Die Rede

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"Du hast was getan?!", brüllte mich mein Vater an. "Nur was du und Mutter gesagt haben.", antwortete ich leise und bereute sofort, dass ich meine Zunge nicht zügeln konnte. Der Herzog wandte sich von mir ab. Mit einem lauten Krachen schloss er die Tür zu seinem Büro. Ich zuckte zusammen. "Auf dein Zimmer, wir sprechen später.", befahl meine Mutter und tat es ihm nach. Na toll. Das hatte ich jetzt von meinem Verhalten. Langsam trotzte ich die Treppen hinauf. Was hatte mich nur geritten, den Prinzen so herauszufordern? Aber eines war nun klar, er würde mich niemals heiraten. Zu meinem Glück. "Soll ich Ihnen beim Umkleiden helfen?", fragte mich Madame Luise höflich. Ihr Lächeln war noch breiter als sonst. Sie hatte bestimmt den Streit mitbekommen. Ich nickte.

"Darf ich fragen, was passiert war?", kam von der Dienstdame, während sie mir das Kleid aufknöpfte. Ich erzählte ihr von der Begegnung mit Prinz Jona. Sie war nicht wie meine Eltern, sie schrie nicht rum oder schickte mich aufs Zimmer. Sie hörte einfach nur zu.

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Am nächsten Morgen wachte ich mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Dieses Mal pünktlich. Ich schlenderte ins Bad, zog das Kleid an, das mir Madame Luise hingelegt hatte und richtete mein Make-up. Es war ein normaler Morgen. Selbst der Streit gestern machte nichts aus. In letzter Zeit wurde nur noch mit mir geschimpft. Bevor ich aus meinem Zimmer ging, blickte ich nochmals auf den schön verzierten Schreibtisch. Die Rede lag dort immer noch. Nicht weiter geschrieben. In fünf Tagen musste ich sie vortragen. Auch wenn jetzt fest stand, dass der Prinz mich niemals in seine engere Auswahl wählen wird. Zum Glück.

Ich klopfte an die Tür des Frühstücksaals. Es war 07:25. "Herein.", kam von meinem Vater. Ich begrüßte meine Familie, wie ich es jeden Tag tat. Wir aßen gemeinsam mit den selben Gesprächsthemen wie schon die Tage zuvor ohne auf den Streit gestern einzugehen. Nur mit Blicken sagten mir meine Eltern, dass ich das mit der Rede wieder gut machen musste. "Wir werden heute unterwegs sein. Bis wir wieder da sind, erledigt ihr bitte eure Aufgaben.", sagte meine Mutter. Die einzige Aufgabe meiner Schwester war es, die Anstandsregeln weiter auswendig zu lernen. Meine war deutlich schwerer. Ich musste diese Rede fertigstellen.

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"Kannst du mir nicht bitte helfen?", bettelte ich meine Schwester an. "Tut mir leid. Ich will mich nicht einmischen." Damit schloss sie die Tür zu ihrem Zimmer. Eigentlich sollte ich wütend sein, aber ich konnte sie verstehen. Sie wollte ihr perfektes Verhältnis mit unseren Eltern nicht riskieren. Ich würde genauso reagieren. Nur leider war ich nicht das perfekte, liebe Kind. "Shit.", fluchte ich und hielt mir sofort die Hand vor den Mund. Ich war eine Nobles! Wir durften uns solche Kommentare nicht erlauben. Außerdem hatte es nichts mit dem Rang zu tun, wie man sich auszudrücken hat. Alle Bauern, die höflich redeten, waren mehr wert als all die Idioten im Adel. Nur leider zählte in unserem Land nur der Rang und die damit verbundene Macht. Sollte ich das vielleicht in der Rede ansprechen? Schließlich hörten sehr viele mächtige Menschen zu. Wenn ich sie von meiner Meinung überzeugen könnte, könnten sie etwas ändern. Außerdem würde ich dann indirekt die Königsfamilie anzweifeln und die Chance in die engere Auswahl zu kommen wäre noch geringer.

Ich setzte mich entschlossen an den Tisch. "Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine Ehre vor Ihnen sprechen zu dürfen. Ich möchte über ein wichtiges Thema reden und bin den königlichen Hoheiten sehr dankbar für die Chance mich hier zu äußern.", schrieb ich. War das zu unhöflich? Oder sollte ich die Königsfamilie anders ansprechen? Bei den Göttern, ich konnte sowas einfach nicht. Ein kleiner Vogel kam ans Fenster geflogen. Seine drei dünnen Schwänze wehten im Wind, während er mich aufmunternd ansah. Ich wusste nicht genau, ob es stimmte, doch ich hatte mal gelesen, dass diese Tiere zu den magischen Lebewesen zählten. Genau wie die magischen Kinder oder die Heilpflanzen aus denen wir unsere Medizin machten. "Kannst du mir eine Rede zaubern?", fragte ich und lächelte ihn an. Er legte den Kopf schief als würde er mir sagen, leider nicht, und flog dann in den weiten Himmel. "Bla bla bla", dachte ich nur, während ich weiterschrieb. So etwas würde ich natürlich niemals aussprechen, doch denken durfte ich, was ich wollte. Niemand konnte mir befehlen nach Etikette zu denken. Zum Glück.

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