| Ein Wort - Ein Schnitt |

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Ich war perfekt. Mein Leben war perfekt. Es gab kaum einen Moment, den ein Anderer nicht mit mir tauschen wollen würde - doch ich, ich würde jederzeit tauschen. Ich hatte mich heute wie immer von allen verabschiedet, doch dieses Mal, kam kein „Aufwiedersehen“, über meine Lippen, stattdessen ein „Tschüss“. Ich würde sie nicht wiedersehen, noch wollte ich das.

Das Wasser, welches ich mir für eine heiße Wanne gerade einließ, kluckerte im Hintergrund laut und wurde von einer heiser klingenden Melodie, die aus der kleinen Anlage im Badezimmer kam, unterstützt.

Ich hatte Tschüss gesagt. Zu allen die mich lieb gewonnen hatten, die zu mir aufsahen, in mir vielleicht auch ein Vorbild sehen. Monate lang hatte ich es nicht geschafft diese einfachen Worte über meine Lippen zu bringen, viel zu sehr setzte ich sie mit anderen Dingen in Verbindung. In dem Wort Tschüss, folgte kein wieder. Keine Bestätigung für den Gegenüber das man jemanden wiedersehen würde. Es war ein endgültiges Abschiedswort.

Einen kurzen Moment war es als würde sich meine Brust verengen und mir blieb die Luft weg.  Ich schüttelte mich und schleppte mich zur Badewanne herüber wo ich den Rest meines Badezusatzes hinein kippte. Gleich dehnt sich auch schon einer schöner und gemütlich wirkender Schaum auf der Wasseroberfläche aus. Der Geruch von Lebkuchen und Zimt  verbreitete sich zusätzlich noch im Bad und ein zufriedenes Seufzen kommt mir über die Lippen.

Gleich aber wand ich mich wieder von der Badewanne ab, ging aus dem Bad hinaus und stand sogleich in mitten meines Schlafzimmers, welches in gemütlichen Weihnachtsfarben erstrahlte. An dem Ende meines Bettes hatte ich eine Tannengirlande aufgewickelt, welche ich mühevoll mit Christbaumschmuck und Lichterketten geschmückt hatte, meine Bettwäsche war in einem satten rot getaucht und die Kissen hatte ich mit kitschigen Weihnachtsbezügen bezogen. Gegenüber von meinem Bett stand dann ein riesiger Kleiderschrank, vor dem seitlich ein weißer Samt Sessel positioniert war und rechts - gleich neben dem Fenster - stand ein wunderschöner golden verzierter Spiegel, dem ich an der oberen Kante auch eine Girlande verpasst hatte.

Wenn man nach draußen sah, konnte man eine feine Schneeschicht erkennen die sich über den Tag am Boden gesammelt hatte. Gegenüber von mir stand dann ein Haus, es war mir sogar möglich in das Zimmer meines Nachbarn zu sehen, doch wirklich viel erkennen konnte ich nicht. Vor wenigen Tagen war ein Mann dort eingezogen, er hatte sich als Caleb vorgestellt und erzählt er würde es renovieren, das Haus sei von innen doch etwas.. mitgenommen und altbacken. Also war das einzige was ich erblicken konnte, eine metallische Leiter, einige lose Plastikfetzen, welche als Abdeckung von dem Boden genutzt wurden, überall stand zudem das ein oder andere Werkzeug herum.

Ich schüttelte meinen Kopf, drehte mich zum Spiegel herum in den ich einen Blick warf. Mein Körper war verhüllt von einem weißen Handtuch, mein Bronze farbendes Haar war zu einem Dutt geknautscht, aus dem einige lose Strähnen wirr abstanden. Meine Haut war bleich, nicht gebräunt wie sie es ab und zu im Sommer war. Außerdem war sie besprenkelt mit Sommersprossen. Mein Gesicht wirkte Monoton. Schmale Lippen saßen darauf, die einen leicht rosanen Schimmer hatten, eine Nase die am Ende hin etwas spitzer zu lief, schmale in Form gezogene Augenbrauen und braune Augen welche von einem feinen Wimpernkranz umrandet waren.

Wieder seufzte ich, doch verharrte mein Blick noch etwas länger auf mir - ich wollte mir fast schon jedes Detail an meinem Körper aufsaugen. Als wäre es das letzte Mal das ich meinem Körper sehen würde - und es war das letzte Mal. Das letzte verfluchte Mal.

Dann trugen mich meine Beine wieder ins Bad, kurz vor der Tür ließ ich mein Handtuch vom Körper gleiten bevor ich meinen Körper langsam in die Badewanne gleiten ließ. Denn Wasserhahn drehte ich zu und schloss einen winzigen Moment meine Augen.

Meine Glieder begann sich zu entspannen, empfingen das Wasser wie eine zweite Haut obwohl sich die Hitze in meine Haut einbrannte. Meine Hände strichen über die vom Wasser leicht eingeweichte Haut und meine Fingerkuppen ummalten die leichten Pünktchen auf der Haut, die Rötungen vom heißen Wasser und auch die ausgeblichenen Blauen Flecke welche auf meinen Oberschenkeln und Beinen sitzten.

Es dauerte einen Moment bis ich meinen Kopf zur Seite drehte - einen kurzen Moment zu der offenen Badezimmertür blickte, dann aber streckte ich meinen Arm am Badewannenrand herunter zum Fußboden und zog ein kleines, gepflochtenes Körbchen vom Boden herauf zu mir. Etliche Utensilien fanden sich darin, Rasierer, Rasierschaum, Öle, lose Rasierklingen und Crémes.

Ich merkte dann doch das meine Hand zitterte - nicht vor Kälte, sofern aus Angst. Doch diese Angst durfte ich mir nicht eingestehen, ich konnte jetzt nicht kneifen. Ich war bereit. Ich hatte mich schließlich verabschiedet. Einen Moment zögerte ich, doch dann griff ich nach der Rasierklinge.

Entschlossen atmete ich tief ein und kniff meine Augen zusammen, dann ließ ich mich langsam wieder in die Wanne gleiten, die Arme stützte ich an den Seiten des Badewannenrands ab. Ein Schnitt, nur ein einziger, das würde reichen. Genügen um meine gewünschte Erlösung zu erzielen.

Einen Schnitt.

Einen einzigen.

Dann glichen die Minuten wie Sekunden, meine Lider wurden schwer, nur mit Mühe war es mir möglich sie offen zu halten. Dann ein lauter Knall von außen, welcher so weit entfernt schien wie noch nie. Ich hörte gehetzte Schritte auf meiner Treppe. Die Türe meines Schlafzimmers wurde auf gerissen und sogleich drangen wild durcheinander klingende Stimmen in mein Ohr.

Doch waren sie so fern, ich konnte sie nicht ergreifen. Nicht fassen. Meine Lider fielen wieder zu. Doch dann zwang ich mich ein letztes Mal, meine Augen zu öffnen, meine Sicht war verschwommen, wie benebelt.

Braunes Haar.

„Ruf einen verfluchten Krankenwagen!“

Dann verließ alle Kraft meinen Körper.

Rescue MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt