In dem Vorlesungssaal angekommen setzen Jisung und ich auf unsere Stammplätze, da wir uns auf diesem am wohlsten fühlen. Komplett isoliert von den ganzen Störenfrieden. Nicht zu weit vorne und auch nicht zu weit hinten. Man kann dem Professor relativ gut folgen und gleichzeitig kann man sich hervorragend ablenken, wenn meine Lust hat, zuzuhören, weil es irrelevant ist oder weil man dies bereits kennt. Als der Professor beginnt, seinen Vortrag zur theoretischen Informatik vorzulesen, bin ich noch in den ersten Minuten aufnahmefähig, doch dann merke ich, dass ich nach zehn Minuten den Faden verliere, da ich einmal kurz in Gedanken gewesen bin. Ich hasse das, denn dies passiert mir nahezu jedes Mal. Einmal verliere ich mich in den Gedanken und dann habe ich keinen Plan mehr, wo ich ansetzen soll. Also gebe ich auf und lasse die Gedanken zu.
Meine Augen schließen sich und ich merke, wie sich all die dunklen Gewitterwolken in meinen Kopf ziehen, als würde es gleich einen gewaltigen Sturm aus traumatischen Gedanken bestehend geben. Ich bin darauf vorbereitet, also lasse ich es zu, wie sehr ich in diese Gedanken verfalle, die mich von der Realität wegreißen. Wo bin ich? Ganz gleich, wo ich mich jetzt befinde, ich bin jetzt nicht da, wo ich sein sollte. Geistlich. Bei der Vorlesung für theoretischen Informatik sollte ich sein.
Die Gedanken sind zufällig und zusammenhängend. Der eine Gedanke sagt mir, dass ich das Informatikstudium abbrechen soll, da aus mir eines Tages auf Grund meiner Depressionen, bei denen ich es seit Jahren nicht schaffe, diese zu bewältigen, nichts mehr werden kann. Der andere Gedanke droht mir einfach, entweder meine Fäuste gegen die Wand zu ballern oder dem Leben ein Ende zu setzen, weil alles keinen Sinn macht.
Täglich nahezu derselbe Ablauf und da kann man sich fragen, zu was der ganze Scheiß schon führt, denn eines Tages sterben wir alle sowieso. Ich verliere die Hoffnung immer mehr. Ich merke, wie ich mich immer mehr in diese Gedanken reinsteigere. Wo bin ich? Es fühlt sich an, als wäre ich nicht mehr hier. Dann würde es wiederum keinen großen Unterschied machen, ob ich jetzt weiter dissoziiere oder einfach endlich sterben kann. Wieso musste man mich davon abhalten und in die Therapie stecken, aus Hoffnung, man könnte mir aus diesem Loch heraushelfen.
Ich stecke schon seit über sieben Jahren in ihrem Loch. Mir ist nur kurzfristig zu helfen, doch auf Dauer wird es nicht reichen. Ich warte nur auf dem Moment, an dem mein Leben ein Ende gibt, da es für mich nur begrenzt Zukunftsperspektiven gibt. Ich weiß, welcher Beruf für mich wäre, doch wäre ich auch in naher Zukunft weiterhin in der Lage, eigenständig zu leben? Ich habe zu Hause das Gefühl, nichts auf die Reihe zu bekommen.
Ich wünsche mir, einfach vom Erdboden verschlungen zu werden.
,,Wach auf!" nehme ich plötzlich akustisch wahr und meine Augen reißen sich automatisch auf, als würde man mich vor einem Angriff warnen. Jisung rüttelt an mir, als wäre ich während der Vorlesung eingeschlafen. Das stimmt allerdings nicht, auch wenn es so wahrscheinlich auf ihn gewirkt hat. Ich war weg. Ganz weit weg. Und er hat mich einfach hierhin geholt, als wäre ich nie weg gewesen. Er hat mich ins Leben zurückgebracht, doch wie ist das nur passiert? Nicht einmal Boram hat es geschafft, mich so schnell zurückzuholen. Was auf immer das jetzt gewesen sein mag, ich bin Jisung mehr als dankbar, dass er mir eine große Hilfe gewesen ist.
Auch wenn mir Jisung ganz gut aus diesem Loch geholfen hat, mir geht es beschissen. Am liebsten will ich mich abmelden und mich bei mir zu Hause einschließen. Ich will mich von jedem Wesen der Welt distanzieren. Doch die andere Seite von mir bevorzugt es gerade, jemanden bei sich zu haben. Sollte ich Jisung vielleicht fragen, ob er Lust hätte, sich nach der Uni mit mir zu treffen, da unsere Stundenpläne sowieso nahezu identisch sind. Sicherlich würde es mir ganz gut tun, Zeit mit einem guten Freund zu verbringen. Vielleicht gemeinsam für das Studium lernen oder mit seinem Auto irgendwo hinfahren, um ein wenig zu Ruhe zu kommen. Ich bin mir sogar zu hundert Prozent sicher, dass ich für alles offen wäre, doch wie würde es Jisung sehen? An seinem starken Nikotinkonsum entnehme ich, dass er für gewöhnlich ziemlich in Stress ist. Wahrscheinlich würde ich ihn dabei aufhalten, wenn wir beide uns treffen würden. Dann lasse ich es lieber.
Sehr wahrscheinlich hat Boram Zeit, wenn sie nicht allzu sehr damit beschäftigt ist, für ihre nächsten Klausuren zu lernen. In meinem Kopf habe ich abgewägt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich den Abend nicht alleine aushalten kann. Also muss ich mich jetzt entscheiden, ob ich mich mit Jisung oder Boram treffe. Jemand anderen habe ich hier nicht und meine Eltern sind umgezogen, nachdem ich ausgezogen bin, da sie nur meinetwegen in der Stadt wohnen wollen, denn eigentlich bevorzugen sie es ländlich. Ich seufze leise und plötzlich fragt mich Jisung:
,,Hey Hyung.. kann ich etwas für dich tun?" Dabei klingt der jüngere Brünette ziemlich nervös. Ich zucke mit den Schultern und vergewissere ihm: ,,Mach dir keine Sorgen um mich." was eine Lüge, aber was solls? ,,Man kann gerade nichts für mich tun. Ich bin einfach nur ein wenig erschöpft." merke ich zusätzlich an. Aus Jisungs Mund schleicht sich nur noch ein leises Seufzen und folgende Antwort: ,,Wir reden gleich in der Pause darüber, wenn du es brauchst."
,,Nein.. wie gesagt. Es ist nicht wirklich etwas." mache ich ihm klar, auch wenn dies nicht der Wahrheit entspricht. Ich blicke nach vorne und tue so, als würde ich zuhören. In Wahrheit bin ich nicht einmal annährend aufnahmefähig. Ich lehne mich zurück und warte darauf, bis die Vorlesungen für heute ein Ende nehmen. Bedauerlicherweise kontrolliert unser Professor die körperliche Anwesenheit, weshalb ich mich nicht einfach blau machen kann.
Ich muss mich dadurch kämpfen, auch wenn der Tag noch sehr hart für mich sein wird.
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ʙʀɪɴɢ ᴍᴇ ʙᴀᴄᴋ ᴛᴏ ʟɪғᴇ ᵐⁱⁿˢᵘⁿᵍ ✔️
Fanfiction„𝙴𝚒𝚗𝚏𝚊𝚌𝚑 𝚓𝚎𝚍𝚎𝚗 𝙰𝚝𝚎𝚖𝚣𝚞𝚐 𝚐𝚎𝚗𝚒𝚎𝚜𝚜𝚎𝚗. 𝙴𝚒𝚗𝚊𝚝𝚖𝚎𝚗. 𝙰𝚞𝚜𝚊𝚝𝚖𝚎𝚗, [...] 𝚞𝚖 𝚍𝚒𝚎 𝙱𝚎𝚜𝚝𝚊𝚎𝚝𝚒𝚐𝚞𝚗𝚐 𝚣𝚞 𝚑𝚊𝚋𝚎𝚗, 𝚗𝚘𝚌𝚑 𝚊𝚖 𝙻𝚎𝚋𝚎𝚗 𝚣𝚞 𝚜𝚎𝚒𝚗. 𝙸𝚌𝚑 𝚠𝚒𝚕𝚕 𝚖𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚏𝚞𝚎𝚗𝚏 𝚂𝚒𝚗𝚗𝚎...