Kapitel 3

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Maya POV

Sie sieht mich die ganze Zeit so herablassend an, genau wie viele andere Menschen auch. Ich gebe zu, vielleicht ist mein Erscheinungsbild nicht gerade das, was einem normalen Menschen entspricht, aber ihre Reaktion darauf ist dennoch übertrieben.
„Sind deine Haare pink gefärbt?" fragt die Kleine Amy und nimmt sie dabei ganz genau unter die Lupe. Ich bin das schon gewohnt, auch die Kinder in der Klinik wollen meine Haare immer anfassen, scheinbar sind sie magisch für so kleine Racker.
„Ja, wieso, gefallen sie dir?" frage ich sie und sehe, wie ihre Augen leuchten, aber der Blick ihrer Mutter sagt alles. Scheinbar ist sie nicht so offen, was das angeht. Dabei fällt mir auf, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hat.
„Maya Klein, ich wohne seit 8 Jahren gegenüber." stelle ich mich noch mal vor und halte Amys Mutter meine Hand hin.
Etwas angewidert ergreift sie diese und sieht mich mit einem scharfen Blick an.
„Johanna Morgan." antwortet sie knapp und lässt meine Hand sofort wieder los.
Auf einer Seite scheint sie sehr fürsorglich zu sein, auf der anderen spüre ich diesen Hass in ihr.
Amy scheint sich an dieser bizarren Situation nicht zu stören und flechtet munter meine Haare, wenigstens eine der sie gefallen. Als sie damit fertig ist, geht sie dazu über meine Piercings zu inspizieren. Erst die 5 an meinem linken Ohr, dann das an meiner Nase und schließlich das meiner Augenbraue. Sie scheint völlig vertieft darin zu sein jedes kleine Detail zu studieren, dass sie gar nicht merkt, wie es an der Tür klingelt. Johanna hingegen sieht dem ganzen nur recht widerwillig zu. Ich kann spüren, dass sie ihre Tochter von mir reißen will, aber sie hält sich tapfer zurück.
Ich hingegen grinse nur vor mich hin. Es ist ein so zufriedenstellendes Gefühl von einem kleinen Menschen bewundert zu werden. Wie ihre zarten kleinen Finger alles erkunden und sich Fragen stellen, die uns erwachsenen eigentlich völlig egal sind.
„Amy, die Pizza ist da, komm." ruft Johanna und es ist, als würde Amy aus einer Trance erwachen. Plötzlich fängt ihr Gesicht an zu strahlen und sie zieht mich mit sich an den Esstisch. Johanna hat in der Zwischenzeit bereits drei Teller hingestellt und selbst Peach eine Schale mit Wasser gegeben.

"Was bedeuten diese Kreise?" Amy deutet auf meinen rechten Arm, auf dem sich ein Tattoo über den gesamten Unterarm zieht. Ich kann genau Johannas unzufrieden Blick sehen. Sie wirkt so abschätzend, als wäre es ein Verbrechen Tattoos zu haben und das ein oder andere Piercing im Gesicht.
"Amy, wie oft muss ich dir noch sagen, dass man mit vollem Mund nicht spricht." ermahnt sie ihre kleine Tochter, die sofort unglücklich auf ihren Teller starrt. Johanne sollte wirklich nicht ihren Hass mir gegenüber an ihrer Tochter auslassen.
"Ich sollte besser gehen, aber danke für das Essen." ich stehe auf und bringe meinen Teller höflich in die Küche. Ich mag es überhaupt nicht, dass Johanna mich für ein ungezogenes Ding hält und ich bin bereit sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Ich bin noch immer in der Küche, als Johanna plötzlich hinter mir steht. Sie hat sich so leise angeschlichen, dass ich sie gar nicht bemerkt habe. Sie mustert mich von der Seite, aber ich wende meinen Blick ab. Mein Herz hat heute bereits genug gelitten, ich muss mir nicht auch noch ihre abschätzende Art antun.
"Wieso bist du so?" fragt sie aus dem Nichts heraus und bleibt regungslos neben mir stehen. Mein Herz zieht sich zusammen, ja, warum bin ich so? Das selbe hat meine Mutter mich damals gefragt, als sie herausgefunden hat, dass ich auf Frauen stehe.
"Was meinst du?" gebe ich mich verwirrt und weiß dennoch, auf was sie anspielt. Sie hat bereits heute Nachmittag meine Piercings und Tattoos verächtlich angesehen.
"Schämst du dich nicht dafür wie du herumläufst? Nimmst du Drogen? Hast du ein Alkoholproblem?" die Worte sprudeln einfach so aus ihr heraus und ich kann es ihr nicht einmal so übel nehmen, wie ich es eigentlich sollte. Sie möchte einfach nur ihre Tochter beschützen, aber dadurch andere Menschen zu verletzen ist nicht wirklich hilfreich.
"Ich sollte jetzt gehen." Ohne auf ihre unnötigen Fragen einzugehen, laufe ich an ihr vorbei. Ich muss hier raus und weg von dieser verklemmten Person.
Ich setze mein nettestes Lächeln auf um mich von Amy zu verabschieden und Peach mitzunehmen. Es bricht mir das Herz, dass die kleine mit solchen falschen Idealen aufwachsen muss. Wir leben im 21. Jahrhundert, nichts von all dem, was Johanna an mir schlimm findet, sollte sie im geringsten stören. Aber dennoch tut es das und es schmerzt.

Ich falle in mein Bett und schließe die Augen, aber das hält die Tränen nicht auf, welche meine Wangen hinunter laufen. Ich bin es leid immer nur von allen verstoßen zu werden und gehasst zu werden für das was ich bin.
Nein, ich nehme keine Drogen, ich weiß nicht einmal, wie sie überhaupt auf diese absurte Idee kommt. Denkt sie allen ernstes, dass alle Menschen mit bunt gefärbten Haaren, Tattoos und Piercings irgendwelche Probleme haben?
Wieso tut mir das alles so schrecklich weh, obwohl es mir doch eigentlich egal sein sollte, was sie über mich denkt. Frau Betz war nie so gewesen, sie hat sich immer so loyal verhalten und so aufgeschlossen. Kein einziges Mal hat sie mein Aussehen in Frage gestellt, im Gegenteil, sie war die Person gewesen, die mir Respekt ausgesprochen hat. Ich wünschte jeder auf der Welt wäre wie sie, aber so ist das eben leider nicht.

Mein Wecker klingelt und ich ziehe meine Bettdecke über den Kopf. Ich habe wirklich null Lust aufzustehen, aber es muss sein, das weiß ich. Wie auf Kommando springt Peach in mein Bett und beginnt ihre Schnauze unter meine Decke zu bohren.
Mit ihrer kalten Nase trifft sie meinen Backen und ich quietsche kurz auf. Das stichelt sie nur noch mehr an und sie hüpft wild in meinem Bett herum. Das ist einer der Vorteile, wenn man einen Hund hat, man muss immer aufstehen, auch wenn man eigentlich keine Lust hat und am liebsten den ganzen Tag drinnen verbringen würde.
Ich schnappe mir meine Jogginghose und einen ausgewaschenen Pulli, bevor ich Peach ihr Halsband und die Leine anlege. So früh am Morgen ist kaum etwas los in unserem verschlafenen Städtchen und so haben wir wenigstens einige Minuten Ruhe von all dem, was uns an diesem Tag erwartet.

Ich nehme Peach die Leine ab und lasse sie im Park herumspringen, während ich zu meinem Lieblingsbäcker laufe um mir meinen Kaffee zu holen. Kim und ich sind schon seit Ewigkeiten befreundet, sie hat mich damals aufgenommen, als meine Eltern mich rausgeworfen haben und sie hat mir diese Wohung besorgt. Ich könnte ihr niemals genug dafür danken.
Eigentlich macht sie ihre Bäckerei erst um halb sieben auf, aber für mich hat sie schon immer eine Ausnahme gemacht. Ich klopfe zart an die Glastür und sehe bereits das Licht in der Backstube brennen. Kurz darauf kommt Kim durch die weiße Schwingtür und eilt zu mir. Man hätte sich eine leidenschaftliche Bäckerin kaum besser vorstellen können. Kim hat kurze blonde Haare, tief blaue Augen und ist mindestens doppelt so schwer wie ich, obwohl wir gleich groß sind.
"Guten Morgen, Süße, ich habe deinen Kaffee schon fertig gemacht, komm rein." Sie hält mir die Tür auf und der Geruch nach frischem Gebäck und heißem Kaffee schlägt mir entgegen. Sie ist so ein Schatz, ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie tun sollte.
"Peach!" während ich bereits an der Theke Platz nehme ruft sie nach meinem Hund, diese kommt auch prompt angerannt, weil sie genau weiß, dass Kim immer extra Hundekekse backt.
"Du verwöhnst sie immer so, ich glaub sie möchte irgendwann bei dir einziehen." schertze ich und mir wird dennoch schwer ums Herz. Ich hasse es daran erinnert zu werden, dass ich einsam bin. Ohne Peach wäre es kaum auszuhalten und doch weiß ich, dass unsere gemeinsame Zeit irgendwann enden wird.
"Bestimmt nicht, sie liebt dich über alles." Kim legt ihre Hand um meine Schulter und drückt mich sanft. Sie ist nur ein paar Jahre älter als ich und hat doch schon so viel in ihrem Leben erreicht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es war dieses Café damals zu übernehmen.

Ein Griff nach den SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt