4. Kapitel

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Gretchen und ich unterhalten uns nun schon den ganzen Nachmittag über die verschiedensten Themen und Zukunftsaussichten, unterbrochen mit den schönsten Küssen zwischendurch. Sie hat mir erzählt, dass sie unbedingt aus ihrem kleinen Dorf wegmöchte wenn sie älter ist und in ein eigenes Haus auf dem Marktplatz von Weimar einziehen möchte.
Ich habe mir schon einen Plan überlegt, wie ich sie möglichst bald zu mir holen kann, damit wir zusammenleben können.
Es könnte nicht perfekter zwischen uns laufen und ich glaube, ich habe mich noch mehr in sie verliebt als ich es sowieso schon bin.
Gerade als wir uns wieder geküsst haben und ich mich voller Vorfreude mit ihr ins Gartenhäuschen begeben möchte, geht auf einmal die Tür zu Marthes Haus auf.
Mephisto steht im Türrahmen und sieht uns an.
Ich werde sofort unglaublich wütend und will schon aufstehen um ihn anzubrüllen, da ich denke, dass er wieder genauso eine lahme Ausrede wie gestern haben wird, um mich an irgendeinem Grund an meinem Vorhaben zu hindern.
Auch Gretchen klammert sich augenblicklich an meinem Arm und scheint erneut seine unmenschliche Aura zu spüren.
Ich will schon losdonnern, als er mir zuvorkommt und schnell sagt:
" Gretchens Mutter wird bald hier sein. Wir müssen gehen wenn ihr nicht wollt, dass sie euch zusammen sieht."
Ich blicke in Gretchens weit aufgerissene Augen und nehme ihre Hand. Ich bin so furchtbar enttäuscht, heute war ich meinem Ziel schon so unglaublich nahe!
Ich will mich schon zu ihr drehen um ihr zu sagen wie enttäuscht ich bin, als sie sagt: " Heinrich, ich halte es nicht aus, dich nun den ganzen Tag nicht mehr zu sehen! Komm heute Abend zu mir, bitte! Dann können wir weiterreden."
Ich will schon freudig zustimmen, als mir wieder einfällt, dass ihre Mutter auch dann da sein wird.
Doch als hätte Mephisto meine Gedanken gelesen, kommt er auf einmal mit großen Schritten auf uns zu und gibt mir ein Fläschchen. Ich verstehe sofort, was sich darin befindet.
" Tropfe deiner Mutter heute Abend drei Tropfen in ihren Abendtee, dann wird sie schlafen und und wir sind sicher ungestört."
Sie sieht mich mit großen Augen an und blickt dann zu Mephisto, als ob sie unsicher wäre, ob sie das Fläschchen annnehmen sollte, da es von dem stammt dem sie offensichtlich nicht vertraut.
Doch als ich beruhigend ihre Hand nehme und ihr zunicke, scheint sie zu verstehen dass sie ihm vertrauen kann da ich damit einverstanden bin.
Ich gebe ihr das Fläschen und will sie nochmal an mich ziehen, als Mephisto erneut sagt:
" Wir müssen los. Sie wird jeden Moment hier sein..."
Schweren Herzens gebe ich meinem Gretchen noch einen Kuss und sehe aus dem Augenwinkel, wie sich Mephisto wegdreht.
Dann drehe ich mich mit klopfendem Herzen zu meinem Gefährten um und wir verlassen schnell das Haus.
Auf einmal erfasst mich ein starker Wind und ich muss die Augen zukneifen. Als ich sie wieder aufmache, stehe ich auf einmal am Rande vom angrenzenden Wald und sehe die Siedlung, in der wir gerade noch waren, nur noch weit entfernt.
Es dauert nicht lange, bis ich realisiere, dass Mephisto seine außerweltlichen Kräfte benutzt haben muss, um uns so schnell wie möglich von Gretchens Mutter und leider auch von ihr wegzubringen.
Doch wo war er? Ich sehe den Teufel nirgends. Mittlerweile bin ich seine Anwesenheit mit seiner ungewöhnlichen Aura schon so gewohnt, dass ich seine Abwesenheit komischerweise sofort spüre und sich ein kleines Gefühl von Leere in mir ausbreitet.
Doch dann verschwindet es kurze Zeit später wieder und ich höre Schritte. Oder... sind das Hufe? Als ich mich umdrehe, sehe ich auf einmal ein pechschwarzes Pferd aus dem Wald traben.
Doch als ein solches kann man es eigentlich nicht einmal bezeichnen, da es so groß und muskulös ist, dass es eher einem Bullen gleicht.
Es trabt direkt auf mich zu, doch komischerweise habe ich keine Angst, da ich genau weiß, dass mich die Person in dem Körper des Pferdes nie verletzen würde.
Zumindest nicht, bis er seinen versprochenen Gewinn durch den Pakt bekommen wird.
Ich bin sprachlos beim Anblick von diesem schönen Tier.
Es kommt vor mir zu stehen und bedeutet mir mit dem scharren der Hufe, dass ich mich auf seinen Rücken setzen soll.
Ich zögere. Auch wenn er mich nicht verletzen würde, ist es doch der Teufel und definitiv nicht zu unterschätzen. Was verspricht er sich von diesem Ausflug?
Noch während ich nachdenke, bäumt sich das Pferd auf und als es wieder zum stehen kommt, sehe ich Ungeduld in den schwarzen Augen des Tieres. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll wäre, mit einem Pferd zu sprechen, deshalb schüttle ich einfach alle meine Zweifel ab und fange an, auf seinen breiten Rücken zu steigen.
Noch während ich aufsteige, spüre ich die unzähligen Muskeln und die seidige Haut des Tieres.
Unwillkürlich frage ich mich, ob der Teufel in seiner echten Gestalt sich wohl genauso anfühlen würde, wenn ich ihn berühren würde.
Doch was denke ich da?! Ich bin erschrocken über meine eigenen Gedanken und hoffe aus tiefstem Herzen, dass Mephisto im Moment nicht auch noch meine Gedanken liest. Wie sollte ich das erklären?
Doch da er keinerlei Anzeichen dafür zeigt, beruhige ich mich damit, dass er bestimmt seinen eigenen Gedanken nachjagt und auch bestimmt nicht an den Gedanken von mir interessiert ist, die nichts mit seinen Plänen zu tun haben.
Trotzdem versuche ich sicherheitshalber, nicht mehr an diesen Gedanken zu denken und denke stattdessen über Gretchen nach. Wenn schon, dann sollte ich mir bei solchen Gedanken sowieso doch viel mehr Gretchen vorstellen!
Ich keuche erschrocken auf, als Mephisto plötzlich losrennt und ich muss mich an der Mähne des Tieres festhalten, sonst wäre ich wohl von seinem Rücken gefallen.
In atemberaubender Geschwindigkeit fegen wir über das Feld hinweg und ich kann das Gefühl nicht erklären, das ich bekomme, als ich meine Arme ausbreite und den Wind im Gesicht spüre.
Es ist ein ultimatives Freiheitsgefühl, das ich schon mein ganzes Leben lang gesucht habe, doch ich hätte nie gedacht, dass ich es ausgerechnet bei der Person finden könnte, die mich irgendwann ins Verderben stürzen wird.
Wenn Gretchen nicht wäre, überlege ich, könnte es gut sein, dass der Teufel in diesem Moment sein Ziel erreicht hätte denn ich fühle mich freier denn je während wir über die dunkler werdende Landschaft hinwegjagen und ich aus den Augenwinkeln nur die ganzen Farben des Herbstes wahrnehme.
Ich fühle mich so glücklich wie noch nie in meinem Leben, das mir so vorkommt, als hätte es eben erst begonnen.
Über all die Jahre in meinem Keller habe ich wohl vergessen, wie sich die frische Luft anfühlt und was es heißt, sich belebt zu fühlen.
Seltsamerweise spüre ich während unserem Ritt, der sich ewig anfühlt, auch eine besondere Verbindung zu Mephisto, und ich schaffe es nicht,  diese einzuordnen.
Als wir irgendwann wieder anhalten, es könnten Stunden oder Minuten gewesen sein, mein Zeitgefühl ist völlig verschwunden, ist es deutlich dunkler geworden und es geht auf den Abend zu.
Als ich schweren herzens vom samtigen Rücken des Pferdes absteige, bin ich selbst außer Atem, obwohl nicht ich, sondern Mephisto so schnell wie der Wind gerannt ist.
Seine Nüstern blähen sich ebenfalls auf, das einzige Anzeichen dafür, dass  das eben erlebte wenigstens ein bisschen anstrengend für ihn zu sein scheint.
Kurze Zeit später, als ich immer noch zu sprachlos bin, um irgendetwas zu sagen, sehe ich auf einmal einen Blitz  neben mir und der Teufel steht wieder in Menschengestalt vor mir.
Sein Haar ist zerzaust und sein weißes Hemd wurde vom Schlamm auf dem Feld verfärbt.
Er nimmt also Spuren von seiner verwandelten Form bei der Verwandlung mit in seine eigentliche Form, fällt mir auf.
Schließlich, als er sich den Staub von der Hose klopft, schaffe ich es endlich zu sprechen:
" Was... Warum hast du das gemacht?" frage ich ihn.
Er sieht kurz von seiner Hose zu mir auf, ehe er wieder damit fortfährt, sich zu entstauben.
" Ach ich dachte, ich mache dir nochmal eine letzte menschliche Freude in dieser Welt, bevor du dein Ziel mit Gretchen erreichst und ich dich so zu meinem ewigen Diener in der Hölle machen kann" sagt er leichthin mit einem sarkastischen Grinsen und geht dazu über, seine Schuhe abzuputzen.
Ich schlucke als ich mir seiner Worte bewusst werde, obwohl ich ja eigentlich schon die ganze Zeit wusste  was er mit mir nach unserer Abmachung vorhat.
Doch es trotzdem nochmal laut ausgesprochen von ihm zu hören, macht es trotzdem nochmal um einiges präsenter.
Als ich nichts sage, fährt er fort: " Na, hat's dir die Sprache verschlagen? Bekommst du Angst? Tja, zu spät mein Lieber. Du kannst nichts mehr rückgängig machen."
Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass ich ohne Mephisto auch nie Gretchen kennengelernt hätte, die mein Leben von Grund auf verändert hat. Deshalb beschließe ich, dass ich mein Schicksal im Jenseits gerne hinnehmen werde, wenn sich mein Leben auf der Erde dafür noch erfüllt anfühlen wird wenn ich es schließlich verlieren werde.
Das sage ich auch Mephisto, und er sieht mich nur an. Trotzdem komme ich nicht umhin, mir einzubilden, ein kleines Fünkchen Trauer und Bewunderung in seinen Augen zu vernehmen, das aber so schnell wieder verschwindet wie auch sonst seine üblichen Stimmungen.
" Dann lass uns gehen. Du hast heute Abend noch viel vor, richtig?" fragt er mich und wendet sich zum gehen.
Ich folge ihm weg vom Feldweg und gemeinsam gehen wir zurück zu Gretchen, um endlich mein Ziel erreichen zu können.
Trotz meiner Vorfreude auf den Abend spüre ich trotzdem noch dieses durch Mephisto hervorgerufene Freiheitsgefühl und frage mich, ob ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Doch ich verdränge diese Gedanken, als Mephisto, der es wahrscheinlich gar nicht erwarten kann, den Pakt endlich einlösen zu können und weg von der Erde zu kommen, mir zuruft, dass ich mich beeilen soll.
Also gehe ich weiter und versuche nicht darüber nachzudenken, dass ich dieses Freiheitsgefühl von vorhin wohl nie wieder in meinem Leben verspüren werde.

Mephausto ( Faust x Mephisto fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt