Verbunden mit der Natur

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Es war kaum die Sonne aufgegangen, als Vianney vor dem Zelt wartete bis ich mich angezogen hatte. In der Nacht hatte ich es nicht gewagt mein Tuch und die Mütze abzunehmen, natürlich konnte ich deshalb auch nicht sonderlich gut schlafen. Vielleicht lag es aber auch ganz einfach daran, dass ich ein Himmelbett gewöhnt war.

Gemeinsam gingen wir zum nahe gelegenen Fluss und wuschen uns. Ich war erstaunt, wie höflich Vianney war. Er sah weg, wenn ich mich auszog und fragte, ob er es mir irgendwie angenehmer machen konnte. Vielleicht lag es daran, dass ich ihn nicht duzen wollte. Aber irgendwie konnte ich mir das auch nicht vorstellen. Es lag ihm nichts an mir. Oder? Ich war ein Auftrag, ein Mädchen, das Hilfe brauchte. "Darf ich mich nun endlich umdrehen, Rose?", fragte der Junge. Ich brauchte wohl ziemlich lang um mich zu waschen. Zum Glück hatte ich die Badeprodukte aus dem Anwesen mitgenommen. "Ihr dürft.", antwortete ich und zog das Tuch über Nase und Mund. "Du kannst mir dein Gesicht schon zeigen. Ich kenne nicht mal die Königsfamilie.", sagte er, "Oder bist du aus deinem Adelsleben geflüchtet, weil du eine große Warze auf der Nase hast." Er schmunzelte. Das wäre bestimmt ein besserer Grund zu flüchten als Hochzeitspläne. Aber auch ich musste lächeln. "Was wenn das wirklich der Grund ist?" Ich stieg aus dem Wasser und trocknete meine Beine mit den alten Tüchern. Natürlich hatte ich die Reiterhose nur etwas hochgekrempelt. Selbst das wäre schon zu freizügig für Lady Rosetta gewesen. Doch diese war ich nicht mehr. Wenn ich in zwei Wochen wieder zu meiner Familie kam, würden sie mich nicht wieder erkennen. Die ganze Maske war gebrochen, nun trug ich eine, die mir gefiel. Es war noch immer eine Maske, nicht mein wahres Ich, doch es war ein erster Schritt dorthin.

"Warum habt Ihr mich eigentlich so früh aufgeweckt?", fragte ich auf dem Weg ins Dorf. Vianney runzelte die Stirn, er schien zu überlegen. "Ich weiß nicht warum, aber ich wollte dich nicht alleine lassen und habe mich über Gesellschaft bei meinem ersten Rundgang gefreut." Ich wusste nun, was diese Leichtigkeit, die er ausstrahlte, wirklich war. Es war Ehrlichkeit. Bisher sprach er all seine Gedanken aus. Er konnte seine Gefühle verstecken, wenn er wollte, doch er blieb immer ehrlich. Sagte immer, was in seinen Kopf kam. Ich konnte es noch gar nicht greifen. Adelige sprachen nie über Gedanken und Gefühle außer es wurde befohlen oder passte zur Kommunikationsetikette. Doch es war schön einer ehrlichen Person gegenüber zu stehen. Vielleicht war es nicht schlecht, hier im Dorf zu bleiben, bei Vianney. Auch wenn ich es nicht gern zugab, ich konnte von ihm lernen.

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Wir schritten durch das Tor und der Lärm des Dorfes strömte in meine Ohren. Ich sah die Bewohner ihren Alltag beginnen. Die Kinder steuerten alle ein gelb gestrichenes Gebäude an. Eine kleine Schule. Wenigstens etwas Bildung für die ärmere Bevölkerung. Ich musste lächeln. In meiner Rede hatte ich auch erwähnt, wie man die Armen unterstützen könnte. Es waren nur sehr kleine Dinge, denn ich wollte den Adel nicht abschrecken, doch selbst diese Vorschläge machten ihnen Angst. Niemand wollte den Wohlstand teilen. "Komm, Adelsmädchen. Wir haben was zu tun." Vianney riss mich aus meinen Gedanken und noch bevor ich ihn fragen konnte, was er vor hatte, packte er mich am Arm und zog mich mit sich.

Er rannte durch ein paar Gassen, wenige kamen mir bekannt vor. Wir huschten am Lebensmittelladen vorbei, ohne dass er mich einen Blick darauf werfen ließ. Ich stolperte einige Male, doch er zog mich nur hoch und rannte weiter. Erst als wir am anderen Ende angekommen waren, stoppte er. Ein kleiner Junge, vielleicht acht oder neun, stand an der Wand, um ihn herum zwei Männer. Der eine knöpfte seine Hose auf, während der andere den Jungen festhielt. Ich konnte gar nicht fassen, was ich da sah. Vianney ließ mich los und ging mit festem Schritt auf die Männer zu. Ich folgte ihm etwas zögernd. Die beiden sahen echt bedrohlich aus. Sie waren bestimmt doppelt so alt wie ich. Schwach waren sie auch nicht. Egal wie sehr sich der Junge wehrte, er kam nicht frei. "Hey!", rief Vianney, seine Schritte wurden schneller. Auch ich ging ihm hinterher, meine Hand griff das Messer in meiner Tasche. Die Männer drehten sich zu uns, bedrängten den Jungen aber weiter. Ich konnte kaum hinsehen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 24, 2022 ⏰

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