Altes Wiedersehen - OceanAward

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„Du hast zu viele Hai-Filme geschaut.", versuchte eine junge Frau, die ihr lockiges, braunes Haar hochgebunden hatte, in lustigem Ton einen ihrer Kollegen etwas abzulenken. Dieser brachte tatsächlich ein schiefes Grinsen zustande und wandte seinem Blick vom Fenster ab. Sie waren gerade gestartet und sanken nun langsam mit dem Tiefseetauchboot hinunter in die dunklen, unerforschten Tiefen des Marianengrabens. „Ich mag keine Haie, Maya.", sagte er bestimmt schon zum tausendsten Mal. Seine schlammgrünen Augen durchbohrten dabei ihre dunkelbraunen Augen.

„Warum ist er überhaupt mit uns hier? Er ist noch nicht einmal Meeresbiologe.", mischte sich ein anderer ein, dem es offensichtlich nicht in den Kram passte, im selben Raum, wie er zu sein. Er war kräftig gebaut, hatte dunkelblondes, kurzes Haar und leuchtend blaue Augen. „Weil unser Boss der Meinung war, dass es ganz gut sei, wenn wir auf ungewöhnliches stossen. Was auch immer er damit gemeint hat.", erklärte nun der Teamleiter, der schon einige Jahre auf dem Buckel hatte und die grauen Haare die braunen überwogen. Auch in seinen braunen Augen konnte man lesen, dass er schon einiges erlebt hatte.

„Josh, du kritzelst am besten wieder in dein Tagebuch. Wir informieren dich, wenn wir dich brauchen.", wandte der Teamleiter sich dem jungen 35-jährigen Mann zu. Josh nickte, guckte aber demonstrativ aus dem Fenster, weil er nicht der Schwächling sein wollte und es ihn trotzdem interessierte, während er sich durch die schwarzen Haare fuhr. „Walter, sollen wir das Speziallicht anmachen?", fragte Maya, die aufmerksam nach draussen schaute, den Teamleiter. Um sie herum wurde es immer dunkler, je tiefer sie ins Meer sanken.

Heute hatten sie endlich die Erlaubnis bekommen, den Marianengraben tiefer zu erforschen und alle waren angespannt. So lange hatten sie alle in ihrer Überwasser-Station für diesen Moment trainiert. „Nein, noch nicht.", war alles, was er dazu sagte, bevor er alle Sensoren und Displays sorgfältig überprüfte. Nichts durfte schief gehen, zu wichtig war diese Mission.

„He, Dino-Archäologe, da ist ein Hai!", rief der 40-jährige, dem es nicht passte, dass Josh dabei war. Josh zuckte ängstlich zusammen, entspannte sich aber, als er sah, dass es gelogen war. „Sehr witzig, Brad.", warf Josh ihm böse Blicke zu. „Und es heisst Paläontologe! Aber das wüsstest du, wenn sich ein Hirn hinter deiner riesigen Stirn befände."

Maya konnte nicht anders und lachte laut, als sie dies hörte. „Pff.", rollte Brad mit den Augen. „Also sag mir, wieso du hier bist. Du befasst dich doch sowieso nur mit den Toten." Dass Brad Josh nicht mochte, wusste jeder. Nur kannte niemand den Grund. „Weil man nie wissen kann, auf was wir treffen.", schaltete sich Maya ein, weil sie es nicht mochte, wenn die zwei sich stritten. „Halt die Schnauze, Maya. Bei dir wissen wir, dass du bloss wegen deines Daddys hier bist.", giftete Brad sie an.

Dies genügte ihr und sie ging geradewegs auf ihn zu, packte seine Hand, drehte ihn um und drückte sie unangenehm gegen seinen Rücken, seinen Kopf gegen die Wand gepresst. „Lass deine Wut woanders raus. Und nur dass du es weisst: mein Vater hat alles daran gesetzt, dass ich nicht ins Team gewählt werde!", zischte sie aufgebracht. „Beruhigt euch, sonst werfe ich euch augenblicklich raus!", schrie Walter genervt.

Maya liess von Brad ab und machte sich wieder an ihre Aufgabe, so wie alle anderen auch. „Schlimmer als im Kindergarten.", murmelte Walter mit einem langen Blick zu seiner Crew. Er fuhr noch einmal über das Bild, das am Sicherungskasten aufgehängt war, wie um es zu ehren. Auf diesem Bild waren die zwei Männer abgebildet, die im Jahre 1960 als erste Menschen auf dem Meeresboden des Marianengrabens angekommen waren. Jacques Piccard und Don Walsh.

Sie waren nun so tief, dass das Licht von der Oberfläche nur noch ein kleiner Punkt war und die Dunkelheit das Boot langsam in sich aufnahm. „So tief und dunkel, dass kein Sonnenlicht ihn je erreicht.", sprach Walter und hatte die gesamte Aufmerksamkeit.

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