16. Türchen - Das (nicht) perfekte Leben des James Marshall Hendrix

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16. Dezember 1967

Weihnachtszeit. Jimi hasste die Weihnachtszeit. Er hatte sowieso niemanden, mit dem er Weihnachten feiern konnte. Mit seiner Freundin Kathy hatte er sich obendrein wieder einmal gestritten. Seufzend schlich er durch die Gassen von London, auf der Suche nach Ablenkung. Eigentlich hätte er in irgendeinen Club gehen und dort gemeinsam mit anderen Musikern jammen können, doch nicht einmal danach war ihm an diesem Tag zumute. Er wickelte seine Jacke enger um seinen Körper. Obwohl er seine Husarenjacke mit den Manschettenknöpfen trug, war ihm trotzdem kalt. Er war froh, dass er die Jacke gebraucht zu einem günstigen Preis erstanden hatte, weil sie auch im Winter schön warmhielt. Normalerweise. Nicht einmal Zigaretten hatte er dabei. Seufzend blieb er stehen und schaute auf seine Lederschuhe hinab, die größtenteils von seiner schwarzen Schlaghose bedeckt wurden. Gerade wollte er umdrehen und wieder nach Hause gehen, als es plötzlich hell um ihn herum wurde. „Was zum Teufel-", setzte Jimi an, doch weiter kam er nicht, da er plötzlich in einen Strudel aus Jahreszahlen, Daten und Uhrzeiten gezogen wurde...

2021

Schützend hielt Robert sich die Hände vor die Augen. Da hatte er wohl am falschen Zahnrädchen gedreht... Na ja, jetzt war das Unglück auch schon geschehen. Sobald das helle Licht verschwunden war, sah Robert sich einem afroamerikanischen Mann gegenüber, der ihm bekannt vorkam. Zwar wusste er, anders als bei den anderen Stars, nicht genau, um wen es sich handelte, aber er war sich sicher, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Der Mann stolperte ein paar Schritte zurück und zeigte verdattert mit dem Finger auf Robert. „Wer zum Teufel sind Sie? Und wo bin ich?", fragte er nervös. Robert hob beschwichtigend die Hände. „Ganz ruhig, ich tu dir nichts", versuchte er, den Mann zu beruhigen. Dann stellte er sich freundlich vor: „Mein Name ist Robert. Und wie heißt du?" Zögernd ergriff der junge Mann die ihm von Robert dargebotene Hand. „Jimi", antwortete er, während er Roberts Hand vorsichtig schüttelte. „Jimi...", wiederholte Robert seinen Namen. „Welches Jahr haben wir, Jimi?", fragte er dann. Verwirrt legte sein Gegenüber den Kopf schief. „1967", murmelte er. Robert klopfte ihm auf die Schulter. „Setz dich lieber hin, Jimi. Denn das, was ich dir jetzt gleich erzählen werde, wird dich unter Umständen von den Socken hauen..."

„Ich geh scho!", rief Falco, als es an der Wohnungstür klopfte. „Servus Falco!", begrüßte Robert ihn, sobald er die Tür geöffnet hatte. „Robert! Bist schon fertig mit der Uhr?", erkundigte Falco sich sogleich, doch Robert schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber ich bin auf einem guten Weg, denke ich." Falco klatschte in die Hände. „Na das ist doch gut!", meinte er. Vorsichtig lugte Jimi hinter Roberts Schulter hervor, was lustig aussah, da er gut einen halben Kopf größer war als der Vermieter. „Wer ist das?", fragte er neugierig. Auch Falco zog fragend eine Augenbraue hoch. „Falco, das ist Jimi. Ich habe ihn bei meinem Versuch, die Uhr zu reparieren, aus dem Jahr 1967 hierhergeholt. Jimi, das ist Falco. Einer deiner neuen Mitbewohner", stellte er die beiden Musiker einander vor. „Ah, einer aus der Hippiezeit!", bemerkte Falco interessiert und schüttelte Jimi die Hand. „Komm mit rein, ich stell dich den anderen vor." Und mit diesen Worten zog Falco den immer noch ein wenig perplexen Jimi hinter sich her ins Wohnzimmer, während Robert die Wohnungstür schloss und sich auf den Weg zurück in seine Wohnung machte.

„Hier! Da ist ein Keksrezept!", rief Freddie fröhlich und hielt John die Zeitung unter die Nase. „Fred, nachdem du beim letzten Mal so ein Chaos angerichtet hast, lassen die anderen dich bestimmt nicht nochmal backen", meinte John lächelnd und schüttelte den Kopf. „Ganz genau", kam es von Brian und „Du hast es erfasst", ertönte es aus Andrews Richtung. John wollte gerade die Zeitung in Freddies Händen umblättern, als dieser sie zu Boden fallen ließ. „Hey!", beschwerte John sich, doch Freddie beachtete ihn nicht. „Das... das...", stammelte er aufgeregt. „Was ist los, Freddie? Wenn du nicht in ganzen Sätzen sprichst, verstehe ich dich nicht", beschwerte sich Brian. „Das ist Jimi Hendrix!", kreischte Freddie und lief auf den besagten Gitarristen zu, der gerade an Falcos Seite das Wohnzimmer betreten hatte und sich neugierig umschaute. Im nächsten Moment fand Jimi sich in den Armen eines aufgekratzten Engländers wieder. Ein wenig ungelenk tätschelte er Freddies Rücken, während dieser ihn fest in seine Arme schloss. „Na komm, jetzt lass ihn in Ruhe ankommen!", schimpfte Falco und zerrte Freddie von Jimi weg.

„Na großartig, noch so ein Junkie!", bemerkte Prince, als er das Wohnzimmer betrat. David warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ach sei doch still!", motzte Michael Prince an. „Du könntest wirklich etwas netter sein", bemerkte nun auch George, woraufhin Prince abwehrend die Hände hob. „Jaja, ich bin ja schon still", brummte er. „Das solltest du besser auch sein!", wies ihn Freddie zurecht. „Jimi Hendrix ist doch nicht irgendein dahergelaufener Junkie! Er ist ein großartiger Musiker und eines meiner Idole!" Jimi brachte ein schiefes Lächeln in Freddies Richtung zustande. Er wusste nicht, wie er auf diese Worte reagieren sollte. Von Robert hatte er bereits erfahren, dass es sich bei den Leuten in der Wohnung ebenfalls um Musiker handelte, die allerdings alle erst nach ihm bekannt werden würden. Brian lächelte Jimi freundlich an und führte ihn zum Esstisch, wo er ihm einen Stuhl anbot. „Hier, setz dich doch erst einmal. Möchtest du einen Tee trinken?", erkundigte sich der Queen-Gitarrist. Jimi zögerte zuerst, dann nickte er.

Während Jimi seinen Tee trank, erfuhr er etwas über seine Mitbewohner. So erzählte Falco ihm zum Beispiel, dass der Mann mit den schulterlangen schwarzen Haaren, der ihn vorher als eines seiner Idole bezeichnet hatte, Freddie Mercury hieß und später einmal als der größte Sänger aller Zeiten in die Geschichte eingehen würde. Brian, Roger und John waren seine Bandmitglieder. George und Andrew, ebenfalls zwei Engländer, bildeten gemeinsam die Band Wham!, die vor allem durch ein Weihnachtslied bekannt geworden war. Michael Jackson und Prince waren zwei Solokünstler der Superlative aus den Vereinigten Staaten. David Bowie, der laut Falco eigentlich David Jones hieß, kam ebenfalls aus England und hatte schon einige Musikstile ausprobiert, weshalb man ihn später als das „Chamäleon des Pop" bezeichnen würde. Bei Falco handelte es sich um einen österreichischen Solokünstler, der hauptsächlich in Österreich und Deutschland bekannt war, aber auch schon einen Welthit gelandet hatte. Jimi fand die Zeitreisegeschichte nach wie vor äußerst verrückt und am Anfang hatte er gedacht, dass er sich im Drogenrausch befinden würde, aber irgendwann erkannte er, dass es sich dabei doch um Realität handelte. Wenigstens bekam er so ein wenig Abwechslung, und das war doch etwas Gutes, fand er.

It's Christmas Time (Adventskalender)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt