Notlügen

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„Hey, uh kann ich ihnen helfen?" kam es von dem Mann gegenüber. „Wissen sie zufällig wie lange dieser Wanderweg noch ist? Ich laufe nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit hier rum, und es scheint noch immer kein Ende in Sicht."
Er schmunzelte, und schaute auf seine Apple Watch. „Hmm noch etwa 1,5 Kilometer bergauf, und dann 2 Kilometer bergab." sagte er, während er sich umsah. Er schien sich hier ja richtig auszukennen.
Nun musste auch ich schmunzeln.
„Ah okay, vielen Dank für die Info."
ich war kurz davor weiter zu wandern als er mein Laufen unterbrach. „Hey uh darf ich dich vielleicht begleiten? Ich will ja nicht, dass du mir hier noch irgendwo umkippst." fragte er mit einem verlegenen Grinsen auf den Lippen. Ich war von dem duzen ein wenig überrascht, aber mit "sie" werde ich sowieso nicht gerne angesprochen. „Ja klar, wieso nicht." ich grinste aus Freundlichkeit zurück. Eigentlich wollte ich ja meine Ruhe haben und die Stille genießen, aber ich schätze ein wenig Gesellschaft schadet mir nicht.
Und so wanderten wir los.

„Du scheinst das hier öfter zu machen, kann das sein?" fragte ich ihn, um irgendwie ein Gespräch anzufangen. Daran bin ich nämlich nicht ganz so gut.
„Ja sehr oft sogar, ich wohne hier gleich am Tegernsee und bin sehr gerne in der Natur."
Irgendwie kam mir seine Stimme bekannt vor, sie hörte sich so vertraut an. Ich konnte sie nur noch nicht richtig einordnen, und sein Gesicht konnte ich durch die riesige Sonnenbrille auch nicht erkennen.
„Und du? Woher kommst du?" fragte er mich.
>>Oh Gott. Ich kann dieser quasi wildfremden Person doch nicht jetzt schon von meinen Depressionen und meiner Therapie erzählen.<<
Also musste schnell eine Notlüge her.
„Also ich bin uh Polizistin. In München um genau zu sein. Ich bin eigentlich nicht oft in den Bergen am wandern, aber im Moment ist es echt stressig, deswegen dachte ich das ist die beste Lösung um etwas runterzukommen." >>Nailed it.<<
Er scheint es mir geglaubt zu haben.
Nachdem wir uns schon eine Weile unterhalten hatten, fiel mir auf, dass ich seinen Namen noch garnicht wusste.
"Sag mal, wie heißt du eigentlich?
Er brauchte ein bisschen um zu antworten, aber irgendwann sagte er dann:
"John. John Alter.", und grinste mich an.
Ich musste lachen. "Schön dich kennenzulernen, John."

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