Phase 5 - Tag 5

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Meine Fingerspitzen sind eiskalt und ich ziehe sie schnell zu dem Rest meines Körpers unter die dicke Daunendecke. Sonnenlicht schimmert durch die dünnen Vorhänge vor den Fenstern und macht den Staub in der Luft sichtbar. Die kleine Körner fliegen wie kleine Tierchen durch die Luft, tanzen einen wilden Tanz. Ich strecke mich und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Ich liege in einem breiten Bett, in einem Raum komplett aus Holz. Henry ist nirgendwo zu sehen. Langsam rutsche ich zur Bettkante und befördere meine nackten Beine unter der Decke hervor. Sofort umringt mich die Kälte und ich bekomme Gänsehaut. Ich trage ein viel zu großes Shirt und eine Boxershorts. Wie ich in diese Klamotten gekommen bin und wie ich in diesem Bett gelandet bin, weiß ich nicht mehr. Besser sollte ich das auch gar nicht wissen.

"Henry?" Ich ziehe die Vorhänge vor den Fenstern weg, um hinausschauen zu können - und traue meinen Augen nicht. Ich sehe nur Bäume. Grün, soweit das Auge reicht. Nichts als alle verschieden Schattierungen von Grün.

"Hey." Er streckt den Kopf durch die Tür und lächelt. "Gut geschlafen?"

"Ja, wie ein Stein",antworte ich wahrheitsgemäß. "Wo sind wir hier?"

"Das ist die Ferienhütte meiner Eltern. Sie kommen manchmal hier her, wenn sie sich komplett abschotten wollen. Fast kein Komfort und vor allem: Kein Handyempfang. Hunger?"

Ich nicke und zur Bestätigung knurrt mein Magen in dem Moment. Henry lacht und winkt mich zu ihm. Ich folge ihm hinaus auf den Gang. Auch hier ist alles aus Holz und der Boden ist fast vollständig mit bunten Flickenteppichen ausgelegt. Das sieht alles so gar nicht nach Henrys schicken Eltern aus. Für sie hätte ich eher auf eine Ferienvilla in den Hamptons getippt. Wir überwinden eine steile, knarzende Treppe (ebenfalls aus Holz, wie irgendwie alles hier) und befinden uns jetzt im unteren Teil der Hütte. Dieses Geschoss besteht nur aus einem einzigen riesigen Raum. An der Wand steht ein kleine Küchenzeile, die aussieht, als stamme sie aus dem letzten Jahrhundert, ein großer Tisch mit vielen unterschiedlichen Stühlen drum herum und ein großer Ofen.

Ich zweifle immer mehr daran, dass seine Eltern jemals hier waren.

Sofort laufe ich zu besagtem Ofen und halte meine Hände so nah es geht an die Oberfläche. Die Wärme die von ihm ausgeht ist total angenehm und langsam kommt das Gefühl in meine Finger zurück. Henry macht sich inzwischen am Herd zu Schaffen. Er kramt eine kleine Pfanne aus einer der Schubladen und erhitzt sie. Sobald er den schon vorbereiteten Teig mit einer kleinen Kelle in die Pfanne gibt, strömt ein angenehmer Duft durch den ganzen Raum.

Ich setze mich an den gedeckten Tisch und nach ein paar Minuten stellt Henry einen Teller mit dampfenden Pancakes vor mich hin.

"Hau rein",sagt er grinsend und das lasse ich mir nicht zweimal sagen.

Wenig später haben wir beide alle Pfannkuchen verputzt und ich lehne mich mit vollem Bauch zurück.

"Gott, war das jetzt gut",sage ich mit einem Seufzer. "Ich wusste gar nicht, dass du so gut kochen kannst."

"Was? Du hast den Meisterkoch persönlich vor dir sitzen!"

Ich pruste los und er stimmt in mein Lachen mit ein. Wir wissen beide, dass das nur heiße Luft ist, auch wenn er Pancakes wirklich gut kann. Muss ich neidlos zugeben, meine Kochkünste befinden sich wohl eher hier irgendwo unter dem Fußboden.

"Na gut, nicht ganz der Meisterkoch."

Zusammen räumen wir den Tisch ab und spülen das benutzte Geschirr. Zuhause hätte ich mich wahrscheinlich schon wieder beschwert, weil es keine Spülmaschine gibt, aber hier würde so ein Gerät eher fehl am Platz wirken. Es hat so etwas altmodisch und gleichzeitig schönes hier, dass sämtliche moderne Dinge hier einfach nicht reinpassen würden.

The Maze || 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt