☬ fσυяту-fινє ☬

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"Argh, diese scheiß Lehrer. Sie drücken uns genau jetzt die ganzen Klausuren rein!", schimpfte Isabelle, welche vor mir herlief und streckte sich, sodass irgendetwas ungesund in ihrem Rücken knackte. Sie verzog angesichts des Geräusches kurz das Gesicht, ehe sie wieder genervt dreinschaute. "Was hast du erwartet? Die Abschlussprüfungen sind in knapp drei Monaten. Klar wollen die da fertig mit dem Stoff werden und dann Prüfungsvorbereitung machen.", erwiderte Nolan und steckte die Hände in die Hosentaschen. Ja, die Abschlussprüfungen. Es war das Thema zurzeit, über das alle redeten. Die schriftlichen Prüfungen fanden schon im Februar statt und mir graute es davor. Jonathan, welcher mein besorgter Blick nicht entgangen war, stupste mich leicht an der Schulter an. "Hey, du schaffst das. Mach dir keine Sorgen." Er war in der letzten Woche im Krankenhaus gewesen. Anscheinend ging es ihm so schlecht, dass selbst seine Brüder nicht Mal zu ihm durften. Nun war von dem Krankenhausaufenthalt nur noch ein weißer Verband, um seinen linken Arm zu sehen. Ich zuckte mit den Schultern. "Leichter gesagt, als getan. Mir fehlen immerhin drei Jahre.", seufzte ich und der Weißhaarige grinste mir aufmunternd zu. "Ich habe noch niemanden erlebt, der den Stoff so schnell, wie du nachholen und verstehen konnte.", wandte dann auch Nolan ein. "Genau. Und wenn du doch noch Hilfe brauchst, kannst du uns Bescheid sagen und wir retten dir den Arsch. Du schaffst es definitiv.", nickte Izzy entschlossen. Glücklich lächelte ich. Was will man mehr? Einen Freundeskreis, in dem man sich wohlfühlt und denen man alles anvertrauen kann. Eine Familie, die am anderen Ufer sehnsüchtig darauf wartete, dass ich heimkehrte. Und eine Freundin, die eigentlich das komplette Gegenteil von mir ist und uns gerade auf dem Schulflur entgegenkam. Sie trug ihren üblichen schwarzen Mantel über der Uniform und ihr Blick war, wie immer kalt und ausdruckslos. Allerdings entging mir das kleine Funkeln in ihren Augen nicht, als sie mich sah. Sie hatte schon wieder irgendetwas vor oder es lag an den Weißhaarigen, welcher rechts neben mir lief. Mit großen Schritten passierte sie unsere Gruppe und rempelte mich im Vorbeigehen absichtlich an, sodass ich stolperte und halb auf Jonathan landete. Jedoch fing er mich rechtzeitig auf. "Hey!", riefen die beiden Jungs der Blauhaarigen hinterher und wollten sie schon einholen, allerdings hob ich bestimmend die Hand und Nolan und Jonathan blieben wo sie waren. Tief holte ich Luft. "Jay, du mieses, kleines Dreckstück!", schrie ich ihr spielerisch hinterher. Sie stoppte ihre eiligen Schritte und drehte sich langsam zu uns um. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein fieses Grinsen ab. Sie hob ihre Hände und zeigte mir beide Mittelfinger. Dann breitete sie die Arme, wie zur Einladung auf einen Kampf aus und verbeugte sich spöttisch. Oh, wie ich diese Spielchen mit ihr liebte! Einige Schüler hatten sich tuschelnd zusammengestellt und beobachteten uns neugierig. Ich begann ebenfalle fies zu grinsen und stürmte auf sie zu. Ihr Grinsen wurde plötzlich noch breiter und Jays Augen flackerten rot auf. Kurz bevor ich ihr jedoch meine Faust in ihren Bauch rammen konnte, verpuffte sie zu schwarzem Rauch. Perplex taumelte ich von dem Schwung, den ich draufhatte zurück und starrte auf die Stelle, an der sie bis eben noch gestanden hatte. Ich weiß nicht, ob ich es mir einbilde oder nicht, aber ich konnte in der Ferne ihr raues Lachen hören. Schnaubend stellte ich mich wieder ordentlich hin und brüllt durch die Flure, auch wenn sie es vermutlich nicht hörte: "Du kleiner Schisser! Traust du dir keinen Zweikampf mit mir zu, oder was?!"

