Four

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"Wie ihr ja jetzt nach den Hausaufgaben wisst, wird die Ableitung erstellt, indem ihr vom Exponenten der Potenz eins abzieht und anschließend den Exponenten mit dem Vorfaktor von x multipliziert. Kommen wir nun zu einer anderen Methode der Ableitung, der H-Methode..."

Wie bitte? Total verzweifelt tauschen Stella und ich verständnislose Blicke. Was ist bloß los mit uns? Wieso sind wir die Einzigen die zu blöd dafür sind? Neben mir höre ich Blondie leise lachen: "Nicht verzweifeln, Großauge, ich brings dir heute Nachmittag bei. Es ist wirklich gar nicht so schwer."

Ich spüre wieder dieses unruhige Kribbeln von heute morgen in meinem Magen und plötzlich habe ich wieder das Bedürfniss die Zicke raushängen zu lassen. Nur mit Mühe beherrsche ich mich. Was ist bloß in mich gefahren?

Normalerweise verhalte ich mich, wie das nette Mädchen von nebenan, das alles macht, was ihr gesagt wird und immer vernünftig und vorbildlich lernt. Aber gerade mit Luke Saint neben mir spuken die Gedanken wieder um die Liste auf meinem Schreibtisch und fügen noch ein paar Punkte, wie einen Motorradführerschein zu machen hinzu. Was meine Eltern wohl dazu sagen würden.

"Hey, alles okay?" Blondie sieht mich erwartungsvoll an und ich bemerke mit Schrecken, dass er wohl eine Antwort erwartet hat. "Jaa, sehr gerne. Wann würde es dir denn passen?", frage ich, sehe ihm allerdings nicht in die Augen. Der letzte Blickkontakt steckt mir noch in den Knochen. "Kein Problem, ich nehm dich gleich nach der Schule mit, wenn du willst." Er grinst mich an und ich kann wieder nicht anders, als kuhgleich zu glotzen. Er möchte mich mitnehmen? Heute Nachmittag? Mein Mund ist natürlich wieder schneller, als mein Kopf und so erwidere ich: "Sehr gern, dann bis heute Nachmittag."

Der Gong ertönt und ich packe meine Sachen zusammen. Von hinten kommt eine vollkommen hysterische Stella angesprungen und flüstert total außer sich: "Du hast es schon wieder getan!" Ich stelle mich diesmal dumm und tue so, als wüsste ich nicht wovon oder viel mehr von wem sie spricht. "Was meinst du?" Sie schnappt empört nach Luft "Naa Goldblondie, du hast wieder mit ihm gesprochen, ich habs genau gesehen!" Ich gebe mich betont gleichgültig: "Achso, jaa. Er hat mir seine Nachhilfe in Mathe angeboten und jetzt treffen wir uns heute Nachmittag."

Stella bleibt auf der Stelle stehen und ist ausnahmsweise mal komplett sprachlos. Innerlich zähle ich von fünf abwärts und deute mit diesem Finger auf sie und schon gehts los: "Waaaas??? Er bittet dich zu einem Date?", kreischt sie. Glücklicherweise sind alle anderen Schüler bereits in der Cafeteria, einschließlich Blondie und niemand kann Stellas Eskalation hören.

"Mädchen, dem hast du aber gehörig den Kopf verdreht, wenn er schon nach zwei Stunden Unterricht mit dir ein Date will.", sagt Simon, der mit Mila die Treppe von Erdkunde herunterkommt. Ich verdrehe die Augen. Danke Stella. "Das ist kein Date, er möchte mir bei Mathe helfen, nachdem er festgestellt hat, dass ich als seine Sitznachbarin wohl nicht als Person fürs Abschreiben in Frage komme." Okay, so hatte er es zwar nie ausgedrückt, aber könnte doch durchaus so sein, oder?

"Ach Süße, sei doch nicht so naiv. Das ist definitiv ein Date!", strahlt Stella "Oh, wir müssen dir unbedingt was Tolles zum Anziehen raus suchen, das wird so gut, du wirst dich kaum selbst erkennen!", spinnt sie ihren Date-Gedanken weiter. Zeit, ihre Blase platzen zu lassen: "Tut mir leid, aber das geht nicht, er nimmt mich direkt nach der Schule mit." Entsetztes Gesicht von Stella, Mila und Simon fangen an zu lachen. "Schade Stella, da wirst du dir wohl ein anderes Opfer suchen müssen.", presst Simon mit Tränen in den Augen hervor, auch bei Mila gibt es kein Halten mehr.

Ein weiteres Mal ist Stella sprachlos, aber nicht besonders lange: "Wie? A... Aber das geht nicht, wir müssen dich doch schön machen." Bei ihrem untröstlichen Tonfall kann ich mich auch nicht beherrschen und breche zusammen mit den anderen beiden in haltloses Gelächter aus. "Ist schon gut, Stella-Schatz ich werde wohl ein Stunde Nachhilfe ohne Stylingtipps hinter mich bringen können.", lächele ich sie gutmütig an. "Aber dann kommst du wenigstens in der Pause mit mir auf Toilette, damit ich auch noch was beizutragen hab!", befiehlt sie mir, dreht sich rum und stolziert in die Cafeteria. Kopfschüttelnd folgen wir ihr. Sie ist einfach unverbesserlich. Naja schaden kann das Aufhübschen auch nicht.

Bild: Simon (Dave ...)

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