|14. Kapitel|

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Am nächsten Tag saß ich erneut auf dem Metallstuhl, Four stand schon mit seiner Spritze bereit und war gerade dabei, etwas in dem Computer zu prüfen, welcher die Bilder aus meinem Kopf zeigte.

"Diesmal wird es eine andere Angst, richtig?", fragte ich.

Four nickte: "Aber du schaffst das, da bin ich mir ziemlich sicher. Tris und du seid die Besten in der zweiten Phase, ihr beide seid außergewöhnlich schnell.", sagte er.

Er kam auf mich zu und strich mir eine meiner blonden Haarsträhnen aus meinem Gesicht, ehe er mir die Spritze einstach. Ich sah noch, wie die Tür von Eric aufgerissen wurde und dieser auf den Computer zulief. Four wollte ihn aufhalten, doch was dann geschah, bekam ich nicht mehr mit.

Diesmal war ich nicht auf einem Feld, sondern in der Grube der Ferox. Welche Ungeheuer würden diesmal aus dem Dunklen gekrochen kommen und mir Sinn und Verstand rauben? Wie lange würde ich diesmal auf sie warten müssen? Ich stand direkt neben der Schlucht, die anderen Initianten standen mit verschränkten Armen und ausdruckslosen Gesichtern um mich herum. Christina und Tris waren ebenfalls unter ihnen, doch keiner bewegte sich. Die Lautlosigkeit war beklemmend und schnürte mir die Kehle zu. Ich sah etwas vor mir - mein eigenes verschwommenes Spiegelbild. Als ich es berührte, stießen meine Finger an kaltes, glattes Glas. Ich blickte nach oben; über mir war eine Glasscheibe, ich befand mich in einer gläsernen Box. Ich drückte an die obere Scheibe, um zu prüfen, ob ich den Behälter gewaltsam öffnen konnte. Doch ohne Erfolg; ich war eingesperrt. Ich spürte wie mein Herz anfing zu rasen, als Tris Peter etwas ins Ohr flüsterte und daraufhin beide anfingen zu lachen. Ich bekam Panik, denn ich merkte, wie die Luft immer unangenehmer und der Sauerstoff immer weniger wurde. Wenn ich hier nicht rauskam, würde ich sterben, eindeutig. Ich hämmerte gegen die Glasscheiben, doch keiner von denen aus der Grube kam, um mir zu helfen. Voller Kraft schlug ich gegen eine der Scheiben, doch es passierte wieder nichts. Stattdessen wurde meine Hand rot und schwoll an. Mittlerweile wollte ich die da draußen nicht mehr auf mich aufmerksam machen. Ich wollte einfach nur hier raus, wollte ausbrechen, und zwar aus eigener Kraft. Verzweifelt schlug ich gegen das Glas. Ich trat einen Schritt zurück und warf mich mit der Schulter gegen die Glaswand, einmal, zweimal, dreimal, viermal. Wieder und wieder warf ich mich dagegen, meine Schulter tat schon weh. Die Luft wurde immer dünner und schnürte mir die Kehle zu. Ich zog das letzte bisschen Sauerstoff in meine Nase und schlug so kräftig gegen die Glaswand, dass ich dachte, meine Faust würde daran zerschmettern. Doch ich konnte die Wand durchbrechen; wenn ich stark genug war, dann konnte ich ausbrechen. Zuerst dachte ich, dass sich nichts geändert hatte, doch bei genauerem Hinsehen entdeckte ich einen kleinen Riss im Glas. Ich schlug wiederholt auf dieselbe Stelle. Das Glas zerschmetterte an meiner Kraft und splitterte zu Boden. Ich war frei, ich hatte es geschafft.

Als ich aufwachte, war Eric verschwunden und nun musste ich auch noch in Fours entgeistertes Gesicht blicken. Er zog mich am Handgelenk von der Liege herunter und starrte mich durchdringend an.

"Ich hab' es mir gedacht.", sagte er.

Ich wartete ein paar Herzschläge bis er fortfuhr.

"Du bist eine Unbestimmte."

Ich spürte wie mein Herz anfing zu rasen. Jetzt wusste es auch noch Four, und zu ihm hatte ich nicht gerade ein besonders gutes Verhältnis.

"Wie kommst du darauf?", fragte ich so gelassen wie möglich.

"Du steuerst die Simulation, das ist mir beim letzten Mal auch schon aufgefallen.", antwortete Four.

Nun war ich es, die Four entgeistert anstarrte. Würde er mich verraten? Selbst wenn, dann an wen? Eric? Er würde mich beschützen.

"Wie waren deine Testergebnisse?", fragte Four.

"Es war Ken.", antwortete ich.

Four zog seine Augenbraue in die Höhe und sagte dann: "Natürlich, du kannst gehen."

Im Gang wartete ich so lange, bis Tris den Besuch in ihrer Angstlandschaft beendet hatte. Als diese aus dem Raum herauskam, ignorierte sie mich allerdings eiskalt und ging einfach an mir vorbei. Ich lief ihr also hinterher und wartete auf eine Reaktion ihrerseits.

"Wohin gehst du?", fragte ich schließlich, als meine Geduld sich dem Ende neigte.

Sie blickte mich an und sagte: "Tori."

Ich nickte und beschloss sie zu begleiten. Wir marschierten schnurstracks zum Tattoo-Studio, wo wir Tori zuletzt gesehen hatten. Jetzt, mitten am Nachmittag, liefen hier nicht sehr viele Leute herum. Die meisten arbeiteten oder waren in der Schule. Im Tattoo-Studio waren drei Leute: der Tätowierer, der gerade einem Mann ein Tattoo auf den Arm stach, und Tori, die einen Stapel Papier auf der Theke durchblätterte. Sie blickte auf, als wir hereinkamen.

"Hey. Was macht ihr denn hier?", fragte sie mit einem raschen Seitenblick auf den Tätowierer, welcher jedoch viel zu sehr in seine Arbeit vertieft war, um uns zu bemerken. "Lasst uns nach hinten gehen.", sagte Tori noch.

Wir folgten ihr hinter den Vorhang, der den Raum zweiteilte. Im hinteren Teil standen ein paar Stühle. Ungebrauchte Tattoonadeln lagen herum, Tinte, Papierblöcke, gerahmte Bilder. Tori zog den Vorhang zu und setzte sich auf einen Stuhl. Ich setzte mich ihr gegenüber und Tris setzte sich neben mich.

"Was gibt's?", fragte sie. "Wie läuft's bei den Simulationen?"

"Gut.", antwortete Tris nickend.

"Ein bisschen zu gut, wie man mir sagt.", fügte ich noch hinzu.

"Was bin ich, Tori?", fragte Tris besorgt und erschrocken zugleich.

"Zum einen bist du jemand, der sich selbst während der Simulation bewusst ist, dass das, was du da gerade erlebst, nicht die Wirklichkeit ist. Jemand, der aus diesem Grund den Verlauf der Simulation beeinflussen oder sie ganz beenden kann.", antwortete sie mit gedämpfter Stimme. "Mein Bruder war wie ihr, während der zweiten Phase hat er sich schnell verbessert. Am letzten Tag der Simulation war einer der Feroxanführer dabei. Am nächsten Morgen fanden wir seine Leiche am Fuß der Schlucht. Sie hatten ihn beseitigt.", fügte sie noch hinzu.

"Wer?", fragte ich erstaunt.

"Die Anführer der Ferox, sie dürfen das über euch niemals erfahren.", antwortete Tori.

"Und wenn sie es schon wissen?", fragte Tris.

"Dann seid ihr so gut wie tot.", sagte Tori.

DARK DESIRE - Divergent (FF) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt