| zu Haus |

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Caleb Parker und Ethan Mikelson.

Sie waren es gewesen die mir mein Leben gerettet haben - sie hatten mein Vorgehen durch das Fenster beobachteten können. Sie haben meine Haustüre aufgebrochen und waren zu mir herauf gekommen. Ethan Mikelson war es gewesen der mich aus der Wanne gezogen hatte, mich gehalten hat als ginge es um sein eigenes Leben.

Ich konnte mir nicht erklären wieso die Zwei sich dazu entschieden hatten mir mein Leben zu retten. War es nicht schon hoffnungslos wenn durch seinen eigenen Willen sterben will? War es nicht eine solche Entscheidung die man dem betroffenen Menschen überlassen sollte? Es glich fast schon als hätte man mir verboten eigen für mich zu handeln, zu sprechen. Es glich als würde man jemanden Mundtot machen.

Meine Gefühle standen auf dem Kopf, ich wusste nicht was ich darüber denken sollte. War ich wütend? Ein kleines bisschen. Traurig? Ein kleines bisschen. Berührt? Ja. Ich war berührt.

Die Beamten hatten mich gefragt ob ich Anzeige erstatten wollen würde, wegen Hausfriedensbruch. Schließlich hatten sie meine Haustür verbeult weswegen ich sie nun mit einem Metallriegel verschließen musste. Bis ich jemanden engagieren konnte, der sich darum kümmerte alles wieder zu richten, würde ich noch bis Montag warten müssen. Mit solchen Angelegenheiten beschäftigte man sich lieber Montags. Es war billiger, als wenn man den Handwerkern wegen des Wochenendes einen Aufschlag zahlen musste. Eine Sache die mir mein Vater immer geprädigt hatte - jede einzige Lücke zu finden wo man etwas sparen konnte.

Früher hatte ich immer gedacht er war einfach ein Geizhals, doch heute verstand ich wieso er so darauf fixiert war jede Münze dreimal umzudrehen. Er kannte es aus seiner Kindheit nicht anders.

Der Stillstand des Taxis brachte mich dazu meine Gedanken beiseite zu schieben. Der Fahrer drehte seinen Kopf zu mir herüber - sein Haar war fettig, klebte an den Seiten seines Gesichts. Er hatte müde Augen, tiefe Augenringe setzten sich darunter ab. Und auch war es ein unordentlich gestutzter Bart der einem sofort ins Auge stach. „Wir sind da, Miss.-“, dann sah er auf die Anzeige mit der Kilometeranzahl und auch auf den Tacho wo der berechnete Weg stand. Wieder sah er zu mir herüber und ein schiefes Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Das wären 36 Dollar und 32 Cents“, gab er mir an und ich schenkte ihm ein stummes nicken.

„Geben Sie mir bitte eine Rechnung..“, flüsterte ich leise vor mich hin während mein Blick zu meinem Haus glitt. Die Eingangstüre war schon  spärlich geschlossen, doch konnte ich die Delle in ihr sehen - die Jungs hatten sich wirklich ins Zeug gelegt hinein zu kommen. Obwohl sie darauf hätten kommen können das ich einen Ersatzschlüssel unter der Fußmatte versteckt hatte.

Ich hörte wie mein Fahrer genervt aufseufzte und dann ein kleines Gerät aus dem Handschuhfach zog, etwas eintippte und dann gleich darauf oben ein Beleg gedruckt wurde. Dann stopfte er es in meine Hand die ich ihm zuvor noch entgegen gestreckt hatte. „Danke. Einen schönen Tag noch“, dann griff ich nach der Klinke der Türe, stieß sie auf und ließ sie gleich wieder mit einem sanften Rumps ins Schloss fallen.

Das Haus welches vorher meinen Eltern gehört hatte, aber nun mir, hatte eine kleine Veranda und darauf stand eine Hollywoodschaukel und dazu ein Beistelltisch. Das Geländer hatte ich mit einer funkelnden Lichterkette umwickelt und im Vorgarten stand ein riesiger Apfelbaum. Den Baum hatten meine Eltern in der Schwangerschaft meiner Mutter gepflanzt, es war also.. wie eine Art Geschenk für mich gewesen. Er wuchs genauso wie ich - es klang makaber wenn ich sagen würde er war das Haustier welches wir nie hatten.

Die Fassade des Hauses war weiß, das Fundament war in einem grau gestrichen. Nachdem meine Eltern verstorben waren hatte ich das ganze geerbt. Erst wusste ich nicht was ich damit anstellen sollte, doch schnell war mir klar geworden ich würde wieder einziehen und Vorort arbeiten. Wohl ein Vorteil meines Berufes als Lehrerin - ich konnte anfordern mich versetzen zu lassen um hier an der örtlichen Grundschule zu arbeiten. Das war kurz nach meinem Referendariat.

Der Gedanke daran, wie und weswegen ich in das Haus, in welchem ich als Kind aufwuchs, zurück zog, brachte meine Brust dazu sich einen Moment zu verkrampfen, zu schmerzlich war der Gedanke noch an den Tod meiner Eltern - auch wenn er bereits drei Jahre her war. Es ließ mich frösteln das ich keine Zeit mehr hatte mich zu verabschieden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern das ich keine wirkliche Zeit neben meinem Studium fand, sie wenigsten anzurufen. Auch hatte ich es nur selten geschafft an Weihnachten aufzukreuzen, entweder war ich in einem Haufen Schulstoff versunken, habe Klausuren korrigiert oder mir diverse Kurse reingezogen welche mir helfen sollten besser zu unterrichten. Im Nachhinein bereue ich es das ich meine Zeit nicht mit meinen Eltern verbracht habe sondern stattdessen im Wohnheim gehockt habe und irgendwelchen Mist fabriziert hatte.

Ich stand eine Weile nur stumm da. Starrte auf mein Elternhaus, welches so viele Erinnerungen in mir aufrief. Wie ich im Garten herum tobte oder meiner Mutter in der Küche zur Hilfe ging wenn sie wieder etwas backte. Ich schloss meine Augen, als würde ich die Momente nachfühlen wollen. Der Geruch von frisch gebackenem Manderinenkuchen stieg mir in die Nase, ich konnte das Haarshampoo meiner Mutter riechen. Kokosnuss und Vanille.

Dann der mein Vater, der herein kam und gleich ein beißender Geruch von Benzin mit hinein trug. Wie ich es geliebt habe.

Am Esstisch saß mein damaliger Freund Ryan - er starrte konzentriert auf das Scrabblefeld, man konnte ihm förmlich ansehen das es in seinem Kopf ratterte wie er wohl meinen Vater in dem Spiel schlagen konnte - das konnte man jedoch nicht, mein Vater hatte immer Wege gefunden einen auszutricksen und vor allem hatte er die kompliziertesten Wörter auf Lager, die keinem normalen Mensch jemals in den Sinn kommen würde.

Ich schüttelte meine Gedanken ab, verschloss sie wieder ganz weit weg in meinem Kopf, es war als hätte ich dort eine kleine Schatulle angelegt, welche ich immer verschlossen hielt. Und ich faltete all meine Gedanken so klein das sie hinein passten.

Ich hatte viele solcher Schatullen - auch welche welche ich gar nicht wirklich wagte zu öffnen.

Seufzend machte ich mich dann langsam auf dem Weg hinein, aber kurz bevor ich die spärlich verschlossene Türe öffnete, konnte ich nicht anders als einen prüfenden Blick zum Nachbarhaus zu werfen. Calebs Pick-Up stand nicht da. Er musste wohl außer Haus sein - vielleicht besorgte er irgendwelche Utensilien für die Renovierung. Was kümmerte es mich überhaupt?

Kopfschütteln trat ich durch die Tür, schloss sie, so weit es mir zumindest möglich war. Das Haus schien wie immer - der Flur war aufgeräumt, überall war die ein oder andere Weihnachtsdekorationen verstreut, das Treppengeländer hatte wie alle anderen Dinge in diesem Haus eine Lichterkette umgewickelt. Ich möchte Weihnachten, die Lichter strahlten eine gewisse Gemütlichkeit aus und Wärme. Es wirkte nicht alles mehr so Trist und trüb wie in den restlichen Jahreszeiten.

Direkt gegenüber von der Treppe war eine Garderobe, mit diversen Jacken und Blazern. Davor standen ordentlich zusammen geschoben Sneaker, Stiefel und die ein oder anderen Ausgeh-Schuhe.

Einen kurzen Moment ließ ich meinen Blick über die Treppe schweifen bevor ich aber schon die Küche zu steuerte. Ich wusste nicht was dort oben wirklich.. passiert war noch wie es dort aussah - ich glaube jedoch kaum das während der ganze Sache sich eine Putzkolonne sich dort oben getroffen hatte.

Mein Herz begann bei den Gedanken zu rasen. Immer wieder drängten sich einige Fetzen vor mein inneren Auge weshalb es jedes Mal meine Augen erneut zusammen kniff, in der Hoffnung als die Szenen würden verschwinden - als wäre das was ich mir angetan habe niemals geschehen. Zitternd umfasste ich den Riemen des Eimers welchen ich eben am Waschbecken mit heißem Wasser aufgefüllt hatte und noch etwas Putzmittel hinzu gegeben hatte.

Einen Schwamm wie auch einen Lappen schmiss ich hinein in das heiße Nass und ließ sie sich mit dem Wasser aufsaugen, ich holte mir noch einen trockenen Lappen bevor ich mich gleich wieder am Ende der Treppe wieder fand.

Zitternd atmete ich ein, verkrampfte meine Finger um den Riemen des Eimers, als wäre es er mein einziger Halt. Angst und Panik machten sich bemerkbar. Ich konnte nur schwer atmen, mein Herz raste und schlug so sehr das ich gar befürchtete es würde mir jeden Moment aus der Brust springen.

Doch irgendwie, schaffte ich es dennoch die erste Stufe der Eichentreppe zu erklimmen.

Rescue MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt