Im Grunde hasste er alles hier. Im Grunde schrie seine innere Stimme, seit er hier war, er solle wieder verschwinden.
Doch Remus Lupin konnte nicht einfach wieder verschwinden, Dumbledore zählte auf ihn. Wer wäre besser dafür geeignet als er um sich bei den Werwölfen einzuschleichen und sie doch dazu zu überzeugen, die Seite zu wechseln? Sie doch noch davon zu überzeugen, dass Voldemort nicht die Lösung war.
Dumbledore hatte ihn zwar um den Auftrag gebeten, er wusste ja, wie sehr Remus alles hasste, was ihn an Werwölfe erinnerte, aber im Grunde hatte er sich schon beinahe freiwillig dafür gemeldet. Er hätte jeden Auftrag angenommen, egal wie lange er dauern würde, wohin er ihn führen würde und wie gefährlich er war. Je länger der Auftrag dauerte und je weiter weg er dafür musste.
Remus tat sein Bestes nicht an den wahren Grund zu denken, aus dem er hier war. Denn der hatte nichts damit zu tun, die Werwölfe wieder von Voldemorts Seite abzuwerben. Das war wichtig, keine Frage, sonst hätte Dumbledore ihn nicht um die Mission gebeten. Doch noch wichtiger war für ihn, sich von Tonks fernzuhalten. Sich so lange von ihr fernzuhalten, bis sie sich in einen jungen, reichen und gutaussehenden Auroren aus dem Ministerium verliebt hatte und ihn vergessen hatte. Er redet sich selbst ein, wenn er Tonks nur lange genug aus dem Weg ging, würde sie den Mann treffen, denn sie verdiente: Jemand, der jung und gesund war, der ihr das Leben bieten konnte, das sie verdiente.
Und Remus versuchte zu vergessen, dass ausgerechnet er es war, in den Tonks sich verliebt hatte. Egal wie sehr er sich darüber gefreut hatte, als er herausgefunden hatte, dass sie seine Gefühle erwiderte, er war zu alt für sie, zu arm und zu gefährlich. Und das durfte er nicht vergessen.
Und solange er hier war, würde er es auch nicht vergessen.
In dieser leerstehenden Hotelruine am Rande einer Stadt, die ihre Blütezeit wohl schon mehrere Jahrzehnte hinter sich hatte, wurde er tagtäglich mit den schlimmsten Seiten konfrontiert, die das Dasein als Werwolf mit sich brachte. Ausgenommen die Verwandlung selbst, natürlich.
Und das führte ihm wieder und wieder vor Augen, wieso er noch nicht einmal an eine Beziehung mit Tonks denken sollte.
Wie es war, am Rande der Gesellschaft zu leben, hätte er selbst zwölft Jahre lang erlebt. Aber das hier war etwas anderes als schlecht bezahlte Jobs anzunehmen, in verlassenen Hütten zu hausen und sich vor dem nächsten Vollmond zu fürchten.
Hier interessierte sich niemand für Argumente, Ehrlichkeit oder Gespräche im Allgemeinen. Alles, was hier zählte war Rache. Rache an den Zauberern, die die Werwölfe in den Untergrund trieben. Und die Rache würde darin bestehen, dass man sich an den kleinen Kindern der Zauberer vergriff. Diese biss und anschließend hier draußen aufzog.
Das zumindest predigte Greyback tagein-tagaus.
Es war schon ein Widerspruch in sich, dass er das ausgerechnet zu den Werwölfen sagte, die er selbst als Kind gebissen hatte, um sich an ihren Eltern zu rächen. Aber scheinbar war seine Methode nicht so unerfolgreich, wie Remus gehofft hatte. Zu Greybacks treusten Untergebenen zählten nicht wenige Teenager. Junge Menschen, die eigentlich nach Hogwarts gehen sollten und in der Großen Halle mit ihren Freunden essen sollten, statt in diesem zerstörten Speisesaal zu stehen und Greybacks Parolen zu wiederholen.
Remus hatte zwei Tage gebraucht, um zu sehen, wer Greybacks treuste Rudelmitglieder waren, keine der erwachsenen Werwölfe, sondern zwei Teenagerinnen. Lucy und Layla Syncron, Zwillinge, nicht älter als 16 und so brutal, blutrünstig und gewissenlos wie Greyback selbst. Greyback selbst behandelte sich beinahe so, als wären sie seine Töchter. Sie saßen beim Essen immer neben ihm am Tisch und waren die einzigen im ganzen Rudel, die nie nach draußen geschickt wurden, um Essen zu stehlen oder ein Haus für einen Angriff auszuspionieren.
Wie Greyback selbst erinnerten auch die Syncron-Zwillinge schon in ihrer menschlichen Form an Wölfe, anders als bei Greyback sah es bei den Zwillingen jedoch gefährlich aus, statt abstoßend und bestialisch. Zähne und Fingernägel hatten sie zu regelrechten Waffen spitz gefeilt. Mit ihren langen, blonden Haaren und den grün-blauen Augen wären sie unter anderen Umständen wunderschön gewesen. Auf eine gewisse Art waren sie auch jetzt schön. Keine von ihnen sah so zerlumpt, abgemagert und verhärmt aus wie die anderen Werwölfe. Als einzige im ganzen Rudel bekamen sie Geld, um sich Dinge zu kaufen, statt sie stehlen zu müssen. Das Geld hatten natürlich andere zuvor gestohlen. Sie durften sich neue Kleidung kaufen, oder was auch immer ihnen gefiel.
Doch natürlich bekamen auch die Zwillinge hier nichts umsonst. Auch sie mussten für Greyback arbeiten. Wann immer Greyback mit den Todessern zu tun hatte, hatten die beiden das Kommando. Und unter ihrer Aufsicht ging es in der Ruine nicht anders zu als unter Greybacks.
Die beiden waren auch Greybacks Drohung an die anderen Werwölfe und seine Strafe, wenn jemand sich nicht an die Regeln hielt.
Remus hatte selbst schon mitangesehen, was einem blühte, wenn man Greyback verärgerte. Wenn man Glück hatte, stürzte sich eine der beiden- meist aber alle zwei gleichzeitig- auf einen und stellten die Schärfe ihrer Fingernägel und Zähne unter Beweis. Wenn man Pech hatte, stürzten sie sich bei Vollmond auf einen. Wie Greyback hatten sie es geschafft, bei Vollmond bei mehr oder weniger vollem Bewusstsein zu sein und die Kontrolle über ihre Handlung zu haben. Die meisten anderen Werwölfe hatten dagegen keine Chance mehr. Remus hätte es nicht gewundert, wenn diese Bestrafung schon einigen das Leben gekostet hatte.
Greyback machte keinen Hehl daraus, dass er solche Wölfe wie Lucy und Layla für sein Rudel wollte. Für seine Armee, mit der er sich an den Zauberern rächen wollte.
Remus hatte gleich bei seiner Ankunft gemerkt, wie die Dinge hier liefen: Greyback hatte das Kommando und niemand dachte auch nur daran, sich seinen Anweisungen zu widersetzen. Außer einer Hand voll Auserwählter behandelte er die anderen im Rudel immer von oben herab. Er versprach ihnen Rache an den Zauberern, schickte sie aber gleichzeitig auf Missionen. Wer nicht zum Kreis seiner Auserwählten gehörte, bekam selbst nach erfolgreichen Missionen keine Belohnung, nicht einmal lobende Worte waren drin. Wer auf Nahrungssuche geschickt worden war, musste die ganze Beute selbstredend ans Rudel abgeben, damit alle etwas davon hatten. Greyback und sein Kreis der Alpha-Wölfe, wie er seine Auserwählten bezeichnete, kümmerten sich um die Verteilung des Essens und sorgten natürlich dafür, dass sie selbst am meisten bekamen.
Wer sich Greybacks Anweisungen widersetzt, wurde rigoros und brutal bestraft.
Remus war schnell klar gewesen, dass die meisten Werwölfe nur deshalb hier waren, weil sie keinen anderen Ort hatten, an den sie gehen konnten. Und dass viele diesen Ort mittlerweile schon als eine Art zuhause ansahen. Er hatte Werwölfe kennengelernt, die etwa so alt waren wie er. Sie hatten nicht das unfassbare Glück gehabt, bei ihren Eltern aufzuwachsen und sogar nach Hogwarts gehen zu können. Sie waren hier aufgewachsen, mit Greybacks Parolen und dem Versprechen von Rache.
Bei den Todessern mochte Greyback auf der untersten Stufe stehen, doch hier stand er ganz oben.
Und während im Orden mindestens als gleichwertiges Mitglied galt, musste er sich hier ganz unten einordnen.
Ihm war schon im ersten Moment klar gewesen, dass seine Mission nicht so verlaufen würde, wie Hagrids Reise zu den Riesen. Er würde niemals vor dem ganzen Rudel sprechen können und Dumbledores Position erklären können. Er war nicht als Gesandter, er war als Spion hier.
So blieb Remus nichts anderes übrig, als zu versuchen einzelne Werwölfe zu überzeugen auf Dumbledores Seite zu wechseln.
Und Greyback durfte das niemals erfahren.
Er war nicht als Gesandter, er war als Spion hier!
Im Grunde riskierte er mit jedem Moment, in dem er hier war, sein Leben.
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Of Monsters and Humans
FanfictionAuf Dumbledores Wunsch hin, schließt Remus Lupin sich den Werwölfen im Untergrund an. Dort trifft er nicht nur auf Fenrir Greyback, sondern auch auf Werwölfe, die nur darauf brennen, sich an den Zauberern zu rächen. Und er sieht, was mit den Kinder...