Kapitel 2

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Stumm saß ich auf dem kalten Betonboden und wartete drauf, dass die hochgewachsene Frau die dicke Eisentür öffnete und meinen Namen aufrief. In dem Raum war es kühl und ich fröstelte ein wenig. Der Raum wurde von mehreren unangenehm hellen Neonröhren erleuchtet. Außer mir waren noch sechs andere hier, die ebenfalls darauf warteten aufgerufen zu werden.

Dann endlich schwang die schwere Tür auf und die Frau kam mit großen Schritten auf uns zu. Sie schaute kurz in die Runde und blieb dann bei mir hängen. Dabei sagte sie: „ Avery, bitte folgen sie mir." Ich stand ohne zögern auf und folgte ihr durch den Ausgang. Dabei hoffte ich endlich, mehr zu erfahren und die vielen Fragen, die in meinem Kopf wirbelten, beantworten zu bekommen. Es war schwer mit ihr Schritt zuhalten, da sie in einem Eiltempo den Gang hinunter lief und dabei wenig Rücksicht auf mich gab.
Ich war jetzt seit genau vier Tagen in diesem Zentrum und immer noch versuchte ich mich krampfhaft an irgendetwas zu erinnern was vorher war. Es ist nämlich schwer eine Situation einzuschätzen und zu vergleichen, wenn seine Erinnerrungen verschwunden sind. Doch auch wenn ich mich an wirklich nichts erinnere, hab ich ein gewisses Misstrauen gegenüber den Menschen um mich herrum.

Immer noch liefen wir durch das Gewirr von Gängen und ich wusste nicht, wie man sich hier nur annähernd zurrecht finden konnte. Die Schritte der Frau und mir hallten von den kahlen grauen Wänden wieder, bis wir endlich an einer weiteren Türe ankamen. Diesmal war neben der Tür ein Tastenfeld angebracht, wo die Frau nun einen Code eingab, die Tür rot aufblinkte, es einmal piepste und sich Tür automatisch öffnete. Dann betraten wir einen riesigen Raum voller Computer und anderen technisch schwer kompliziert aussehender Geräte. Viele Arbeiter, die wie in einem Labor gekleidet waren, saßen vor den Computern oder liefen zwischen den Plätzen hin und her und kamen durch die Türen raus und rein. Etwas verwirrt schaute ich kurz durch den Raum, dann ging die Frau vor mir quer durch den Raum und durch die nächste Tür. Dieser Raum war deutlich kleiner als der letzte und außer einem Tisch mit vier Stühlen und einem weiteren Stuhl gegenüber dem Tisch stand nichts weiter in dem Raum. Die Frau wies auf den einsamen Stuhl in der Mitte und sagte zu mir: „ Avery, bitte nehmen sie hier Platz." Gehorsam setzte ich mich auf den Stuhl und wartete auf nächste Anweisungen, doch die Frau ging auf eine Schiebetür, hinter den vier Plätzen zu und ließ mich alleine. Kurz darauf kam sie mit zwei Männern und einer weiteren Frau wieder zurück. Alle vier setzten sich mir gegenüber und holten fast synchron schwarze Laptops aus ihren Metallkoffern. Der Mann ganz links von mir, war schon etwas älter und hatte einen weißen Vollbart, er blickte auf und sagte zu mir: „So Avery, fangen wir an: Sagen sie mir bitte ihren Nachnamen." Ich schluckte, ich hatte keine Ahnung, wie ich mit Nachnamen hieß. Nach einer Weile des Nachdenkens sagte ich: „ Sir, ich weiß meinen Nachnamen nicht mehr. Ich kann mich an nichts mehr erinnern!" Er nickte stumm. Dann wendete er sich zu seinem Nachbarn und besprach etwas mit ihm. Ich versuchte, durch ihre Gesten und dem Gesichtsausdruck heraus zu finden, was sie nun vorhatten. Doch ihre Gesichter waren so ausdruckslos, dass es schwer war, daraus etwas heraus zu interpretieren.
Anschließend erhob er sich von seinem Stuhl und bat mich, ihm in den Nebenraum zu folgen. Aus einem weißen Metallschrank holte er ein kleines Gerät heraus und gab mir die Anweisung meinen linken Daumen darauf zu legen. Gehorsam legte ich meinen Daumen auf das kleine Gerät und wartete gespannt ab.
Das Gerät vibrierte kurz, darauf zog ich meine Hand weg und schaute den Mann fragend an. Dieser runzelte die Stirn und schien sehr mit seinem Laptop beschäftigt zu sein.
Als es mir dann langsam zu blöd wurde weiter hier dumm rumzustehen, fragte ich ihn: „Sir, haben sie nun meinen Nachnamen oder nicht?" Er wandte den Kopf zu mir und antwortete: „ Ja, ihren Nachnamen habe ich: Hamlin, außerdem müssten sie noch eine ältere Schwester namens Carlyn haben. Von ihren Eltern steht hier nichts und... achso, falls sie sich ebenfalls nicht an ihr Alter erinnern können, sie sind vierzehn Jahre und werden am 20. März fünfzehn." „ Aha, das ist alles? Haben sie nicht noch irgendwas persönliches über mich? Familie und Freunde? Sowas vielleicht?", erwiderte ich genervt, weil ich immer noch nicht viel mehr heraus gefunden hatte. „Und sie können sich wirklich an nichts weiter erinnern? Es ist nämlich wirklich sehr merkwürdig, dass wir keine weiteren Personaldaten über sie haben.", sagte er mit ein klein wenig Nachdruck. „ Nein, nichts, ich besitze rein keine Erinnerungen mehr, was mich übrigens, falls es sie und ihr lächerliches Team überhaupt interessiert, fast zum Wahnsinn treibt." Ich merkte, wie ich langsam immer wütender und ungeduldiger wurde. Ohne auch nur eine einzige Reaktion zu meinem kleinen Ausraster zu zeigen, sagte er mit geduldiger Stimme: „ Sie werden jetzt Ms Dearing zu weiteren Untersuchungen begleiten, dann sehen wir weiter." Ich wollte gerade zum Protest ansetzten, als er mich sanft aber bestimmend aus dem Zimmer schob.

Ms Dearing und ich waren nun aus den unterirdischen Teil des Zentrums entflohen und gingen auf direktem Wege zu einem nahegelegen Gebäude. Vor dem großen Eingang war ein Schild angebracht mit der Aufschrift: Artztpraxis Standart- u. Infektuntersuchungen Dr. med. Hilton. Wir meldeten uns an der Rezeption an und wurden dann in eines der Arztzimmer gebeten. Nach wenigen Minuten kam dann dieser Dr. Hilton, der mich wog, maß etc. Alles was eben zur einer Standartuntersuchung dazugehörte. Zum Schluss nahm er mir Blut ab, wobei mir spei übel wurde und ich nun wusste, dass ich kein Blut sehen konnte.
Ms. Dearing, die mich zu dieser Untersuchung begleitet hatte, tippte eiligste alle Werte in ihren Laptop und fragte mindestens noch dreimal nach, ob das auch so stimmte. Nach der letzten Untersuchung, verabschiedeten wir uns und verließen die Arztpraxis. Mit schnellen Schritten gingen wir auf eine U-Bahn Station zu und reiten uns dort in die Schlange ein. Genau alle zwei Minuten kam eine U-Bahn an und nahm immer genau zwei Personen pro Schalter mit. Alle Menschen um mich herum hatten Uniformen an. Die einen eben in Anzug und die anderen in Arbeitshosen, doch es waren alles Uniformen. So geregelt hatte ich noch nie eine Stadt gesehen. Es war schockierend, für mich zu sehen, wie niemand lächelte und alle nur auf ihre Arbeit und Disziplin fixiert waren. Ich fühlte mich unwohl und irgendwie fehl am Platz, weil ich wusste, dass ich es so nicht lange aushalten würde. Unbehaglich stieg ich dann in die ankommende U-Bahn und hoffte hier so schnell wie möglich raus zu kommen und in mein anderes Leben zurück zu schlüpfen, denn ich war mir sicher, dass ich das Leben, indem ich vorher gelebt hatte, geliebt habe...

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