Ja, natürlich zog mein Auftritt Konsequenzen mit sich. Ich wurde zur Schulleiterin geschickt, die nur über unseren jugendlichen Unsinn lachen konnte. Sie erzählte, sie war selbst so rebellisch als Jugendliche gewesen und ließ mich nach einer kurzen Belehrung, die sie durchführen musste, damit sich mein Klassenlehrer, welcher mich verpfiffen und hierhergeschickt hat, die Klappe halten würde, wieder zurück in den Unterricht gehen. "Und wie du ihr dann nachgeschrien hast: Traust du dir keinen Zweikampf mit mir zu." Isabelle wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht und lehnte sich im Stuhl zurück. "Das war echt Klasse. Ich hätte zu gerne ihr Gesicht gesehen, hättest du ihr wirklich eine reingehauen." "Nolan, das machen sie ständig.", schnaubte die Schwarzhaarige Tochter der Aphrodite. Während die beiden sich weiter über den Vorfall von heute Vormittag kaputt lachten, schob ich mein Mittagessen auf dem Teller hin und her. Wie gerne ich ihnen sagen würde, dass Jay ganz anders ist, als sie vorgibt. Wie gerne würde ich ihnen sagen, dass ich mich in den Blauhaarigen Teufel verliebt hatte und nun mit ihm zusammen war. Und das seit Heilig Abend. Ich hatte kein Wort darüber fallen gelassen und hatte sie all die fiesen Dinge über Jay sagen lassen, ohne mir etwas anmerken zulassen. Meiner guten Laune von letzter Stunde wich einer trübseligen. Ich würde es Nolan und Izzy gerne erzählen, aber ich wusste auch, dass Jay nicht damit einverstanden wäre, warum auch immer. Wir verhielten uns in der Schule so, als wären wir Feinde. "Alles in Ordnung?", fragte Ayato und musterte mich prüfend. Ich schreckte aus meinen Gedanken zurück und lächelte ihn leicht an. Er war der einzige, der indirekt davon wusste. Wir hatten es ihm nie gesagt und trotzdem wusste er Bescheid. "Ja, alles in Ordnung. Ich brauch nur ein wenig frische Luft." Der Sohn des Hypnos zog die Augenbraue nach oben, sagte aber nichts weiter, als ich aufstand und die Mensa verließ. Mich verschlug es zum Dach des Schlosses. Hier draußen war es arschkalt und ein eisiger Wind pfiff durch die Türme hindurch. Ich zog meinen Mantel enger um meinen schlotternden Körper und trat ans Geländer. Mein Blick schweifte über die Stadt, die verschiedenen Häuser der Götter und über den Hafen. Ich beobachtete, wie eine Fähre am Hafen anlegte und langsam wurde es still in meinem Kopf. Ich atmete tief durch. Irgendwann. Irgendwann würde ich es ihnen erzählen können. Wenn Jay dazu bereit war...und ich auch. "Ach ja? Ich würde mir keinen Zweikampf mit dir zutrauen? Wir können ganz leicht ausprobieren, wer von uns Beiden gewinnen würde.", raunte mir auf einmal eine dunkle, weibliche Stimme ins Ohr und ich schrie erschrocken auf. Beinahe wäre ich über das hüfthohe Geländer gefallen. "Vorsicht.", lachte Jay immer noch dicht an meinem Ohr und zog mich sanft an der Taille zurück. "Du Arsch, du weißt genau, wie schreckhaft ich bin!", fauchte ich und legte meine Hand über mein Herz, um es zu beruhigen. Sie lachte wieder und legte ihr Kinn auf meinem Kopf ab. Ich schmiegte mich näher an ihren warmen Körper. "Ich hasse dich.", murrte ich. "Tust du nicht. Du liebst mich." Ich schnaubte. "Ich glaube, dass überlege ich mir gleich anders, wenn du das nochmal machst!" "Bezweifle ich.", meinte sie und ich konnte ihr Grinsen raushören. Sie hüllte ihren langen Mantel um uns beide und zog mich noch enger an sich. Eine Weile standen wir schweigend da und betrachteten das geschäftige Treiben der Stadt. "Heute Nacht ist Silvester." "Hmh." "Alle sind ins Schloss eingeladen, wo Milo und Mira ihre Neujahrsparty geben dürfen." "Und willst du hin?", fragte sie mit leiser Stimme. In ihr Schwang ein Hauch Traurigkeit mit, wie als würde sie erwarten, dass ich mitgehe und sie alleine zu Hause bleibt. Ich schüttelte den Kopf. Mein Entschluss stand schon lange vorher fest. "Nein. Ich verzichte ab heute auf Partys, nachdem was bei den letzten zwei passiert ist.", versuchte ich die Stimmung etwas aufzulockern. Insgeheim hatte ich gehofft, dass sie fragen würde. Jay schmunzelte. "Das hältst du keine drei Tage durch." Ich schnaubte. "Wetten." Ich befreite meine Hand aus meinem Mantel und hielt sie ihr hin. Grinsend schlug sie ein. "Keine drei Tage." Ich schüttelte nur über ihr Verhalten den Kopf. "Das ganze restliche Schuljahr." Sie lachte dunkel und damit war unsere Wette abgeschlossen.

𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖑𝖞 𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt