Eins.

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Müde schlug Emily Benett ihre Augen auf. Ihre gute Laune hielt sich mächtig in Grenzen und sie schlurfte fast schon apathisch ins kleine Badezimmer, welches sie sich mit den anderen Mädchen aus ihrem Schlafsaal teilte.
Emily war kein Mensch, den man mit nur einem Blick ins Gesicht vollkommen durchleuchten konnte. Auch ein zweiter reichte dazu wohl kaum aus. Und das war ihr auch ganz recht so. Sie hielt nicht viel von Personen, die ihre Gefühle in die Welt hinausposaunten, wie zum Beispiel Ellen, ein Mädchen aus ihrem Schlafsaal, die im Gemeinschaftsraum jedem über ihr Glück mit dem derzeitigen Quidditchkapitän Huffelpuffs berichtete. Eigentlich hatte sie es nur ihren Freundinnen erzählen wollen, dies tat sie allerdings so laut, dass es ein jeder mitbekam. Auch wenn es die Mitglieder ihres Hauses für ein Versehen hielten, für ein unterschätzen ihres Stimmvolumen oder gar als normal bezeichneten, wusste Emily, dass es pure Absicht war. Ellen wollte Aufmerksamkeit. Ob es nun die der Jungs war, die beweisen wollten, dass sie ein ebenso guter Liebhaber wie ein aufgehendes Quidditchsternchen sein konnten, oder die aus Neid geäußerten Gehässigkeiten anderer Mädchen, war ihr egal. Hauptsache es wurde über sie geredet.
Und eben diese Berechenbarkeit fand Emily so abstoßend. Es wäre für sie verständlich gewesen, wenn Ellen es ihren Freundinnen aus Glück und Zuneigung zu ihrem Freund erzählt hätte. Um sie an diesem Glück teilhaben zu lassen. Aber sie hatte es getan, um sich gesellschaftlich auf zu pushen.
Ebenso wenig hielt sie von dem Drang zur Popularität. Was war so toll daran, zu den ‚Beliebten' zugehören, wenn man sich mit den weniger Beliebten besser verstand. Warum sollte man sich verstellen um in einen Kreis zu gehören, in dem man sich weder wohl fühlte, noch man selbst sein konnte?
Rein an sich war Emily ein rational denkender Mensch. Sie hielt sich lieber im Hintergrund. Zeigte weder gern Gefühle, zumindest nicht Fremden, noch war sie gern im Mittelpunkt.
Aufgrund dessen hatte sie nicht sonderlich viele Freunde in Hogwarts. Ihre meist gut durchdachten Antworten gefielen den Meisten nicht. Doch stören tat sie das eher weniger. Zumindest bis jetzt. Denn heute war ein besonderer Tag für Emily (man bedenke, dass ‚besonders' nicht automatisch ‚gut' heißt). Zum einen war heute der erste Schultag nach den beinahe drei monatigen Sommerferien, was wohl einige Schüler durchaus als besonders bezeichnen würden. Doch dies war kein Grund für Emily diesen Tag besonders zu nennen. Vielmehr war es ihr erster Schultag seit sechs Jahren, den sie ohne Matt bestreiten musste. Und wenn man das wusste, wurde einem, zumindest wenn man Emily kannte, klar, dass hier ‚besonders' keinesfalls auch nur den Hauch einer positiven Bedeutung hatte.
Sah man Emily lachen, dann mit Matt an ihrer Seite.
Hörte man Emily mehr als ein paar Wörter reden, dann mit Matt an ihrer Seite.
Sah man Emily mal nicht mit dem dauerhaft ernsten Gesichtsausdruck, dann mit Matt an ihrer Seite.
Kurzum war Matt ihr einziger und bester Freund an der Schule gewesen. Und damit war keine Freundschaft im Sinne von ‚Ich kenn dich nun schon so lange und erst jetzt merke ich das du meine große Liebe bist' gemeint. Nein, diese Freundschaft basierte nur auf tiefster Freundschaftlicher Zuneigung. Emily hätte alles für Matt getan, und Matt auch für Emily, das hatte Emily jedenfalls immer gedacht.
Vielleicht wäre es an dieser Stelle hilfreich zu erwähnen, dass Matt weder die Schule gewechselt oder abgeschlossen, noch die Freundschaft beendet hatte, obwohl Emily sich fragte, ob er das mit seiner Tat nicht indirekt getan hatte. Alles in allem schmerzte sie nicht nur der Verlust ihres besten Freundes, sondern auch die Tatsache, dass er sich ihr nicht anvertraut hatte. Dass sie noch nicht einmal wusste, warum sie ihn verloren hatte.
Den wahren Grund, weshalb Matt Hogwarts nicht mehr besuchte, kannte kaum jemand. So ziemlich genau wussten es nur seine Eltern, ihre Eltern, Dumbledore und sie selbst. Und sie wusste es auch nur, weil sie ihn gefunden hatte. Hätte sie das nicht getan, wäre sie nun vermutlich, wie alle anderen, Schüler als auch Lehrer, in dem Glauben, dass Matt die Schule gewechselt hatte. Sie wusste nicht, ob sie glücklich darüber sein sollte, die Wahrheit zu kennen, oder ob sie doch lieber in der Unwahrheit geschwelgt hätte, glaubend, dass Matt sie eines Tages noch besuchen konnte, oder sie ihn.

Leichter gesagt, als getan. →Sirius BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt