36 - Die Steuerprüfung

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Einige Zeit später stand ich allein in meinem Büro und wartete auf Dean, der mit mir wie jeden Morgen die anstehenden Termine durchgehen würde. Als er durch die Tür trat, musste ich ihn unwillkürlich angrinsen. "Wenn man es genau nimmt, bin ich doch eigentlich deine Chefin, oder? Kann ich dir denn jetzt jedes Mal, wenn du mein Büro betrittst, befehlen, mich zu küssen?"

"Wenn du damit leben kannst, dass mein Ego in Zukunft weinend unter deinem Schreibtisch liegt, kannst du mir auch noch ganz andere Sachen befehlen, Schneeflocke", antwortete er mit einem anzüglichen Ausdruck im Gesicht, ließ den ausgedruckten Terminplan achtlos auf die nächstbeste Anrichte fallen, kam schnell auf mich zu, zog mich in seine Arme und legte seine Lippen auf meine.

Er küsste mich so intensiv und fordernd, dass es zwischen meinen Beinen wieder so schön anfing zu pulsieren. Während des Kusses drückte er mich ein paar Schritte zurück bis hinter den Schreibtisch, ließ sich dann selbst lässig in den Chefsessel fallen und zog mich gleichzeitig mit auf seinen Schoß. "So kommt mein Ego schon bedeutend besser damit klar", raunte er in den Kuss hinein.

"Und mir macht die Terminbesprechung jetzt auch endlich mal Spaß!", erwiderte ich, während er begann, meinen Hals zu küssen und seine Hände dabei unter meine Bluse schob.

Ein Kribbeln durchzuckte mich, als ich seine Finger auf meiner nackten Haut spürte, doch dann murmelte er gegen meinen Hals: "Der erste Termin heute ist übrigens eine Steuerprüfung."

"Steuerprüfung?!" Ich löste mich vor Schreck von ihm. "Meinst du etwa sowas, wo ein Steuerprüfer in die Firma kommt und alles auf den Kopf stellt? Habe ich etwas zu befürchten? Muss ich am Ende in den Knast?!"

"Ganz ruhig, Maggie", erwiderte Dean belustigt und strich mir sanft eine Haarsträhne hinters Ohr. "Richard war immer pedantisch darauf bedacht, die Bluethorn-Company ausschließlich mit legalen Mitteln führen. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen."

"Muss ich wirklich nicht ins Gefängnis?", fragte ich skeptisch.

"Nein. Glaub mir, ich kenne den Steuerprüfer höchstpersönlich und du kennst ihn mittlerweile auch."

"Warte, woher kenne ich denn bitte einen..." Aber in diesem Augenblick klopfte es auch schon an der Tür zu meinem Büro und Dean, auf dessen Schoß ich immer noch saß, stand auf, hob mich dabei hoch, setzte mich allein zurück in den Chefsessel und zupfte mit einem verschmitzten Grinsen meine verrutschte Bluse wieder zurecht. Danach öffnete er die Tür.

"...Steuerprüfer?", beendete ich noch meine Frage, während auch schon ein mir bekanntes Gesicht im Türrahmen erschien und der besagte Steuerprüfer Dean mit einem gewinnenden Lächeln auf die Schulter klopfte. "Dean, Junge. Schön, dich schon so bald wiederzusehen." Heute trug er zwar Anzug und Krawatte, statt Jeans und grauem Sweatshirt, aber ich erkannte Andrew trotzdem sofort. Ich erhob mich vom Sessel und ging auf Deans Stiefvater zu. "Hi, Andrew", begrüßte ich ihn freundlich und überrascht.

"Hallo, Maggie." Er lächelte mich stolz an. "Dean hat uns schon geschrieben, dass wir dich ab jetzt offiziell in unserer Familie begrüßen dürfen. Ich freue mich sehr für euch beide. Darf ich dich drücken?"

"Ja, klar." Ich war etwas überrumpelt, aber ich freute mich darüber, dass er mich so liebevoll in seiner Familie aufnahm.

"Sollen wir gleich anfangen?", fragte er, nachdem er mich wieder aus seiner Umarmung entlassen hatte.

"Gern." Ich war zwar immer noch überrascht, dass ausgerechnet Deans Stiefvater unser Steuerprüfer war, aber mich interessierte es auch sehr, wie das Ganze nun ablaufen sollte.

Andrew und ich setzten uns in die weißen Sessel, während Dean einen ganzen Stapel Ordner aus dem Vorraum holte. Dann zog Andrew einen Laptop aus seiner Aktentasche und tippte hin und wieder etwas darauf ein, während er jedes einzelne Blatt in den Ordnern aufmerksam durchging. Es handelte sich größtenteils um Kontoauszüge und Zahlungsnachweise, aber teilweise waren auch Aufstellungen darin enthalten, die ich nicht verstand. Allerdings stellte ich fest, dass es wohl nicht nur um die Bluethorn-Company, sondern auch um die Bluethorn-Villa und die Gehälter der Hausangestellten ging.

Als Andrew nach ziemlich langer Zeit endlich beim letzten Ordner angekommen war, erkannte ich auf einem der Kontoauszüge die Zahlung an Amazon für die Hemden, die ich Dean geschenkt hatte. Diese Steuerprüfung schloss wohl auch meine privaten Ausgaben mit ein. Und prompt kam mir ein Gedanke dazu: "Ähm... darf ich mal was dazwischen fragen?"

Dean und Andrew sahen mich beide interessiert an. "Klar", erwiderte Dean und ich fuhr fort: "Steven Parker hat doch bestimmt schonmal Steuern hinterzogen, oder? Muss er denn auch so eine Steuerprüfung machen lassen?"

"Sicher", entgegnete Andrew. "Ich habe selbst eine Prüfung bei ihm durchgeführt, als Dean mir von den illegalen Aktivitäten seines Vaters erzählt hat. Aber Steven fälscht die Bücher wie kein anderer, da war nichts zu machen."

Dean sah zerknirscht aus. "Ich hatte die letzten schriftlichen Beweise damals in der Hand, als ich während meines Wirtschaftsstudiums bei ihm gearbeitet habe, aber als ich ihn damit konfrontieren wollte, hat er sie mir abgenommen und vernichtet. Jetzt gibt es die Informationen über seine Cayman-Konten höchstens noch auf seinem Computer, aber selbst als Steuerprüfer kommt man da nur mit einem rechtsgültigen Durchsuchungsbefehl ran. Lediglich ein Verdacht oder eine Aussage von mir reichen dafür nicht aus."

Er seufzte, aber seine Miene hellte sich leicht auf, als er zu Andrew hinüber sah. "Andrew, erzähl Maggie doch mal, was du mit Steven Parker nach der Steuerprüfung abgezogen hast."

"Ach, das war doch nichts Großes", winkte Andrew bescheiden ab.

"Doch, das war es", widersprach Dean lächelnd. "Mein Stiefvater ist nämlich der Einzige, der weiß, wie man Steven Parker erfolgreich erpresst", erklärte er an mich gewandt.

Stimmt, Taylor hatte doch etwas von 'Andrews Bluff' gesagt. Das interessierte mich jetzt auch. Ich sah Andrew neugierig an.

Der gab sich geschlagen. "Nach der Steuerprüfung in der Parker-Corperation habe ich Steven damit gedroht, die nötigen Beweise zu fälschen und ihn so ins Gefängnis zu bringen, wenn er oder seine Männer auch nur ein einziges Mal in die Nähe meiner Familie kommen. Und was soll ich sagen? Er hat mir geglaubt und sich bisher immer daran gehalten."

Wow, dann war es also gar nicht Deans Mom, die Steven Parker Grenzen setzen konnte, sondern Andrew.

"Das ist echt cool", murmelte ich, aber in meinem Kopf begann es gleichzeitig zu rattern.

Ich brauchte zunächst ein paar Antworten. "Was wäre, wenn jemand dir die echten Beweise gegen Steven Parker anonym zuspielen würde? Könntest du ihn damit dann ins Gefängnis bringen?", fragte ich an Andrew gewandt.

"Ja, sicher."

"Auch wenn die Beweise illegal beschafft wurden?", fragte ich weiter.

"Da sie mir in diesem konkreten Fall anonym zugegangen wären, hätte ich keinen Grund, mich über den Weg der Beschaffung zu informieren", erwiderte Andrew mit einem Schmunzeln.

Dean hatte währenddessen eine Augenbraue hochgezogen. "Maggie, was hast du vor?"

"Ich denke, ich habe jetzt einen Plan. Wie viel Geld aus dem Vermögen meines Vaters lässt sich sofort locker machen, Dean?"

Er starrte mich entgeistert an. "Nur zwei Millionen. Höchstens zweieinhalb. Aber Maggie, du kannst die Beweise gegen Steven Parker nicht mal eben schnell besorgen. Selbst wenn wir es schaffen, in die Parker-Corperation einzubrechen, ist sein Computer noch zu gut geschützt. Glaub mir, ich habe schon vor drei Jahren stundenlang versucht, sein Passwort zu knacken. Keine Chance."

Ich lächelte ihn an. "Unterschätze nie eine Maggie Miller. Ich denke, wir werden mit einer Million auskommen, aber ich muss erst telefonieren."

Warum die Titanic immer wieder gegen den Eisberg fährt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt