Erik Durm

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"Warum Erik, warum? Ich bin deine Freundin, verdammt! Warum kannst du nicht mit mir sprechen, bevor du so eine Entscheidung triffst?
Wie soll das gehen? Ich fang hier an zu studieren, ich kann nicht einfach weg. Das sind über 200 km, du kennst den Alltag eines Fußballprofis genauso gut wie ich. Wie soll das gehen Erik?" Ich konnte die Tränen nicht mehr halten und begann hemmungslos zu weinen.
Als er mich in den Arm nehmen wollte, wich ich zurück und starrte ihm ausdruckslos in die Augen.
Von einem Moment auf den anderen war das unendliche Glücksgefühl totaler Leere gewichen. Ich fühlte nahezu nichts mehr.
"Man Maila, lass mich doch wenigstens mal erklären! Ich gehe erstmal in die 2. Mannschaft. Die Drittligaspiele sind meist unter der Woche, das heißt, dass wir uns am Wochenende sehen können! Nach deinem Studium kommst du nach. Weißt du, was für eine Chance das ist, Karriere zu machen? Ich wäre Blöd, wenn ich jetzt noch bei Mainz unterschreiben würde!" Auch Erilk liefen nun erste Tränen über die Wangen. Ob er auch Angst hatte, dass das mit uns so zu Ende geht? Oder wars ihm eigentlich sogar ziemlich egal?
"Entscheide dich .." Langsam kamen doch Gefühle hoch. Ich war nicht wütend. Aber enttäuscht. Ich dachte immer, ich wäre meinem Freund wichtiger, als sein Erfolg. Aber falls ich mich da getäuscht haben sollte, wäre jetzt der Moment, das zu erfahren.
"Wie?" Verwirrt schaute er mich an.
"Entscheide dich Erik. Entweder ich oder Dortmund." Es tat weh diese Worte auszusprechen. Auch weil ich sah, dass mein Freund mit sich kämpfte.
"Es tut mir leid, der Vertrag ist schon unterschrieben." Nun lief auch ihm eine Träne die Wange hinunter.
Das war wie ein Schlag in die Magengrube. "Bringst du mich bitte nach Hause?"
"Aber Maila, ich ... Bitte!" Er klang richtig verzweifelt.
"Nein Erik. Bring mich jetzt bitte nach Hause!"
Schweigend gingen wir nebeneinander zu seinem Auto zurück. Auch auf der Fahrt sagte niemand etwas. Stumme Tränen liefen mir unaufhörlich übers Gesicht.
Als er er das Auto bei mir vor der Tür zum stehen brachte stieg auch Erik aus. Er nahm mich noch einmal fest in den Arm.
"Das war nie meine Absicht, Maila. Ich wollte nicht, dass das mit uns so zu Ende geht, das musst du mir einfach glauben. Ich danke dir von ganzem Herzen für diese wunderschöne Zeit. Ich werde in Dortmund auf dich warten und dich nie vergessen."
Ein letztes Mal blickte ich ihm in die Augen.
"Machs gut Erik, viel Glück." Als er mich küssen wollte drehte ich mich um und verschwand in mein Elternhaus. Kaum hatte ich die Tür zugeschlagen, ließ ich mich daran zu Boden gleiten und begann wie ein Schlosshund zu weinen.
"Hey Maus, was ist denn passiert? Komm mal her, wir kriegen das doch hin!" Meine Mutter versuchte, mich in den Arm zu nehmen.
"Man Mama, du hast doch keine Ahnung! ER GEHT NACH DORTMUND, verdammte Scheiße!"
Und schon war ich aufgesprungen und die Treppe hochgerannt, um mich in meinem Zimmer zu verbarrikadieren.
**********

Warum ich nun doch hier war? Gute Frage. Meine beste Freundin kann ziemlich überzeugend sein. Sie hatte solange gebettelt und gefleht, bis ich zum 5. Semester meines Studiums an die Uni Dortmund wechselte.
Bevor ich meine Sachen überhaupt hatte auspacken können, hatte sie mich in ein Durm- Trikot gestopft und zum Revierderby auf die Süd gestellt. Und sobald das ganze Stadion anfing zu singen, war es um mich geschehen .. Und naja der BVB hatte Erik, da war die "Echte Liebe" gar nicht soweit hergeholt.
"Komm Maila, sei kein Frosch. Schreib ihm! Wozu hast du denn seine Nummer? Er ist doch nicht gegangen, weil er von dir weg wollte! Diese Chance sausen zu lassen, wäre wirklich dumm gewesen. Außerdem warst du diejenige, die keine Beziehung mehr wollte.
Man Süße, vier Jahre wirft man nickt so einfach weg, ich weiß, dass du Erik noch liebst. Du hast seit fast zweieinhalb Jahren keinen anderen Mann angeguckt, nicht ein einziges Date gehabt! Glaubst du ich bin blöd? Ich merk doch, wie du ihn jedes Mal anstarrst und dir fast die Tränen kommen, wenn du ihn auf dem Rasen siehst!"
Diese Diskussion gab es jedes Mal, wenn wir im Stadion waren. Natürlich hatte Jess recht, aber woher sollte ich denn wissen, dass er mir noch eine Chance gibt? Ich war unglaublich erleichtert, als er auf dieser einen Presekonferenz sagte, dass er keine Freundin hat, aber eine Abfuhr wär zu viel für mich. Also litt ich still und heimlich vor mich hin.
Aber irgendwie war es heute anders. Meine beste Freundin gab zu schnell auf. Natürlich kannte sie die ausführliche Fassung vom Abend des besagten Tages, vielleicht hatte sie endlich gemerkt, dass es kein Sinn macht, mich zu zutexten?
Innerlich wahrte ich diese Hoffnung ganze 90 Minuten lang. Denn als ich wie immer aus dem Stadion gehen wollte, packte Jess mich fest an der Hand und zog mich in Richting der Katakomben.
"Jess was wird das, wenns fertig ist?" So langsam beschlich mich eine leise Vorahnung und die gefiel mir gar nicht.
"Ich helfe deinem Glück jetzt mal ein bisschen auf die Sprünge. Ich hab es satt, jedes Mal zu sehen, wie du den Jungen anstarrst und dabei vor Sehnsucht fast vergehst. Den Entsperrcode von deinem Handy zu knacken, war nicht sonderlich schwer. Danken kannst du mir später."
Mit diesen Worten übergab sie mich an einen der Wachmänner, der mich freundlich anlächelte.
"Na dann kommen sie mal, der Herr Durm ist schon ganz ungeduldig." Himmel, wussten die hier alle bescheid?
Ich wurde durch ein Labyrint aus Gängen geführt und schließlich erblickte ich Erik, der im Spielertunnel an der Wand lehnte und gedankenverloren vor sich hin schaute.
Der Security klopfte mir noch einmal aufmunternd auf die Schulter und verabschiedete sich mit einem netten Lächeln von mir.
"Erik?" Meine Stimme war leise. Trotzdem hob er ruckartig den Kopf und schaute mich unsicher an.
"Maila." Er flüsterte meinen Namen, kam auf mich zu und blieb zwei Schritte vor mir unsicher stehen.
Ich musste ein klein wenig schmunzeln, so unbeholfen kannte ich ihn gar nicht. Also nahm ich das jetzt in die Hand und umarmte ihn einfach.
Es war, als ob die gesamte Anspannung aus Eriks Körper wich, als ich meinen Kopf vorsichtig an seine Brust lehnte. Seine Arme hielten mich fest umklammert und seine Nase vergrub er in meinen Haaren.
"Gott, du glaubst gar nicht wie ich dich vermisst habe" murmelte er leise.
"Ich weiß es Erik, ich weiß es. Ich war so dumm, dich vor die Wahl zu stellen. Damit hab ich uns beiden doch nur wehgetan." Eine Träne lief mir die Wange herunter.
Er löste sich von mir, lächelte sein wunderschönes Lächeln und Strich mir mit seinem Daumen vorsichtig über die Wange.
"Das ist alles egal, Süße. Du bist heute hier und machst mich damit unglaublich glücklich, ok?" Ich schniefte.
"Erik? Ich möchte, dass du etwas weißt. Ich habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren keinen anderen gehabt. Nichtmal ein Date. Ich .. Naja ... Ich liebe dich immer noch ziemlich doll, um ehrlich zu sein." Den Blick richtete ich auf den Boden, weil ich Angst vor seiner Reaktion hatte. Erst als seine Finger mir bedeuteten, den Kopf zu heben, kratze ich all meinen Mut zusammen und schaute in diese wunderschönen blauen Augen.
"Das heißt, du gibst uns noch eine Chance?"
"Wenn du noch möchtest ..."
Als er seine Hände endgültig von meinem Rücken löste, dachte ich, alles wäre vorbei. Allerdings deutete er lediglich auf das Tape an seinem linken Handgelenk.
"Mach mal ab." Jetzt musste ich lachen. "Kann der große Erik das nicht alleine?"
"Nun mach schon!" Sein Ton wurde fast quängelig. Also zog ich ihm vorsichtig das Tape von Handgelenk. Was ich dann sah, trieb mir neue Tränen in die Augen.
Eriks Handgelenk zierte ein verblichenes dunkelbraunes Lederarmband mit den Worten "You'll Never Walk Alone".
"Das hast du noch?" Wieder blickte ich ihm in die Augen, wieder zog er mich dicht an sich. "Ich habe nie aufgehört zu hoffen, dass du eines Tages hier stehst und mir eine zweite Chance gibst. Ich liebe dich Maila."
Als er seine Lippen ganz vorsichtig auf meine drückte war aller Schmerz der vergangenen Zeit vergessen. Es fühlte sich an, wie nach Haus zu kommen.
"Erik, willst du vielleicht erstmal duschen gehen? Du müffelst wie ein Stinktier!" Er sah mich ziemlich perplex an und ich musste lachen.
"Weißt du wie egal mir das ist? Ich habe mein Mädchen wieder. Alles andere kann warten!"
Also standen wir hier im Spielertunnel des Signal- Iduna- Parks und küssten uns zum zweiten Mal nach dieser unendlich langen Zeit.

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