Baumangebot

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Klick-klick. Klick-klick. Klick-klick.
Das Geräusch des Blinkers scheint ein ebenso dünnes Nervenkostüm zu haben wie ich.

Entnervt trommeln meine Finger auf meinem Lenkrad, während ich darauf warte, dass der beigefarbene Mercedes seine Parklücke im Schneckentempo verlässt. Wenn die Person im Inneren des Wagens noch langsamer fährt, reist sie vielleicht sogar in der Zeit zurück.

Gerade schafft es das Auto, den Blinker zu setzen und sich langsam davonzubewegen, als wie aus dem Nichts ein schwarzer Kleinwagen von gegenüber angesaust kommt und sich in meine Parklücke, auf die ich bestimmt schon seit geschlagenen zwanzig Minuten warte, manövriert.

„Was zur Hölle??", schreie ich erbost und lasse mein Fenster herunter. Der Fahrer kriegt jetzt aber was von mir zu–

Eine junge Frau springt aus dem Auto, rennt herum und reißt die hintere Tür auf. Nach kurzem, für mich nicht erkennbarem, Gefummel zieht sie ein kleines Kind heraus und stellt es neben sich auf dem Asphalt ab.

Das kleine Mädchen, dessen braune Zöpfe unter einer weißen Pudelmütze hervorschauen, steht mit gequältem Gesichtsausdruck und fest zusammengepressten Knien neben ihrer Mutter und gibt ein jammerndes Geräusch von sich.

„Halt durch, mein Schatz", ruft die Mutter ihr zu, die die Autotür zuwirft und verzweifelt in ihrer Handtasche wühlt, um den Autoschlüssel zum Verriegeln des Wagens zu finden.

„Ich muss wirklich dringend, Mami", jammert die Kleine und schon eilen die zwei über den Parkplatz in Richtung Supermarkt.

Wie soll man auf solche Menschen bitte wütend sein?

Zähneknirschend lege ich den Gang ein und drehe eine weitere Runde über den Platz.

Ich brauche nur Brot und etwas Joghurt, mehr will ich gar nicht. Allerdings scheint es sich die gesamte Stadt zur Aufgabe gemacht zu haben, mit Beginn des Monats Dezember ihr Lager dauerhaft auf dem Parkplatz und im Inneren des Supermarktes aufzuschlagen.

Was die da alle ständig wollen, ist mir vollkommen schleierhaft.

Nach weiteren eineinhalb Runden ergattere ich eine winzige Parklücke und zwänge mich aus meiner Tür, wohlbedacht, das Auto neben mir nicht zu touchieren. Ich bete inständig, dass mein Parkplatznachbar nachher beim Einsteigen ebenso umsichtig ist, sollte er dieses Höllenloch überhaupt vor mir verlassen.

„Bäume! Frische Bäume!", schreit ein Mann lauthals und ich stelle fest, dass es jetzt schon einen Stand Weihnachtsbäume gibt, der die Anzahl der Parkplätze vor dem Supermarkt zusätzlich minimiert, da er mindestens vier davon einnimmt.

„Nur heute frische Nordmanntannen!", schreit der Mann weiter und ich schüttele fassungslos den Kopf.

Wenn man jetzt einen Baum kauft, lässt das Ding doch am Heiligen Abend seine trockenen Nadeln fallen.

„Hey Sie!", ruft der Verkäufer und als ich in seine Richtung schaue, blickt er mich direkt an. Ist das eine Lichterkette, die da um seinen Hals baumelt?

In der internationalen Ich?-Geste zeige ich mit dem Zeigefinger auf meine Brust und er nickt.

„Möchten Sie einen Baum kaufen? Ich habe einen ganz Großen für Sie!", grinst er mich an und ich tue das, was ich in solch einer Situation immer tue – ich drehe mich weg und eile schnurstracks in den Supermarkt.

***

Okay, die Menschheit muss sich gegen mich verschworen haben.

Es ist Dienstagabend und Heilig Abend ist erst nächste Woche. Es können nicht alle Parkplätze belegt sein! Ich brauche doch nur Milch und vielleicht eine Packung Nudeln.

KurzeweileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt