Eiersalat

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Alea wurde wahnsinnig. Er hatte die Dinger doch letztens noch in der Hand gehabt, da war er sich absolut sicher. Aber wo hatte er sie nur hingelegt? Diese Frage stellte sich der blonde Mann mit Ziegenbart nun schon seit geraumer Zeit. Er suchte, beinahe verzweifelt, die Batterien seiner Hörgeräte. Nun waren sie – Gott sei Dank – noch nicht leer, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es sein würden. Bevor das eintraf, würde er gerne wissen, wo er die Dinger hingelegt hatte.

Er hatte aufgeräumt, das wusste er noch. Doch seit seiner Aufräumaktion der Kommode im Flur, fand er die Verpackung nicht mehr. Die war auch gerade neu gewesen, umso ärgerlicher wäre es also, wenn er extra nochmal zu seinem Akustiker fahren müsste, um sich Neue zu kaufen.

Alea seufzte. Wäre er nur nicht so chaotisch und planlos. Ursprünglich hatte er mal einen extra Platz für die Batterien, die Box und die Hörgeräte selber. Aber wie er nun einmal war und da man Gewohnheiten selten ablegte, waren seine Sachen nun in seiner ganzen Wohnung verstreut. Normalerweise war das kein Problem, trotz Chaos wusste er genau, wo sich was befand... nur wenn er aufräumte, war das ungünstig.

Mit einem weiteren, genervten Seufzen, schloss der Ziegenbärtige die Schublade seines Nachtschränkchens. Er wusste langsam wirklich nicht mehr, wo er noch gucken konnte. Also machte er auf dem Absatz kehrt und trat wieder in den Flur. Auch in der Kommode hatte er schon mehrere Male geschaut, aber ein weiteres Mal konnte ja nicht schaden, oder?

Die Kommode... das gute Stück hatte er schon in seiner allerersten Wohnung gehabt. Es war ihm treuer gewesen, als so manche Freundin. Aber jetzt... ließ es ihn auch im Stich. Hätte er doch nur nicht aufgeräumt...

Er mochte Aufräumen auch nicht. Wer mochte das schon? Aber es war nötig gewesen. Beziehungsweise... er hatte es für nötig erachtet. Denn sein ungewöhnlicher Waldfund beherbergte nun den Platz auf der Kommode. Nur deswegen hatte er sie freigeräumt und dann auch die Schubladen aufgeräumt. So gründlich, dass nichts mehr an seinem ursprünglichen Platz war. Wenn seine Bandkollegen das hören würden... sie würden ihn auslachen. Seine Mutter würde ihm wahrscheinlich die Ohren lang ziehen, weil er nicht von Anfang an für Ordnung gesorgt hatte und sein Vater... würde sich wohl auch ins Fäustchen lachen, aber so tun, als wäre er auf der Seite seiner Frau. Tja... so war das nun mal.

Alea hatte die Kommode schließlich erreicht und wollte bereits die erste Schublade des braunen Möbelstücks aufziehen, als etwas Anderes seine Aufmerksamkeit förmlich auf sich zog. Er runzelte die Stirn. Seine Hand war immer noch halb nach dem Schubladengriff ausgestreckt, seine Augen wanderten jedoch höher. Er meinte etwas gesehen zu haben. Eine kleine, fast unscheinbare Bewegung. Hatte er womöglich Untermieter? Nein, das konnte nicht sein. Er schüttelte den Kopf, ließ aber dennoch die Hand sinken und schaute auf die neuste Deko. Die Steine waren es ganz sicher nicht... es sei denn, es hatte gerade ein Erdbeben stattgefunden. Doch das bezweifelte der Blonde, das hätte er gemerkt. Zumindest wenn es stark genug gewesen wäre, um seine neueste Deko zu bewegen.

„Ich werde verrückt", murmelte der Dudelsackspieler zu sich selber. Es war ja auch Niemand Anderes da, mit dem er hätte reden können. Abgesehen vielleicht von der einen oder anderen Hausspinne und einer Hand voll Fliegen, die... nun ja, taten, was Fliegen auch immer so taten. Fliegen vermutlich. Er schüttelte den Kopf, um seine wirren Fliegengedanken abzuschütteln und wollte sich gerade wieder daran machen, die Schublade zu öffnen, als er wieder eine Bewegung wahrnahm. Dieses Mal hatte er es aber deutlich gesehen... doch glauben, konnte er es immer noch nicht.

Ein Schnauben entwich den blonden Mann und er tippte vorsichtig einen der beiden Steine an. Er war sich ziemlich sicher, dass dieser gewackelt hatte. Aber Steine konnten nicht wackeln... oder doch? Nein, das war Quatsch! Er war doch nicht in einem Fantasyroman!

Aber... was war es dann? Wenn es kein sich bewegender Stein war? Plötzlich lief Alea ein Schauer über den Rücken. Er hatte mal eine Tierdokumentation im Fernsehen gesehen. Es gab einige Insekten, die seltsame, weiße Gebilde bauten, um dort ihre Jungen abzulegen oder um sich zu verpuppen. Was, wenn er nun so ein Nest mit nach Hause gebracht hatte? Und nicht nur Eines, sondern gleich Zwei? Oh Gott! Es hasste Krabbelviecher. Er hatte keine Angst vor ihnen, aber er fand sie eklig. Das war sein gutes Recht.

Er war schon auf dem Sprung, sein Handy zu suchen und die Nummer eines Kammerjägers anzurufen, als das weise Objekt sich ein weiteres Mal bewegte, dieses Mal jedoch gefolgt von einem leisen Knacken. Alea verharrte und starrte mit großen Augen auf den Riss, der sich in der... Schale gebildet hatte. Nun, da er es definitiv gesehen hatte, konnte er seine Augen auch nicht mehr abwenden. Er schluckte und betete inständig, dass es keine Krabbelviecher sein würden.

Der Riss wurde bald schon größer und Alea bildete sich ein, etwas gesehen zu haben, was er jedoch nicht hatte identifizieren können. Immer noch beobachtete er den Vorgang fasziniert, zumal nun auch der zweite, falsche Stein anfing, zu ruckeln und sich zu bewegen. Es war... sonderbar. Der erste Stein schien fast schon systematisch und mit präzisen Bewegungen aufzugehen, der zweite Stein ruckelte einfach nur ungeduldig und unkontrolliert. Konnten falsche Steine Persönlichkeiten haben? Oder Insekten?

Erschrocken zuckte der Blonde zusammen, als plötzlich ein Teil aus seinem Fund herausbrach und klackernd auf der Kommode landete, doch anstatt einer Schar von Mini-Kriegerspinnen, die seinen Untergang wollten, war Alea sich sicher, eine kleine Schnauze gesehen zu haben. Es war nur für den Bruchteil einer Sekunde gewesen, doch er glaubte, dass es etwas... echsenhaftes gewesen sein musste. Was auch immer es war, es war blau. Nun vermutete der Ziegenbärtige auch, dass es sich bei seinem Fund in Wahrheit, um zwei überraschend große Eier handeln musste. Er runzelte die Stirn und durchsuchte seine Gehirn-Databank nach möglichen Wesen, die so große Eier lagen und in einem deutschen Wald lebten. Ihm fiel beim besten Willen nichts ein und schon gar nichts, was etwas mit Echsen zu tun hatte. Der Begriff ‚Dinosaurier' kam ihm kurz in den Sinn, doch er verbannte diesen so schnell, wie er gekommen war.

Einen Moment geschah nichts weiter beim ersten Ei. Alea vermutete schon, dass das Tierchen – was auch immer es sein mochte – gerade seine Kräfte sammelte. Vermutlich war so eine Befreiungsaktion aus dem Ei sehr schwierig. Nicht, dass er Ahnung davon gehabt hätte. Dafür tat sich nun etwas bei dem zweiten Ei. Auch dort krachte es, doch anstelle eines herausbrechenden Stückes, schaute ein... Beinchen aus dem Ei. Ein sehr kleines Beinchen, mit kleinen Krallen und in feuerrot kam zum Vorschein und hatte in gewisser Weise, das Licht der Welt erblickt.

Seine Augen weiteten sich noch mehr und fasziniert beobachtete er abwechselnd beide Eier. Sein Kopf bewegte sich von rechts nach links und wieder zurück, wobei das gar nicht nötig gewesen wäre. Er sah beide Eier gut genug.

Die Eierbewohner ließen sich Zeit, stellte der Blonde fest. Doch ihn störte das gar nicht. Dass er eigentlich die Batterien für seine Hörgeräte gesucht hatte, war nun Nebensache. Um nicht zu sagen, er hatte es schon längst wieder vergessen.

Stattdessen beobachtete er, wie sich immer mehr Risse in beiden Eiern bildeten, aber das auf die unterschiedlichste Art und Weise, die er sich hätte ausmalen können. Während beim ersten Ei, vom Loch ausgehend, immer weitere Stücke weggedrückt und abgesprengt wurden, wies das zweite Ei bald schon vier Beine auf. Ein stehendes Ei und eines mit wachsendem Loch. Das hatte er auch noch nie erblickt. Eigentlich... hatte er noch nie etwas aus einem Ei schlüpfen sehen, wenn er ganz ehrlich war. Aber das spielte jetzt keine Rolle.

Die Spannung stieg mit jeder weiteren Sekunde, die verstrich und bald schon... schaute nicht nur eine Schnauze aus dem Ei, sondern ein ganzer Kopf. Was auch immer es war, es streckte sich und der letzte Rest der Schalte platzte ganz auf und zum Vorschein kam... eine blaue Echse. Ihr Schwanz breitete sich aus, während das Geschöpf auf dem Rücken lag und ein wenig unkoordiniert mit den Beinen zappelte, als würde es noch nicht wissen, wie es seine Gliedmaßen zu bewegen und sortieren hatte. Man konnte es ihr nicht verübeln, schließlich war sie erst seit ein paar Sekunden auf der Welt und im Ei hatte es wohl bestimmt kaum bis keinen Platz gehabt, um sich zu bewegen.

Alea konnte nur geschockt auf die kleine Kreatur starren, die an den Vorderbeinen etwas wie... Flügel hatte. Zumindest erinnerte es ihn an die Lederflügel einer Fledermaus. Aber... das konnte doch nicht sein, oder? Eine... Echse mit Flügeln. Ein Drache? Vielleicht... befand er sich gerade doch in einem Fantasyroman...

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