Ich legte das Buch zur Seite, stand auf und ging zu meinem Kleiderschrank. Er war nicht sehr groß, aber ich hatte sowieso nicht viele Klamotten. Größtenteils bestanden sie aus Jogginghosen und Pullovern oder t-shirts.

Hier war es sowieso egal was man trug.
Ich zog eine helle jogginghose, ein weißes top und ein dunkelgrauen Pullover heraus, zog mich um und schlüpfte in meine Hausschuhe. Meine Haare ließ ich so wie immer. Wozu sich schick machen?

Maggie hatte es früher getan. Ständig war sie geschminkt oder trug schöne Klamotten. Damals hatte sie aber auch einen Freund hier, Namens Theo. Theo starb vor acht Monaten, Hirntumor.

Wir alle hatten jemanden verloren.

Maggie verlor Theo. Nach seinem Tod hatte sie wochenlang nichts gegessen und blieb meistens den ganzen Tag nur im Bett, wo ich ihr Gesellschaft leistete. Vor vier Monaten hatte sie sich zusammengerissen und die Chemo angefangen. Denn sie wollte nicht sterben.

Für mich war es eh schon zu spät. Das wusste ich. Ich hatte zu viele weiße Blutkörperchen im Knochenmark. Dies wirkte sich auch langsam auf meine Organe aus. Die Ärzte vermuteten, dass meine Nieren als nächstes versagen werden.

Ich ging aus meinem Zimmer und machte mich auf den Weg in den ersten Stock.

"Hey, Noa! Warte mal!", kam es von hinten. Ich drehte mich um und sah, dass Jonah auf mich zugelaufen war. Er war schon zwanzig und hatte hier im Krankenhaus viele verehrerinnen. Bei ihm war es Schilddrüsenkrebs.

"Was gibt's?", fragte ich als er neben mir war. "Du musst doch auch zu dieser lächerlichen Selbsthilfegruppe, oder?", ich nickte. Zusammen gingen wir hinunter.

"Hast du den neuen schon kennengelernt?", fragte er mich nach einer Weile. "Nein, du?", er nickte. "Ja, er ist auf meinem Zimmer. Christian hasst ihn jetzt schon.", lachte er. "Wieso?", Christian war sein Zimmergenosse. Er hatte, sowie Maggie, Lungenkrebs.

"Nun, das erste was er gemacht hat, nachdem die Ärzte gegangen sind, war sich eine Zigarette anzuzünden und eine zu rauchen. Christian hat so ausgesehen, als würde er ihn umbringen wollen. ", lachte Jonah weiter.

Ich stimmte nicht mit ein, denn es war nicht witzig. Vor jemandem mit Lungenkrebs zu rauchen, machte man einfach nicht.

Ausnahmsweise war ich mal froh das wie endlich da waren. Jonah ging jetzt auf die andere seite des Zimmers und setzte sich. Ich ging auf meinen Stammplatz. Mr. Marple war natürlich schon da.

"So meine lieben. Als erstes, möchte ich das ihr heute eine Begrüßungsrunde macht, da wir Zuwachs bekommen haben.", in dem Moment kam der neue hinein und setzte sich direkt gegenüber von mir hin. Er hatte kurze, dunkelblonde Haare und war groß. Das war das, was man auf den ersten Blick sagen konnte.

"So, Mr. Johnson, am besten stellen Sie sich zuerst vor.", sagte Mr. Marple an ihn gewand und er nickte.

"Mein Name ist Finlay Johnson. Ich bin 19 Jahre alt und habe chronische Leukämie.", das war alles. Aber hier nannte man nur seinen Namen, das Alter und seine Krankheit.

Mr. Marple nickte und weiter ging es. Noch acht Personen, dann war nich dran. Vier. Warum war ich so aufgeregt? Zwei. Ich merkte, wie das Mädchen neben mir aufstand und sich vorstellte.

Dann war ich an der Reihe. Ich stand nicht auf, war doch lächerlich, sondern schaute einfach nur zu Mr. Marple.

"Mein Name ist Noa Smith, ich bin 18 Jahre alt und habe akute Leukämie.", das wars. 14 Wörter und ich war fertig.

Nachdem jeder sich dann endlich vorgestellt hatte, stellte Mr. Marple wieder seine dämlichen fragen. Auf die meisten antwortete ich nicht. Die andern schieben ernsthaft zu überlegen, was sie sagen sollten.

" Nun kommen wir zu meiner letzten Frage.
Was ist Freiheit? ", die anderen überlegten wieder. Seufzen hob ich meine Hand.

" Ja, Noa?", nahm Mr. Marple mich überrascht dran. Sonst meldete ich mich nie.

"Freiheit ist die Möglichkeit, sich ohne Zwang für alles zu entscheiden.", antwortete ich.

"Sehr schön gesagt. Noch irgendwelche anderen die etwas dazu sagen wollen? Ja, Mr. Johnson?", "Für mich ist Freiheit, ein uneingeschränktes Leben führen zu können.", Mr Marple nickte.

"Auch eine sehr schöne Antwort. Nun, die Stunde ist vorbei. Ich wünsche Ihnen allen noch eine schöne Woche.", damit war er zuende. Ein paar murmelte verabschiedungen, ich ging einfach.

"Hey, warte mal.", rief mir jemand zu und holte mich ein. Finlay Johnson.

A Day To RememberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt