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Es war still und er hatte das Gefühl im Nichts zu schweben. Ihn umgab die Schwerelosigkeit und eine undurchdringbare Schwärze. Alles drehte sich und ihm überkam eine leichte Welle der Übelkeit. Und er fragte sich, wo er sich wohl befand. Denn eigentlich sollte er nichts mehr vernehmen können. Weder Übelkeit noch die Schwerelosigkeit. Und, mehr als das, sollte er nicht mal mehr in der Lage sein können einen Gedanken zu fassen. Dennoch tat er all das.
Ob so sich der Tod anfühlt? Umgeben vom Schwarz des Nichts? Einsam und allein mit seinen Gedanken bis in alle Ewigkeit? Welch trauriges Schicksal. Aber es ist okay. Nach all dem, was ich tat, ist es nur gerecht.
Wenn er hätte Lächeln können, so hätte er es bestimmt getan. Doch er tat es nicht. Er war sich nicht mal sicher, ob er überhaupt einen Körper besaß oder gar Augen, um sie zu öffnen. Doch hörte er nur seine eigenen Gedanken und spürte nicht die leiseste Rührung oder Berührung seines, vielleicht ehemaligen, Körpers. Alle seine Sinne waren verschollen.
Und er fand sich damit ab. Das einzige, was er sich wünschte, war es denjenigen Lebewohl gesagt und um Vergebung gebeten zu haben, die ihn in seinen Lebzeiten begleitet hatten. Früher oder später würde er sich auch damit abfinden müssen. Denn sie würden weiter leben, auch ohne ihn. Und das war okay. Zumindest hoffte er im Diesseits alles repariert zu haben, was seine Vergangenheit zerstört hatte. Was sein zweites Ich zerstörte. Er hoffte es zutiefst. Denn es gab kein zurück. Denn der Tod war Ewig. Und wenn das Nichts die Ewigkeit war, dann würde er sie auch einsam verbringen. Nach und nach musste er Reue und Kummer ablegen. Und er gab sich ganz dem schwarzen Nichts hin. Ohne ein Zeitgefühl, ohne das Wissen, ob alles, was er hinterlassen wollte, ihm auch gelungen war.

»ꅐꋬꉔꁝ ꋬ꒤ꊰ!«, durchtrennte jenseits des Nichts eine ruppige Stimme die Stille und plötzlich drehte sich alles viel schneller. Als hätte jemand das Kommando für den Start eines Autorennens gegeben. Wie in einem Karussell.
Durch die plötzliche Veränderung traten auch starke Kopfschmerzen auf. Kopfschmerzen, die ihn verwunderten. Wie konnte er welche ohne einen Kopf besitzen? Und mit den Kopfschmerzen verschlimmerte sich auch seine Übelkeit, mit der er sich im Normalzustand längst übergeben hätte.
Doch waren es nicht die einzigen Empfindungen, die sich bemerkbar machten. Nach und nach begann er seinen Körper zu spüren. Seinen Hals, trocken und nach Wasser bettelnd, seine Brust, indem ein schnelles Herz saß - munter und aufgeregt -, seinen leeren, nach Essen gierenden Bauch, seine Arme, Hände, Beine und Füße, die sich taub und benommen anfühlten. Als wäre er aus einer langen Narkose erwacht. Vielleicht auch aus einem Koma. Habe ich überlebt?! Aber wie?!
Und plötzlich wurde ihm mulmig zu Mute und er bekam es mit der Panik und der Angst zu tun.
Er hätte nicht überleben dürfen. Alles, worauf er gesetzt und hingearbeitet hatte, alles, worauf er gehofft hatte, hätte mit seinem Tod besiegelt werden sollen. Sein Tod sollte die Welt verbessern. Sie zum guten Wenden. Er hatte gehofft so seinen Liebsten und seine Freunde schützen zu können. Doch, was nun?
Fuck.
Sein Plan war scheinbar nicht aufgegangen.
Fuck. Fuck. Fuck. FUCK.
Er hatte versagt.
Scheiße verdammt...

Langsam ebbte die Schnelligkeit des Schwindelgefühls ab und das Karussell, in dem er sich gedanklich befand, kam allmählich zum Stehen. Doch umso mehr prallte ein Druck gegen seine Schädeldecke und seine Kopfschmerzen wurden schlimmer und pochten in einem unregelmäßigen Rhythmus. Dann stoppte das Karussell abrupt und stieß ihn in das nächste Gefühl, dass ihm Angst bereitete. Er fiel. Nicht lange, aber schnell. Dann tauchte er in etwas ein, dass ihn unwillkürlich an Wasser erinnerte. Und er sank immer tiefer auf den Grund des Bodenlosen.
Panik kroch in jeden Muskel, in jede Vene und in das Herz seines Körpers. Das Wasser, so fürchtete er, drang in ihn ein, bohrte sich in seine Kehle, schlüpfte durch seine Atemwege und kratzte und zerrte in seiner Lunge. Ein Monster, dass aufs töten spezialisiert war.
Und es blitzten Bilder in seinen Gedanken auf. Bilder, die er nie vergessen hatte. In die Panik mischte sich Wut und Enttäuschung, sowie ein wenig Sehnsucht und Schuldgefühl. Er sah ihn, seinen Kindheitsfreund. Sein abstraktes Lächeln, seine von Wahnsinn getränkten Augen. Er hörte die Worte, die sein Freund an eine selbst ersponnene höhere Macht schrie, während er seinen Körper immer weiter unter Wasser drückte. Und er ignorierte die erstickten Schreie, das klägliche Betteln, die Tränen und die Angst. Das Husten und Röcheln wurde vom Wasser verschluckt.
Dann sah er, nur eine kurzen Augenblick, als hätte jemand einen Film pausiert, wie sein Freund weinte. Und litt.

REBORN || Jeff x Ben || All We Need Is Faith 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt