Heartbeat

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Sehnsüchtig hatte ich auf diesen Tag gewartet. Ich zog die Vorhänge zur Seite und riss das Fenster auf. Die Sonne ließ das taubedeckte Gras glitzern, während sie langsam durch die Wolken kroch. Der Schnee war geschmolzen und endlich begann er. Der Frühling.

"Kyungsoo, Frühstück ist fertig!"

Ich drückte das Fenster in seinen wackligen Rahmen und zog mich um. Mein älterer Bruder Kwangsoo saß gähnend am Küchentisch und rührte in seinen matschigen Cornflakes. Ich verstand gar nicht, wieso er so schlecht gelaunt war. Er hatte die Schule bald hinter sich und konnte ausziehen. Mir blieben noch zwei Jahre. Ich hasste meine Familie nicht. Im Gegenteil, ich liebte Mama, Papa und Hyung über alles. Aber da war dieses Problem, das ich hatte. Ich konnte nicht mit ihnen darüber reden. Sie würden mich nicht verstehen.

"Alles okay, Kleiner?"

Ich blickte auf und nickte. Früher hatte es mich genervt wenn mein Bruder mich so nannte. Aber ich hatte mich damit abgefunden. Ich war ja schließlich klein, zumindest wenn man die 1,92 Meter meines Hyungs mit meinen 1,73 Meter verglich.

Mama stellte ihre Tasse Kaffee auf den Tisch und ging nervös auf und ab. Das tat sie immer wenn Papa Nachtschicht hatte und zu spät war.

"Mama, komm setzt dich hin. Es ist bestimmt alles in Ordnung. Du weißt doch wie Papa ist. Er vergisst ständig sein Handy irgendwo."

Ich lächelte sie an und reichte ihr ihren Kaffee. Seufzend strich sie mir durch die kurzen Haare. Ich hasste es sie so zu sehen. Sie machte sich ständig Sorgen um meinen Vater. Er war Polizist und ab und zu musste er nachts arbeiten. Sie sagte es uns nicht aber ich wusste, dass sie nachts kein Auge zu bekam wenn er nicht munter und wohlauf neben ihr lag. Ihre tiefen Augenringe sagten alles. Ich lehnte meinen Kopf gegen ihre Hüfte und starrte auf den Tisch.

Um 6:20 Uhr begann sich für gewöhnlich ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust auszubreiten. Schulangst nannte Dr. Lee das. (Ich bin echt ok, aber meine Mama schleppt mich alle zwei Wochen zum Psychologen, um sicher zu gehen, dass ich nicht verrückt werde) Ich wusste besser, was ich hatte, aber ich nahm es so hin und ging zu Dr.Lee damit Mama beruhigt war.

"Komm Spatz, du kommst sonst noch zu spät.", sagte meine Mutter während sie meine Tasche mit Sandwiches vollstopfte.

Hyung legte mir einen Arm um die Schulter und grinste mich an. "Wenn du heute artig bist, kauf ich dir ein Eis."

Ich verdrehte die Augen und zog ihn zur Tür. "Tschau Mama, bis nachher. Der Zwerg und ich gehen noch Eis essen." Kwangsoo grinste so breit, dass ich ihm einen Ellbogen in die Rippe rammte.

"Das hast du davon", rief ich und trat an die kalte Luft.

Der Tag ging schneller rum als ich dachte. Im Nu saß ich im Umkleideraum und kramte widerwillig meine Sportsachen aus meinem Rucksack.
Ich atmete tief durch. Ich war wie üblich als einziger noch nicht umgezogen, als der Gong ertönte. Ich verabscheute jegliche Art von Sport, denn weder war ich mit einem guten Gleichgewichtssinn gesegnet worden noch reichte meine Körpergröße für Basketball.
Mit zitternden Händen zog ich mir die Kapuze meines Pullis über den Kopf und drückte meine Flasche gegen meine Brust.
"Na endlich, Kyungsoo! Wir haben schon ohne dich angefangen" tönte Mike und warf mir den Ball zu. Gequält ging ich auf die anderen zu.
Während des Spiels achtete ich darauf niemals den Ball zu bekommen und nicht zu stolpern. Unser Coach wusste dass ich eine Niete war. Er hatte schon längst aufgegeben mir was beizubringen. Dafür war ich ihm mehr oder weniger dankbar.

"Hey Zwerg, wenn du nicht spielen kannst verpiss dich vom Spielfeld!", schrie jemand, als ich gegen jemanden aus der gegnerischen Mannschaft lief.

Ich funkelte Lee Chansung wütend an und senkte den Blick. "Lass mich doch in Ruhe", murmelte ich leise und drehte mich um.

"Hast du was gesagt!?"

Erschrocken schnappte ich nach Luft, als Chansung mich gegen die Wand drückte. Ich stöhnte, als mein Kopf gegen die eiskalte Steinwand knallte.

Bevor ich mich aus seinem Griff befreien konnte, oder mir jemand helfen konnte, packte mich Chansung an den Haaren und stieß mich zu Boden.

Etwas warmes lief mir aus dem Mund, während ich versuchte nicht zu weinen und mich zusammenkrümmte, um den Schmerz zu unterdrücken.

Falling AngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt