The Day Before

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(Adventskalender 2019, Türchen 3)

Ich verdrehe die Augen und seufze. „Sicher, dass alles okay so ist?" fragt Louis bestimmt zum hundertsten Mal heute. „Nein weißt du, jetzt nicht mehr." antworte ich sarkastisch und sofort bleibt er stehen und blickt mich mit großen Augen an. „Was? Wieso? Was ist anders? Du hast gestern gesagt, dass alles gut ist!" erwidert er sofort und ich schmunzle ein wenig.

„Louis, entspann dich doch bitte ein bisschen." - „Du bist ja lustig! Wie soll ich mich denn entspannen! Wie kannst du da überhaupt so gelassen stehen!" mault er und fährt sich gestresst durch die Haare. Ich schüttle den Kopf und gehe auf ihn zu. „Lou, alles wird gut, okay? Wir haben alles dutzend Mal besprochen und schau dich doch um! Es sieht super aus. Das Zimmer wird ihm gefallen, okay?" Er steht mir gegenüber und ich streiche mit meinen Händen über seine Arme. „Atme tief ein und wieder aus, ja?" Er kommt meiner bitte nach und langsam aber sicher wird er wieder ruhiger.

„Schau doch, dass Bett hast du extra anfertigen lassen, und die Spielecke ist besser ausgestattet als ein Kindergarten! Der Kleiderschrank platzt schon fast vor lauter Klamotten und Kindersicher ist unser Haus doch inzwischen sowieso. Alles ist in Ordnung, Louis, wirklich. Wir haben mehr Babygläser in der Küche als feste Nahrung, es wird ihm gut gehen." rede ich auf ihn ein und er nickt ergeben.

„Tut mir leid." Er sieht kurz zur Seite und ich nehme seine Hände in meine. „Muss es nicht, ich bin doch auch nervös." - „Du machst nicht den Eindruck." antwortet er trocken und ich lache nickend. „Ach was, ich muss ja auch gerade für uns beide ruhig bleiben." Er zuckt ertappt mit den Schultern und mustert mich dann. „Du wirst ein toller Vater." - „Du auch, aber ich bin mir leider jetzt schon sicher, dass du Dylan viel Mist beibringen wirst." Er grinst. „Irgendjemand muss die Aufgabe doch übernehmen! Wir können doch nicht zulassen, dass er in den Kindergarten geht, ohne sich gegen die großen Kids wehren zu können!" betont er und ich seufze.

„Louis, bis dahin haben wir noch Zeit und Dylan wird das schon schaffen, er hat sich als Vater, wird sich mit Garantie wehren können." - „Ey!" beschwert er sich sofort und ich schmunzle, bevor ich mich zu ihm beuge und ihn küsse. Er seufzt auf und legt sofort seine Arme um meine Taille und zieht mich an sich heran. „Engel..." murmelt er und mein Herz schlägt augenblicklich schneller. „Nicht hier," Ich schmunzle, küsse ihn noch einmal und antworte dann, „Garantiert nicht. Außerdem wollten wir heute noch den Rest Wäsche fertig machen und alles putzen." Er murmelt irgendetwas und klingt dabei recht unzufrieden.

„Wenn ich dich daran erinnern darf; das war heute Morgen dein Vorschlag." Er nickt ergeben und wir gehen in den Wäschekeller. Inzwischen ist es selbstverständlich, dass wir uns die Arbeit im Haus teilen, wenn Louis frei hat, aber das war nicht immer so. Als wir nach der Tour hierher zurück gekommen sind, musste ich feststellen, dass mein Mann keine Ahnung hat, wie eine Waschmaschine funktioniert, geschweige denn, wie man Hosen oder gar Shirts bügelt.

Ich schaue auf den Ring an meinem Finger und erinnere mich sofort an den Tag, als ich nervös wie sonst was und zitternd wie Espenlaub über den Steck auf Jamaika auf ihn zugegangen bin. Es war so wundervoll. Wir waren noch zwei Mal dort und inzwischen ist es unser liebstes Urlaubsziel. Niemanden hat das wirklich gewundert und Niall hat schon gefragt, wann wir Dylan denn das erste Mal dorthin mitnehmen werden.

„Engel..." - „Nein, Louis." Ich sehe ihn an und bemerke, dass er wieder nervös wird. „Aber -" - „Louis, du wirst ein guter Vater, mach dir nicht so viele Sorgen. Du schaffst das. Schau mal, alle deine Geschwister sind jünger als du und es ist so schön, dich mit ihnen zu sehen. Weißt du noch, als Ernest klein war? Wie du mit ihm immer Mist gebaut hast und trotzdem der beschützende große Bruder warst? Jetzt wirst du Vater, aber du wirst es genauso gut machen, wenn nicht besser." versichere ich ihm erneut, weiß aber, dass ich es noch einige Zeit lang wiederholen werden muss.

Louis war am Anfang ganz und gar nicht davon begeistert, dass ich die Idee hatte, ein Kind zu adoptieren. Ich wusste zunächst nicht so ganz den Grund dafür, denn er hat immer beteuert, dass er keine Zeit dafür hat, dass es zu früh ist und dass wir uns doch gar nicht so um das Kind kümmern können, wie es verdient hätte. Irgendwann habe ich dann herausgefunden, dass er eigentlich die ganze Zeit Angst hatte und auch immer noch hat, kein guter Vater zu sein, nicht genug zu sein und Fehler zu machen.

Ich weiß, dass wir erst noch lernen müssen, Eltern zu sein, aber hey, alle Eltern wussten doch am Anfang nicht so ganz, was sie tun müssen und trotzdem hat es funktioniert, meistens jedenfalls. Irgendwann hat Louis dann eingewilligt, ich war erst nicht sicher, ob er es nur macht, um mich glücklich zu sehen, oder ob er es auch wirklich will, weswegen es dann noch eine Weile gedauert hat, bis wir das erste Mal das Jugendamt kontaktiert haben. Das war vor gut zweieinhalb Jahren und nach etlichen Test dürfen wir morgen Dylan abholen.

Seine Mum ist bei der Geburt gestorben und sein Vater ist gar nicht erst im Krankenhaus aufgetaucht. Niemand weiß wirklich, wer er ist. Er war wohl einmal kurz da, hat die Papiere zur Adoptionsfreigabe unterzeichnet und ist direkt wieder abgehauen. Dylan ist jetzt ein halbes Jahr alt und kennt uns seit guten fünf Monaten. Wir waren erst oft im Heim, dann war er mit zwei Erzieherinnen bei uns zu Besuch und seitdem Louis vor vier Monaten erst einmal kürzer getreten ist, war er mindestens dreimal die Woche hier.

Wir haben auch schon im Heim übernachtet, mehrfach und seit vier Wochen steht fest, dass wir ihn in unsere Familie aufnehmen dürfen. Als wir dort waren, was ich nervöser als Louis, jetzt ist es genau andersherum. Auch, wenn er mich fast wahnsinnig macht, sehe ich doch, wie sehr es sich inzwischen freut. Es ist wundervoll.

Abends genießen wir unsere letzte Zeit ohne Baby im Haus und Louis bringt mich abermals zum Schreien. Niall hat schon angekündigt, den Kleinen zu nehmen, falls wir es irgendwann nicht aushalten, aber ich bezweifle eigentlich, dass es schnell so weit kommen wird. Dylan hat Louis und mich sofort um seinen Finger gewickelt und wenn er im Raum ist, ist sowieso alles andere uninteressant.

Am nächsten Morgen fahren wir früh los. Die Erzieherin von Dylan kommt heute noch mit, aber abends wird es dann das erste Mal sein, dass wir mit dem kleinen alleine sind und keine ausgebildete Fachkraft uns zur Seite steht und uns helfen kann. Gut, wir können immer anrufen, wenn etwas ist und zur Not kommt auf sofort jemand, aber trotzdem ist es aufregend, spannend.

Wir ziehen uns an und frühstücken noch in Ruhe. Kurz danach geht Louis zur Haustür und greift nach einem Autoschlüssel. „Dein Ernst?" Irritiert blickt er mich an. „Was?" - „Wir nehmen garantiert nicht den Oldtimer." sage ich sofort und schüttle den Kopf. Er hängt den Schlüssel weg und ich schnappe mir den des schwarzen Wagens, der erstens, deutlich sicherer, und zweitens, unauffälliger ist.

Dylan grinst, als er uns sieht, brabbelt irgendetwas und streckt seine kleinen Arme augenblicklich nach Louis aus. Er ist hin und weg und nimmt seinen Sohn sofort auf den Arm. Ich spreche derweilen mit der Beauftragten des Jugendamtes, sowie mit seiner Erzieherin. „Harry du fährt gleich. Ich sitze hinten." gibt Louis mir dann Bescheid und reicht mit den Autoschlüssel. Ich verdrehe die Augen, sehe die beiden aber lächelnd an und fange für einen Augenblick an zu träumen.

Ihm jetzt zu widersprechen, würde sowieso zu nichts führen und außerdem liebe ich das Bild, was sich mir gerade bietet. Ich gehe zu den beiden und drücke Louis einen Kuss auf die Wange, er grinst noch mehr und Dylan streckt die Hände nach mir aus, um sie auf meine Locken zu patschen, als Louis ihn etwas höher hält. Dann fällt sein Blick auf die Kette um meinen Hals und er greift nach dem Papierflieger.

„Ich liebe dich, mein Engel." murmelt Louis und sieht mich kurz an, bevor er zu Dylan blickt. „Und dich auch, kleiner Teufel."

Den Spitznamen wird unser Sohn nicht mehr los. Manchmal passt er sogar tatsächlich ganz gut, aber Louis sagt es immer mit so einer liebevollen Art, dass es wohl kaum jemand wörtlich nehmen würde. Und wie sollte es anders sein, das erste was Louis ihm Zuhause zeigt, ist ein Fußball. Ich schätze zwar, es ist ihm ziemlich egal, dass alle Spieler der Doncaster Rovers darauf unterschrieben haben, aber Louis meinte, er sollte direkt lernen, was gut ist.

Zum Glück wird Dylan mit zunehmendem Alter auch Fan dieser Mannschaft, ich will gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn er plötzlich einen anderen Verein gut gefunden hätte. Und Louis ist ein großartiger Vater, wie sollte es auch anders sein. Dann bekommen wir einen Hund, ein Wunsch von mir, und Dylan und Louis schenken ihn mir an Weihnachten zusammen, aber das ist eine andere Geschichte.

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Love, L

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