Kapitel 5

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Ich hatte die folgende Nacht überraschenderweise gut überstanden. Es hatte unheimlich gut getan, in einem warmen Bett zu schlafen und eine vernünftige Mahlzeit zu bekommen. Als nun also der Morgen anbrach, ging ich in den Speisesaal zum Frühstück. Und sobald ich das hinter mich gebracht hatte, verließ ich das Hotel. Ich musste in weniger als einer Stunde in meinen Zug steigen, der mich aus meiner Heimat fortbringen würde. Als ich nun also durch die Straßen ging, konnte ich einen Blick auf den Wald erhaschen, dessen schützendes Inneres mein zu Hause war.
Was wohl mit den Häusern passieren würde?
Und ob ich jemals hierher zurückkehren könnte?
Sobald ich in diesen Zug steigen würde, würde ich mein ganzes Leben hinter mir lassen, aber es war dringend nötig, um zu überleben. Ich musste meinen Rang bewahren und dafür musste ich überleben. Vielleicht hatte ich ja auch Glück und fand auf meiner Reise meinen Mate. Dann würde sich eh vieles ändern, weil ich dann wieder jemanden an meiner Seite hätte. Ich hatte mir geschworen, dass ich mit meinem Mate eine genauso schöne Beziehung führen wollte, wie meine Eltern es getan hatten. Sie hatten sich von ganzem Herzen geliebt, hatten mich über alles geliebt und hatten ihr Leben für mich geopfert, weil sie mich liebten. Meine Eltern hatten alles für mich geopfert, damit ich in Sicherheit war. Mit einem schweren Seufzen musste ich meine aufkommenden Tränen und das Schluchzen unterdrücken. Ich war mittlerweile am Bahnhof angekommen, genau zum richtigen Zeitpunkt, denn mein Zug fuhr bereits ein. Immer noch klammerte sich dieses beängstigende Gefühl an mich. Ich hatte das Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Ich spürte die Augen förmlich auf mir, spürte, wie sie mich hungrig und voller Hass betrachteten, aber sobald ich mich umdrehte und mich umsah, verschwand das Gefühl. Und egal, wie oft ich mich umsah, ich konnte nie jemanden erkennen. Es war, als würde ich von einem Schatten oder einem Geist verfolgt werden. Und irgendwie hatte ich das schlimme Gefühl, dass mich dieses Gefühl auch dorthin verfolgen würde, wo ich nun hinging. Als würde ich nie wieder sicher sein.
Sobald der Zug seine Türen geöffnet hatte, suchte ich mir einen Platz weit weg von allen anderen Gästen. Ich wollte mit niemandem reden, sie sollten mich einfach alle in Ruhe lassen. Meine Hand fand ihren Weg ganz von allein in mein Gesicht, als ein paar Tränen über meine Wangen rollten. Wie viel ich dafür geben würde, sie alle wiederzusehen, sie wieder in den Arm zu nehmen und ihre Stimmen zu hören. Nun konnte ich mich nicht mehr bremsen. Die Tränen begannen unkontrolliert meine Wangen hinunterzulaufen und ich verbag das Gesicht in den Händen.
Leano, beruhigte dich, du brauchst alle deine Sinne. Lass dich nicht ablenken.
Die sanfte Stimme meiner Mutter sorgte dafür, dass ich den Kopf wieder hob und den Kontrolleur des Zuges ansah, der mich in einer etwas genervten Stimmlage nach meinem Ticket fragte. „Entschuldigung. Ich habe Sie nicht richtig gehört.", ich lächelte entschuldigend, wischte mir noch einmal über die Augen und hielt ihm dann mein Ticket hin. Er murmelte irgendetwas, während er sich das Ticket ansah, dann gab es mir zurück. ,,Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen? Du sieht total fertig aus.", die Stimme des Mannes war sanfter geworden und ich erwiderte das Lächeln, welches er mir zuwarf. Ich wollte seine Hilfe schon annehmen, doch dann war da die Stimme meines Vaters.
Vertraue niemandem. Du kannst dich nur noch auf dich selbst verlassen.
Und er hatte Recht. Also verneinte ich. „Nein, alles gut. Ich habe grade nur eine schwere Trennung hinter mir.", ganz gelogen war es ja nicht. es war zwar nicht die Art Trennung, an die man jetzt vielleicht dachte, aber dennoch.
Ich zuckte zusammen, als sich ein Mann neben mich setzte. Er sah mich an und lächelte freundlich, bevor er seine Kopfhörer aufsetzte. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Panisch sah ich mich nach einem weiteren freien Sitzplatz um, doch leider waren alle besetzt. Also atmete ich zitterig immer wieder ein und aus und betrachtete den Mann neben mir aus dem Augenwinkel. Seine dunklen Haare hingen ihm etwas ins Gesicht und seine grünblauen Augen hatten mich noch vor wenigen Sekunden fixiert. Als sein Geruch in meine Nase zog, spannte sich alles in mir an.
Weg.
Ich musste hier weg. Sein Geruch löste in mir die schlimmste Panikattacke aus, die ich in den letzten Tagen gehabt hatte. Und es waren viele gewesen. Jedes kleinste Geräusch, jeder Geruch, der mich an zu Haus erinnerte, löste eine weitere Panikattacke aus. Der Geruch das Mannes strahlte das pure böse aus. Ich konnte seinen Geruch nicht beschreiben. Die Tränen begannen erneut zu fließen, doch anstatt mein Gesicht erneut mit den Händen zu verdecken, starrte ich einfach emotionslos in der Gegend umher. Irgendwann gewann mein Körper zu zittern, doch ich hatte es längst aufgegeben, meinen Körper in diesen Situationen kontrollieren zu wollen. Und nun fühlte ich mich mehr beobachtete, mehr in die Enge gedrängt und mehr in Gefahr, als es jemals der Fall war.

Gott, ich habe gesehen, dass ich das letzte Kapitel (Kapitel 4) vor einem Jahr hochgeladen habe. Ich bin froh, dass nun das 5. Kapitel kommt. Irgendwann muss ich dieses Buch ja auch mal fertig bekommen.

My Fight (Laufend) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt