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Langsam schlage ich die Augen auf und starre an die Zimmerdecke. Wie langweilig, sie ist weiss, wie der Rest unseres Hauses auch. Genau genommen sind alle Häuser in unserer Stadt, abgesehen von ihrer Zimmerkapazität, gleich. Das kommt davon, wenn man auf einem neuen Planeten lebt, die Arche war auch nicht gerade abwechslungsreich.

Da ich heute ein volles Programm habe, wälze ich mich aus dem Bett. Ein Blick aus dem Fenster hebt meine Stimmung etwas. Unser Haus ist an einem kleinen Hügel errichtet und so kann ich über die Stadtmauern ins Landesinnere sehen. Die grünen Wälder beflügeln mich, ich liebe den Anblick dieser rauen Natur. Ich löse meinen Blick, ziehe mich an und gehe hinunter, nur um festzustellen, dass mein kleiner Bruder Kiran das Frühstück bereits zubereitet hat. Sein breites Lächeln empfängt mich, sobald ich um die Ecke komme. Diesem wundervollen Kinderlachen, aus einem Gesicht mit braunen Rehaugen, kann man nichts böse nehmen. Denn eigentlich weiss er genau, dass er nicht allein Frühstück zubereiten darf. Sein Grinsen wird noch breiter, als er mich fröhlich und unbekümmert begrüsst: «Guten Morgen, Kaia!»

Beim Essen unterhält er mich mit seinen abenteuerlichen Geschichten, welche er nachts in seinen Träumen erlebt. Er träumt beinahe jede Nacht etwas und erzählt es dann jedem, der es wissen will, oder zumindest so tut, als würde er zuhören. Nach dem Essen räumen wir gemeinsam auf und bereiten uns für die Schule vor. Unterwegs dahin treffen wir Fynn, meinen besten und genaugenommen auch einzigen Freund. Zur Begrüssung knufft er Kiran und grinst mich an.

Fynn ist der einzige Mensch, der es versteht, und auch kein Problem damit hat, dass Kiran mein ständiger Begleiter ist. Denn unser Vater ist so gut wie nie da. Meistens ist er auf irgendeiner geheimen Expedition für unsere auserkorenen Anführer. Als wir begannen, uns ein Leben auf diesem Planeten aufzubauen, wurden zeitgleich ausserhalb der Stadt, an strategisch geschickten Orten, ein paar wenige Aussenposten errichtet. Von dort aus wurden verschiedene Expeditionen gestartet. Als Forscher muss mein Vater regelmässig dort hinausgehen. Dazu lässt er uns manchmal fast 30 Tage allein. In der Zeit bin ich voll für Kiran verantwortlich. Denn unsere Mutter starb vor sechs Jahren bei dessen Geburt.

Für mich ist es nicht so schlimm, dass unser Vater so häufig weg ist, ich bin gerne für mich, aber Kiran tut sich schwer damit. Er glaubt, dass er ihm die Schuld für den Tod unserer Mutter gibt, was natürlich nicht stimmt. Ich vermute eher, dass unser Vater vor seinem Schmerz flieht. Die Arbeit beschäftigt ihn, während wir ihn an sie erinnern. Kiran hat sehr viel von unserer Mutter, er hat ihre kleine rundliche Statur. Diese lässt ihn dank seines Babyspecks kuschelig weich aussehen. Das wird sich, wenn er weiterwächst, sicherlich noch etwas verlieren. Sein gütiges rundliches, von blonden Locken umgebenes Gesicht, ist ihr wie aus ebendiesem geschnitten. Ihr Ebenbild wird nur von den rehbraunen Augen unterbrochen, die er von unserem Vater hat. Ich hingegen habe nicht so viel von ihr. Ich komme mehr nach meinem Vater. Ich bin für meine 18 Jahre relativ gross, wobei es mit dem Wachstum wohl vorbei sein dürfte; gute 1.78m sind auch genug. Ich bin feingliedrig und schmal, meine weiblichen Rundungen kommen erst langsam zur Geltung. Meine kräftigen Haare haben ein schönes Haselnussbraun und fallen mir in leichten Wellen bis zur Taille. Einzig meine hellblauen Augen erinnern an meine Mutter.

Auf jeden Fall kann man alles in allem sagen, dass er den Tod seiner Frau nicht gut verkraftet. Das erklärt jedoch nicht, warum er mittlerweile schon fast 60 Tage fort ist. Wohlgemerkt ohne etwas von sich hören zu lassen. Das passt nicht zu ihm.

Mein innerer Monolog wird davon unterbrochen, dass wir bei der Schule ankommen. Kiran hat unterdessen Fynn in seine neusten Traumabenteuer eingeweiht. Dieser wirft mir nun einen vielsagenden Blick zu. Dann bringe ich Kiran in seine Klasse und gehe mit Fynn zu unserem Klassenzimmer.

Nach der Schule machen wir drei immer etwas gemeinsam. Kiran und ich dürfen meistens bei Fynns Familie zu Abend essen. Das erspart mir das Kochen. Was ich, wenn ich ehrlich bin, sowieso nicht besonders gut kann. Ich bin Fynns Familie dankbar, dass sie uns aufnehmen.

Weltenwandler - die Geheimnisse der TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt