#1 - Der Tod verändert

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Ich setze einen Fuß vor den anderen, obwohl mir keineswegs danach ist, am liebsten würde ich wegrennen, egal wohin, nur weit weg von hier, von diesem Erlebnis. Doch da wird mir bewusst, dass er es verdient hat, dass ich erscheine, da er sonst traurig wäre. Immerhin kann er ja nichts dafür, ebenso wenig seine Eltern. So zwinge ich mich selbst dazu meinen Weg fortzusetzten. Ich versuche meine Umwelt auszublenden, doch dies gelingt mir nur, bis ich vor ihm in einem kleinen Raum stehe. Ein Sarg blickt mir entgegen - sein Sarg. Ich wende den Blick ab und spüre, wie mir immer mehr die Kraft entweicht. Kurz darauf breche ich zusammen.

All dies hat er nicht verdient, er müsste neben mir stehen und nicht darin liegen, denke ich. Mich erreichen einige Flashbacks und ich denke an die guten alten gemeinsamen Zeiten, an die Zeit mit der Band, an die Aftershow Partys, an den ganzen Spaß, den wir hatten. Auch an all die kleinen schönen Dinge, die wir gemeinsam erlebten, an all die Orte, die wir uns ansahen, an all den Unsinn, den wir auf unserem Weg begangen haben. Daraufhin muss ich leicht lächeln, was das doch für schöne Zeiten waren. Wie viele schöne und einzigartige Erinnerungen wir sammeln konnten und doch waren es nicht genug.

Ich stütze mich ab und atme einmal tief ein. Es ist ein Schock und bleibt ein Schock, noch schlimmer ist es jetzt alles mit eigenen Augen zu sehen und der Realität ausgesetzt zu sein, als es nur am Telefon zu hören. Wobei auch der Anruf schlimm war. Eine Aura reißt mich aus den Gedanken und ich blicke mit Tränen in den Augen auf. Seine Freundin steht neben mir und legt liebevoll und wissend ihren Arm um mich. Schnell drehe ich mich zu ihr und umarme sie. Ich atme ihren Duft ein und beruhige mich etwas. Sie gehörte schon lange zu Jason, schon lange zu uns allen, zu unserer ganz besonderen Familie.

Langsam führt sie meine Hand zu ihrem Bauch und lächelt leicht, doch schon wenige Momente später bricht sie weinend in meinen Armen zusammen. Meine Augen weiten sich und ich schüttle den Kopf. >>Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich meine, was für ein Schicksal kann man nur haben<<, frage ich mich. Endlich hatte er nach vielen Stunden, Tagen und Jahren der Suche die richtige Frau für sich gefunden. Sie endlich an seiner Seite gewusst und unfassbares Glück mit ihr erfahren. Noch dazu ist sie nun auch noch schwanger, wo er sich immer Kinder gewünscht hat. Doch nun würde er sein Kind niemals sehen können, es nie in den Arm schließen oder lieben können. Es ist so furchtbar, eine furchtbare Katastrophe, welche ungerecht und unfassbar traurig ist.

Ich erinnere mich noch heute an seine Spinnereien, als wir mit einem kühlen Bier auf der Terrasse seiner Eltern saßen und er mir von seinen Zukunftsplänen erzählte. Er wollte seinen Kindern all das mit auf den Weg geben, was sein Vater ihm einst mit auf den Weg gegeben hatte. Er wollte ihnen zeigen, wie man Fußball und Gitarre spielt. Wie man tolle Menschen kennenlernt und diese von denen unterscheidet, die falsch sind und nur so tun als ob. Doch vor allem wollte er bei bewegenden Meilensteinen dabei sein. Er wollte das erste Wort direkt aus dem Mund seines Kindes hören. Dies müsse dann nach seiner Ansicht nach ‚Da-Da' sein. Auch die ersten Schritte, das erste Fußballspiel, die Schuleinführung, der Schulabschluss, der erste Freund oder die erste Freundin, wollte er nicht verpassen wollen. All das wollte er miterleben und noch viel mehr wollte er sehen. Er wollte immer da sein und nicht weiterhin durch Städte und Länder reisen. Genau deshalb trat er vor einiger Zeit kürzer und hielt sich, was die Band betrifft im Hintergrund. Vielmehr wollte er Zeit für sich und seine Freundin. Erst vor kurzem hatte er mir von seinen Plänen für einen Antrag erzählt. Es war ein schönes Vorhaben, in welches er viel Planung und ebenso viele Ideen gesteckt hatte. Schließlich war er schon immer ein hoffnungsloser Romantiker. Mehr oder minder hatte er sein Leben bereits durchgeplant. Doch die Realität spricht andere Worte, wie man schwer feststellen muss. Leider würde er all dies nicht mehr leben und erleben können.

Ich lächle leicht bei der Erinnerung an all diese Erzählungen. Wie ernst er auf einmal wurde, als es um seine Pläne ging. Was mir jetzt einen wahrhaftigen Stich ins Herz versetzt. So viel hatte er sich gewünscht und doch besteht nun keine Möglichkeit mehr auf sein Glück mit seiner kleinen Familie.

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