| Überleben |

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Braunes, zerzaustes Haar, ein herber, süßlicher Duft von Moschus. Starke Arme die mich aus dem Wasser zogen - wirre Worte im Hintergrund wo jemand telefonierte.

Drei simple Worte.

„Du musst überleben".

Die Erinnerung brachen auf mich hinein wie ein Tsunami der eine Stadt einnahm. Ich könnte sie nicht einordnen, es waren Millionen Bruchstücke eines unreelen Ereignisses, welche sich vor meinem inneren Auge abspielten. Ich hatte mich noch nicht getraut meine Augen zu öffnen, aus Angst meine Vermutung würde Realität werden. So konnte sich der Tod in anfühlen. Nicht so.

Oder doch? War das was nach dem Tod kam, lediglich eine parallel Welt? Die einem so real vorkommt, das man glaubte man sei nie gestorben? Ich hatte wir schon immer ausgemalt, er sei einfach nur finster. Das es ein Tag oder Nacht Rhythmus gab, sondern alles in Dunkelheit gehüllt war. Als würde man nachts durch eine Stadt schlendern - nur das man all die Menschen sah, die einen viel zu früh verlassen hatten.

Die Gedanken die in sich in meinem Kopf breit machten, sorgten für kochende Kopfschmerzen und erst als das schwere pochen einsetzte, das von meinen Schläfen ausging, bemerkte ich meine anderen Beschwerden. Meine Lippen und mein Mund war staubtrocken, als hätte ich seit Wochen kein Wasser zu mir genommen. So trocken dass, das schlucken schmerzte und mich dazu brachte zu Husten.

Meine Glieder fühlten sich schwach an, schmerzten und alles zerrte an mir.

Langsam, zögerlich traute ich mich dann.  Meine Lider flatterten, einen Moment war ich wie geblendet - alles war Schnee weiß ich konnte nichts anderes als lediglich ein grelles Scheinen wahrnehmen, welches mich nahe zu erblinden ließ.

Der Tod war also nicht dunkel. Er war hell. Zu hell, wenn man nach meinem Geschmack ging.

Erst nach wenigen Sekunden bemerkte ich wie meine Augen begannen sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen und ich feststellte, das dies alles hier, nicht der Tod war.

Mein Ober-, und Unterkörper war verhüllt von einer weißen, leicht blau karierten dünnen Decke. Am Bett Ende konnte ich an der Wand eine Kommode erkennen, welche einen gelblichen Ton angenommen hatte. Die Wände waren weiß.

Links von mir stand ein Nachttisch, mit ausklappbaren Tisch. Darauf eine Karaffe Wasser und ein Glas. Ein Blick zur rechten, zeigte einen Infusionsständer, an dem ein Beutel hing dessen Schlauch sich an einem Venenkatheter hing, den man mir in meine Ellenbogenbeuge gesetzt hatte.

Dann auch noch ein kleiner Stecker, an meinem Finger, an diesem hingen Kabel welche zu einem Monitor führten der vor sich hin piepte und den Rhythmus meines Herzens zeigte, meinen Puls maß und meine Sauerstoffsättigung angab.

Ich war also in einem Krankenhaus. Ich hatte es nicht geschafft.

Enttäuschung flaute in meinem Magen auf und stieg meine Speiseröhre herauf, wodurch ich das drängende Gefühl verspürte mich augenblicklich zu übergeben. Mein Kopf spielte die vergangenen Szenen ab, immer und immer wieder, versuchte ich das Fragment zu erhaschen wieso ich gescheitert war.

Braunes Haar.
Die Badezimmertür.
Mein Schlafzimmerfenster.

War es das gewesen? Hatte mein Nachbar gesehen was bei mir zu Hause vorging? War er es der mich.. hierher gebracht hat?

Nein. Er hatte Blondes Haar. Er konnte es nicht gewesen sein.

Ehe ich länger einen Gedanken, an mein Scheitern verschwenden konnte, wurde die Türe meines Krankenzimmers aufgezogen und eine junge Dame in einer blauen Schwestern-Uniform, kam hinein. Ihre Augen weiteten sich augenblicklich als sie bemerkte das ich ihr entgegen sah.

Fast schon etwas fröhliches machte sich in ihren Augen bemerkbar, welche bläulich schimmerten. Ihr Haar war strohblond und verpflochten zu einem Pferdeschwanz. Eine kleine Stupsnase saß dann zwischen ihren Augen.

„Miss Darwin! Sie sind wach! Wie geht es Ihnen?“, kam es sogleich aus ihrem Mund als sie näher heran trat und die Infusionsmenge überprüfte. Ein langsames nicken folgte von meinerseits, doch ich blieb still - griff stattdessen langsam zu der Karaffe Wasser, und füllte mir mit entkräftenden Händen das Glas auf. Wie als wäre ich bereits seit Wochen in der Sahara und hätte keinen einzigen Tropfen mehr zu mir genommen, schlang ich die kühle Flüssigkeit herunter und konnte nicht anders als erleichtert aufzustöhnen.

Wie himmlisch es war endlich was zu trinken. Meine Kehle wurde nass und auch rieben meine trockenen Lippen nicht mehr unangenehm aneinander. Als ich tief ein-, und ausatmete sah ich dann wieder zu der Schwester und bemerkte dann auch das kleine Namenschild welches über ihrer linken Brust prangerte. Josie Jenkins.

„Wie lange bin ich bereits hier? Wann werde ich entlassen?“, schoss es aus mir heraus und wie gebannt blinzelte ich ihr entgegen. „Nun Miss, es sind bereits 2 Tage seit dem Sie hier sind, ihr Körper hat die Erholung gebraucht, Sie haben viel Blut verloren - deswegen haben wir Ihnen eine kristalloiden Infusion angehängt, dafür das ihr Körper besser mit der Produktion zurecht kommt-“, Josie bemerkte sogleich das sie etwas ausgeschweift war und schenkte mir ein leichtes, fast schon schüchtern wirkendes Lächeln, bevor sie vor fuhr: „Nun jedenfalls, da sie nun wach sind, möchte die Polizei noch mit Ihnen sprechen, wegen den zwei jungen Männer, welche den Krankenwagen alarmiert haben. Ich denke wir werden Sie danach entlassen können. Sie haben sich gut erholt - zumindest den Laborwerten nach“, beendete sie ihren Satz weshalb ich erneut nickte und seufzte.

Dann aber weiteten sich einen Moment meine Augen und sich hob fragend meinem Braue. „Die zwei Männer! Wissen Sie zufällig deren Namen?“, fragte ich sogleich nach dem ich vorher einen Schluck von dem Wasser nahm um meine Kehle zu befeuchten. Josie schüttelte ihren Kopf. „Nein tut mir leid, vielleicht kann es die Polizei Ihnen sagen“, erwiderte sie ehrlich und zuckte sanft mit ihren Schultern.

Dann legten sich ihre Finger um die Kanüle an der Infusion, sie drehte dort am Rädchen wodurch die Tropfen Geschwindigkeit sich gleich etwas verändert und etwas langsamer tropfte.
Langsam ließ ich mich in das Krankenbett einsinken und starrte gegen die stählernd weiße Decke. Die Schwester umrandete das Bett und ich konnte nur zu gut ihren Blick auf meinem Körper spüren, bevor sie ihren Weg Richtung Türe fortsetzte - machte sie kehrt und blinzelte mir entgegen „Ich schicke die Polizisten zu Ihnen“, waren die letzten Worte die sie von sich gab bevor die Tür aufgezogen wurde und kurz später ins Schloss fiel. Doch viel zu schnell nahmen meine wirren Gedanken wieder ihren Lauf.

Ich war hier. Am Leben. Doch warum? Wie lange würde ich noch meine persönliche Hölle aussitzen müssen?
Ich ärgerte mich über mich selbst, wie blöd ich doch war! Ich hätte diese Türe schließen sollen, die Vorhänge zu ziehen sollen.

Wie dumm ich doch war, ich hätte die Schwelle übertreten können, ich war ihr bereits so nah gewesen - ich habe die Wärme spüren können. Meine Fingerspitzen streiften über meine Handinnenfläche, über meine Arme und verharrten sogleich an dem Ort wo ich noch immer den Druck der Hände des Braunhaarigen spürte - sie waren so warm gewesen, rau und doch gepflegt.

In ihnen lag Entschlossenheit.

„Du musst überleben“

Seine Worte klangen so voller gewissenheit, sie waren klar und fest gewesen. Sie waren es die mich zurück rissen, mich davon abgehalten haben zu sterben. Der Braunhaarige hatte mir mein Leben gerettet - aber war dies positiv? Ich wollte nicht mehr leben. Wieso ließ er mich nicht sterben?

Das Wasser war meine Wiege gewesen, doch er hat mich heraus gerissen.

Also wieso hat er mich nicht sterben lassen?

Rescue MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt