Dienstagabend. 22:54.
Dunkles Grollen brachte den Himmel zum Erzittern. Regen prasselte in Strömen auf die Erde. Die Hagelkörner drohten, Fenster einzuschlagen. Das Wasser versickerte nicht mehr im Erdboden.
22:55.
Der Strom fiel aus. Keine Elektrizität mehr.
Ganz Altonsgate verschwand in der Dunkelheit.
Und die Menschen? Sie fürchteten sich vor dem nahenden Unheil, einem unangekündigten Gewitter, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatten.
Verantwortlich hierfür war niemand Geringeres als das Duo, das sich oben in den Bergspitzen mit Worten bekriegte. Shayla, das Hexenmädchen, war vor einigen Tagen spurlos verschwunden.
Sie kam nicht nach Hause. Niemand wusste, wo sie war. Zuletzt hatte man sie in der Bibliothek gesehen, doch dann?
Ein Unfall? Eine Entführung? Niemand wusste es. Doch sie hatten Angst. In dieser Nacht bangten die Bewohner Altonsgates um ihr Leben.
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"Das kannst du doch nicht von mir verlangen!", drang Shaylas Stimme kraftlos über die Berggipfel hinweg.
Lucian grinste bloß, während Caiden neben ihm auf die Knie sank. Eine reine Illusion, ein Blick in die Zukunft. Shayla musste sich entscheiden. Ihr Bruder oder ihre ganze Art.
Auf einmal verschwand das Grinsen von Lucians Lippen, stattdessen spiegelte sich aller Zorn, die Wut und sein Rachegelüste in seinen Augen wider, die grell aufflackerten. Hinter ihm schoss ein Blitz aus den Wolken und schlug im kleinen Städtchen Altonsgate in einen alten Bauernhof ein. Das morsche Holz der Scheune fing sofort Feuer.
Feuerwehrsirenen. Rotes Licht. Geschrei.Man wusste sich nicht zu helfen.
"Du hast es gefunden. Gib es mir und ich werde meinen Teil der Abmachung halten", forderte Lucian erneut. Düster und kalt, forsch und emotionslos klang seine Stimme. Er war unberechenbar.
Mit welchem Monster hatten sie es hier zu tun?
Was war aus ihm geworden? Aus dem kleinen Jungen mit den dunkelbraunen Locken und den haselnussbraunen Augen, der in Thysus Armen Schutz suchte, oben in den Baumkronen?
Von ihm war nichts mehr zu erkennen.Nein, vor Shayla stand ein kaltblütiger Mörder.
Shaylas Augen färbten sich urplötzlich gelb. Sie neigte den Kopf zum Himmel. Die Wolken brachen, ein Lichtschimmer schallte hindurch und durchfuhr sie.
Das Grinsen auf Lucians Lippen tauchte wieder auf, doch er wich dennoch ungläubig einen Schritt zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. "Zelda", stellte er erstaunt fest.
Natürlich musste es so sein. Nur deshalb konnte Caidens Macht derart groß sein. Die Geschwister waren direkte Nachfahren seiner größten Feindin. Seiner ehemaligen Freundin.
"Ich beschütze die meinen, Lucian. Und jetzt kriech zurück in die Hölle. Dahin, wo du hingehörst."
In dem Moment ertönte ein lautes Donnern, grelles Licht schoss auf ihn zu. Seine Sicht war getrübt, alles verschwamm. Ein hoher Ton besetzte seinen Kopf und ließ ihn nicht mehr los. Ihm wurde schwarz vor Augen... doch nein, er gab nicht auf. Nicht dieses Mal. Er musste nicht stärker sein als Zelda. Sie steckte in Shaylas Körper...er musste also nur das Mädchen loswerden.
Schwarze, federne Flügel breiteten sich wie von selbst an Lucians Rücken aus, ihm fehlte die Kraft, seine Verwandlung zu unterdrücken. Alles, was er hatte, verwendete er gegen Zelda.
Er rief den Himmel an, zu Gott. Wieder ein greller Blitz, der einen Menschen zum Erblinden bringen mochte. Der Schlag traf nicht ins Leere, nein. Im Gegenteil.
Leichenblass kippte Shaylas Körper um. Ihr letzter Herzschlag verstrich. Und mit ihr starb auch Zelda.
Es gab keine Minute der Stille und der Trauer. Niemand kümmerte sich um das Leben des Mädchens, welches ein so reines Herz hatte. Lucian griff lediglich nach dem uralten Buch, das neben ihrem leblosen Körper am Erdboden lag und schwang sich damit in die Lüfte.
"if the world was ending, you'd come over, right?"
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𝕯𝖊𝖛𝖎𝖑 𝖙𝖔𝖜𝖓 ʳᵖᵍ
RandomIn einer Stadt, in der jeder jeden kennt, ist es schwer, sein Geheimnis zu wahren.