Das Haus Nobles

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Ich öffnete meine Augen leicht. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Wie spät war es? Ein kleiner Blick auf die kostbare, mit Gold veredelte Uhr sagte es mir. 07:14. 07:14!!! Schnell sprang ich aus meinem Bett, packte das Kleid, das mir Madame Luise hergerichtet hatte, lief ins Bad und machte mich fertig. In einer Windes Eile stürmte ich die Treppen runter, stoppte dann aber vor einer Tür und klopfte an. "Herein.", dröhnte es nur von innen und die Stimme sagte schon aus, wie erfreut mein Vater über die Verspätung war. Ich strich mir die letzte Falte aus dem Kleid und öffnete die Türe. "Guten Morgen, Vater." Ich setzte das schönste Lächeln auf. "Zu spät.", brummte er nur. Ich nickte. Dann begrüßte ich auch meine Mutter und meine perfekte kleine Schwester. Nachdem mir die Erlaubnis erteilt wurde, setzte ich mich an den Tisch. Es war nun 07:39. Ich war nur neun Minuten zu spät gewesen!

"Kelyan kommt heute, Mutter. Ich wollte um Erlaubnis fragen, ob ich mit ihm zu den königlichen Gärten spazieren dürfte.", sagte meine Schwester Lauranne höflich. "Natürlich, Liebes.", antwortete meine Mutter, sah ihren Mann aber nochmal fragend an. Als er aber nichts mehr sagte, lächelte sie ihr zu. "Wieso läufst du nicht mit, Rosetta? Vielleicht triffst du seine Majestät.", fügte sie hinzu. Ich sah von meinem Frühstücksteller auf. Nein! Ich will den Prinzen nicht treffen! Meine Eltern versuchten nun schon seit einem Jahr, dass ich in die engere Auswahl der Bräute des Prinzen kam. Aber das konnten sie vergessen. Ich würde niemals einen so hochnäsigen Schnösel heiraten. Und schon gar nicht so früh. Ich war erst 17 Jahre alt. Nur weil meine kleine Schwester schon einen adeligen Freund mit 14 Jahren hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich zu spät dran war. "Ich muss noch die Rede für die Ansprache nächste Woche schreiben, tut mir leid.", redete ich mich raus. Es war nicht wirklich eine Ausrede gewesen, denn ich hatte bis auf "Meine Damen und Herren, ..." noch kein Wort geschrieben. Ich sollte am Ball vom Prinzen diese Rede vorstellen, danach würde er die engere Auswahl der Bräute auswählen. "Stell dich nicht so an!", brüllte mein Vater. Wir alle zuckten zusammen. Herzog Mathieu war ein sehr impulsiver Mann, aber seit die Hochzeitspläne des Prinzen bekannt waren, wirkte er schon fast aggressiv. "Entschuldigung, Vater.", sagte ich nur leise.

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Nach dem Mittagessen zog ich mich in mein Zimmer zurück. Wenige Minuten später klopfte Madame Luise an. "Die Herzogin bat mich, Ihnen beim Ankleiden zu helfen." Ich nickte nur und ließ sie in mein Ankleidezimmer gehen. Dieser ganze Kleiderwechsel hatte mich schon als kleines Kind aufgeregt. Warum musste zu jedem Anlass was anderes angezogen werden? Die Kleidungsetikette schrieb sogar vor, welche Farben zu welchen Mahlzeiten angezogen werden. Am Morgen zog man pastellfarbene und freundliche Kleider an, mittags dann strahlende und auffällige Kleidung und am Abend schlichte, deckende Farben. Ich streifte mein Mittagskleid ab und warf es in den Wäschekorb zu den anderen Sachen. "Welches finden Sie denn schöner, Lady Rosetta?", fragte die alte Dienstdame und streckte ein hellblaues und ein dunkelblaues Kleid aus der Tür. "Das hellere. Und bitte nenn mich Rose. Einfach Rose, okay?" Ich hasste meinen Namen und diese ganzen Anhängsel konnte ich sowieso nie verstehen.

Während die Dienstdame mir die Haare leicht flechtete, schminkte ich mich ab. Falls ich dem Prinzen wirklich begegnen würde, dürfte ich kein starkes Make-up tragen und meine Haare dürften nicht hoch gesteckt sein. Da meine Familie ja fest davon ausging, dass ich ihn treffe, musste ich perfekt aussehen. Luise band mir das Korsett mit aller Mühe zu. Sie hatte sich schon seit ich mich erinnern konnte um mich gekümmert. Ihre Dienste für die Familie Nobles begannen wohl schon zu Vaters Jugendzeiten. So alt sah sie aber noch gar nicht aus. Ihr rabenschwarzes Haar war zu einem strengen Dutt zusammengebunden, sie trug ein hübsches, gemustertes Kopftuch und trug nur leichtes Make-up. Das einzige, was auf ihr Alter hinwies, war eine Falte, die ihre Stirn zeichnete. Sie war mir mehr eine Mutter als es die Herzogin war. Das war schon immer so gewesen. Meine Mutter hatte nie Zeit für mich und als sie bemerkt hatte, was sie alles bei mir verpasst hatte, versuchte sie es bei Lauranne wieder gut zu machen. Sie wurde wie eine Königin behandelt, während ich nur das misslungene, ältere Kind, das am Rand stand, war. So kam es mir zumindest immer vor. Madame Luise aber hatte keine andere Familie außer uns und war froh über jeden von uns. Sie behandelte uns alle gleich, hatte keinen Liebling und war einfach zu jedem nett und höflich.

"Ist es Ihnen so recht?", fragte mich die Frau. "Ja, danke, Luise." Ich betrachtete mich im Spiegel. Das hellblaue Kleid schmiegte sich an meine Haut und die Farbe spiegelte sich in meinen Augen wieder. Mein rotes Haar fiel mir leicht über die Schultern und die Edelsteine unter den Augen, die den Rang einer jeden adeligen Frau zeigten, schimmerten im Sonnenlicht. Ich hatte zwei große unter jedem Auge, das bedeutete ich war vom ranghöchsten Adel, abgesehen von der Königsfamilie mit drei Edelsteinen. Diese Tradition mochte ich sehr. So wusste ich immer, wie ich mich zu verhalten habe. Rangniedrigere Familien durfte ich nicht mit einem Knicks begrüßen, bei Ihnen reichte eine leichte Kopfneigung, bei Familien des selben Rangs machte man einen Knicks bis auf Brusthöhe und bei der Königsfamilie eine Verbeugung bis auf Bauchhöhe, die mehr als fünf Sekunden gehalten werden musste.

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Ich schritt aus meinem Zimmer. Die Wände waren geschmückt mit Bildern unserer Vorfahren. Das Haus Nobles erstreckte sich schon über mehr als 1000 Jahre. Ich gehörte zur 12. Adelsgeneration. Mein Vater erzählte immer wieder stolz, wie die Familie Nobles von einer armen Bauernfamilie zu so einem Reichtum gekommen war. Marianne, die Frau, die das alles erreicht hatte, entschied sich schon als kleines Bauernmädchen ein Haus wie kein anderes aus dieser Familie zu machen. Sie arbeitete hart und zum Dank schenkte ihr unsere magische Welt ein magisches Kind. Es gab schon damals viele Myten darüber, doch sie galten als Märchengeschichten. Magische Kinder verfügten über magische Fähigkeiten. Sie waren immer unterschiedlich und einzigartig. Marianne gebar ein Kind, dass aus Beeren reine Goldstücke machen konnte. Trotzdem holte sich unsere Familie nur wenig Reichtum mit der Gabe. Meine Vorfahren waren nie gierig gewesen und mit viel Arbeit kämpften sie sich in den hohen Adel. Neben drei weiteren Familien zählten wir zu den mächtigsten im ganzen Land.

"Kommst du, Rose?", fragte mich meine Schwester, während sie die Treppen hinunter ging. Ich nickte und kam ihr hinterher. In der Eingangshalle stand Kelyan, Laurannes Freund, mit seinem Diener. Als er uns erblickte, machte er eine Verneigung. Seine Familie stand unter unserem Rang, gehörte aber zu den ältesten Häusern. Wir beide neigten unseren Kopf. Als die Förmlichkeiten getan waren, stürmte Laura zu ihrem Freund. Sie umarmten sich, doch als meine Schwester unseren Vater sah, begab sie sich wieder in den angemessenen Abstand. "Viel Spaß.", sagte er und blickte mich danach scharf an. Damit war klar, dass ich es heute nicht vergeigen sollte, obwohl noch nichtmal fest stand, dass ich dem Prinzen überhaupt begegnete.

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