Kapitel 3

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Der Kampf begann um 17 Uhr am Nachmittag. Es drängen immer wieder laute Schreie zu mir durch, die schnell verstummen und es wurden immer weniger. „Ethan!", die Stimme meines Vaters ließ mich zusammenzucken. Sie war voller Schmerz und in diesem Moment wusste ich, dass es meine Mutter erwischt hatte. Weinend sackte ich die Wand herunter und begann zu zittern. „Mama.", ich schluchzte und begann zu schreien. Keiner würde mich hören, ich konnte meinem Schmerz freien Lauf lassen und als die Schreie meines Vaters ebenfalls verstummen, brach ich vollkommen zusammen. Ich konnte nicht sagen, wie lange ich zusammengerollt auf dem Boden lag und weinte und schrie, als ich aber keine Tränen zum Weinen mehr hatte und meine Lunge vom Schreien brannte, war draußen alles still. Aus Reflex sprang ich sofort auf und steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch, doch da fielen mir die Worte meiner Eltern wieder ein. „Öffne die Tür erst nach zwei Tagen.", hatten sie gesagt. Und so legte ich den Schlüssel wieder auf den Tisch und wartete zwei Tage. Als ich schließlich die Tür öffnete und ins Sonnenlicht trat, musste ich erst einmal die Augen zusammenkneifen. Sobald diese sich an die Sonne gewöhnt hatten, öffnete ich sie und schlug mir die Hände vor den Mund. Die Wiese vor dem Bunker  war nun mehr rot als grün. Überall lagen meine Rudelmitglieder herum, alle waren tot. Meine Füße trugen mich automatisch in die Richtung meiner Eltern, die ich ohne Probleme wittern konnte. „Mama, Papa.", ich schluchzte leise, als ich meine Eltern sah. Papa hatte die Augen weit aufgerissen und hatte die Hand nach Mama ausgestreckt, der auf der Seite lag und lächelte, so als ob er Papa hätte beruhigen wollen. Meine Beine gaben nach und ich begann wieder zu weinen. Nach einer halben Stunde hatte ich keine Tränen mehr und rappelte mich auf. Ich musste sie begraben. Ich musste sie alle begraben, wenigstens diese Ehre hatten sie verdient. Und so verbrachte ich die nächsten zwei Tage damit, Gräber für meine Liebsten, meine Freunde, meine Rudelmitglieder auszugeben und sie alle zu begraben. Meine Elfen legte ich zusammen in ein Grab, sodass Mamas Kopf auf Papas Brust ruhte, Papa die Arme um ihn gelegt hatte, so wie sie es mochten. Dann verwandelte ich mich in meinen Wolf. Ich spürte, dass er sich in mein Unterbewusstsein zurückgezogen hatte, so weit, dass ich ihn kaum noch spüren konnte. Ich begann einfach zu jaulen, schrie meine Trauer und Wut hinaus, bis meine Lungen brannten und ich den Kopf hängen ließ. Nie wieder würde ich nun mit meinen Freunden über diese Wiese tollen, nie wieder würde ich Mamas leckeren Pfannkuchen essen und nie wieder würde ich Papas zärtliche Umarmung spüren. Ich hatte sie verloren. Ein für alle Mal. „Das Black Luna Rudel.", murmelte ich leise, rappelte mich auf und schüttelte den Schmutz aus meinem Fell, „Das muss ich finden, denn bin ich sicher. Papa hat mir gesagt, wie ich dorthin komme ."
Langsam setzte ich eine Pfote vor die andere, verschwand in den Wald, verließ den Ort an dem ich aufgewachsen war und so viele schöne Erinnerungen gesammelt hatte. Meine Füße trugen mich automatisch in den Wald, ich lief einfach weiter, mein Unterbewusstsein wusste genau, wo ich hinlief. Ich war diese Strecke schon tausend Mal gelaufen, diesen kleinen Weg, der sich durch den ganzen Wald schlängelte und unser Dorf vor allen geschützt hatten. Der Wald, bei dem ich allein fünf Stunden brauchte, um ihn im Rennen zu durchqueren. Hinter dem Wald lag eine kleine Stadt. Dort musste ich hin, musste in die Bibliothek, um mir dort anzusehen, wie ich zum Black Luna Rudel kam. Es würde ein weiter Weg werden, schließlich musste ich mehrere Länder durchqueren, aber es musste sein. Meine Eltern hatten großes Vertrauen in dieses Rudel gesetzt, deswegen musste ich unbedingt dort ankommen. Als es langsam dunkel wurde, suchte ich mir einen alten Baum, in dessen Stamm sich ein großes Loch befand. Müde ließ ich mich hinein sinken und bettete den Kopf auf meine Pfoten. Ein Knacken in den Büschen sorgte dafür, dass sich meine Ohren aufstellten. ,,Wer ist da?", ich knurrte laut auf, richtete mich auf. Das Knacken ertönte erneut, ich hob die Nase. Dieser Geruch. Was war das? Er war stark und dennoch konnte ich ihn nicht identifizieren. Ich beruhigte mich, als ein Reh aus den Büschen sprang. Ich ließ meinen Instinkt mein Handeln übernehmen und so hatte ich schnell ein Abendessen. Zum Glück hatten Papa und Mama mir früh beigebracht zu jagen. ,,Leano,", hatten sie gesagt, ,,egal wie schlimm es dir vorkommen mag, andere Lebewesen zu töten, du musst es können. Es wird dir vielleicht einmal das Leben retten mein Kleiner."

Ich hörte die Stimme meiner Mutter deutlich in meinem Kopf und erneut bildete sich ein Kloß in meinem Hals und ich wollte einfach nur heulen. Doch wenn ich das jetzt täte würden zu viele auf mich aufmerksam werden. Ich musste dafür sorgen, dass mich niemand für verdächtig hielt. Ich musste mich beschützen. Da ich ein recht kleiner Wolf war, war mein Magen schnell voll und ich zog das Reh etwas näher an meinen Unterschlupf, dann verdeckte ich es mit Blättern, Moos und anderen Dingen, die verhindern würden, dass andere Raubtiere meine Beute witterten. Ich legte mich erneut in die kleine Höhle und schloss die Augen, denn ich brauchte unbedingt Ruhe. Ich wusste, dass nicht nicht ruhig würde schlafen können, im Traum würden mich die Erinnerungen einholen, ich würde die Leichen meiner Eltern vor mir sehen, ihre Schreie hören und die Stunden voller Horror nochmals durchleben. Ich fiepte leise. Es war ungewohnt, ohne meine Eltern zu schlafen. Sonst kamen sie immer noch einmal in mein Zimmer, sagten mir gute Nacht und einfach so, um mich zu beruhigen, begann ich ein Schlaflied zu singen, dass Mama mir früher immer vorgesungen hatte.

 Brilla brilla la stellina

Su nel cielo piccolina,

Brilla brilla sopra noi

Mi domando tu chi sei,

Brilla brilla la stellina

Su nel cielo piccolina.

Quando il sole è tramontato

Niente più luminoso

Brilla brilla mia stellina

Che la notte si avvicina.

Vieni vieni mia stellina

Su nel cielo piccolina.

Tu che non dormi mai

aspetti il sole e te ne vai

Brilla brilla mia stellina

Tu rimani lì vicina.

Quando il sole è tramontato

niente più luminoso.

Und während ich dieses Lied sang, driftete ich langsam in einen unruhigen, losen Schlaf.

My Fight (Laufend) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt