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“Robin, ich muss los.” Jonnys Stimme klang genauso verschlafen, wie er aussah. Mit einem Gähnen richtete er sich ein Stück auf, wirkte dabei selbst nicht gerade so, als wäre er von seinem Vorhaben sonderlich begeistert.
Nicht weniger schläfrig blickte Robin zu ihm auf, legte seinen Arm fester um Jonnys Taille. Murmelte mit kratziger Stimme: “Warum denn?“
„Weil in einer Stunde die Uni losgeht.“ Ein Argument, das nicht von der Hand zu weisen war, dennoch löste Robin seine Umarmung nicht.
„Na und? Dann kommst du eben erst zur zweiten Vorlesung…“
„Das geht nicht.“
„Wieso nicht?“ Es war keine ernsthafte Diskussion, die beide miteinander führten. Robin hatte nicht wirklich vor, Jonny zurückzuhalten; ihm war klar, dass sein Verlobter das Studium nicht so locker nahm, wie viele seiner Kommilitonen es wohl taten. Das konnte er auch gar nicht. Zu viel hatte er investiert, um diese Chance zu bekommen, er würde nicht riskieren, aufgrund von mangelnder Präsenz nicht zu den Prüfungen zugelassen zu werden oder durch eine davon durchzufallen.
Es war einfach bloß ein Spiel, das sie immer wieder spielten. Kein ungutes Gefühl, das Robin an diesem Morgen dazu veranlasste, Jonny zum Bleiben zu bringen. Keine an Vorsehung grenzende Gewissheit, dass etwas schreckliches passieren würde, auch, wenn es ihm im Nachhinein immer wieder so vorkam, als wäre da etwas gewesen, eine unbestimmte Aura von Unheil.
Doch das war bloß ein klassischer Rückschaufehler, nichts weiter. Hätte Robin wirklich geglaubt, dass etwas passieren würde, dann hätte er Jonny niemals gehen lassen.
Jonny sah Robin an, seufzte theatralisch. „Ich würde ja wirklich gern hier mit dir liegenbleiben, aber wenn ich jetzt nicht aufstehe, dann tu ich das wahrscheinlich in den nächsten Stunden gar nicht mehr.“
„Du sagst das so, als wäre das etwas schlechtes…“
„Nicht direkt, aber die Uni sieht das sicher anders.“
„Du lässt dir von einem Gebäude vorschreiben, was du tun sollst?“
„Du bist ein Idiot!“
Jonny lachte und richtete sich auf, beugte sich zu Robin und küsste ihn kurz auf die Wange.
Robin erschauderte. „Ich weiß“, erwiderte er, während er seine Umarmung ein wenig lockerte, Jonny betont enttäuscht ansah und sich etwas zurücklehnte. „Schön, dann geh halt und lass mich hier alleine zurück…“
Im nächsten Moment atmete er überrascht auf, als Jonny sich über ihn beugte, die Hände auf seine Schultern gelegt, ihn auf die Matratze drückte. Er konnte spüren, wie sein Herz schneller schlug, sein Puls sich beschleunigte, und wie diese Empfindungen sich noch steigerten als Jonny sich zu ihm beugte und ihn erneut küsste.
Dieses Mal war es ein richtiger Kuss, und automatisch erwiderte Robin ihn, legte wieder die Arme um seinen Freund und drückte ihn an sich. Eine Wärme breitete sich in seinem Körper aus, angenehm, und gleichzeitig voller Erwartung, Ungeduld.
Kurz waren da die bekannten Gedanken, die Befürchtungen, dass er zu anhänglich war. Zu aufdringlich. Zu viel forderte von einer Person, von der er eigentlich bloß wollte, dass es ihr gut ging. Die alten Zweifel, die alte Selbstunsicherheit.
Doch diese Gedanken blieben nicht lange. Wurden beiseitegeschoben von den Berührungen, von der Nähe. Diesem unfassbar schönen Gefühl der Geborgenheit.
Beide waren etwas außer Atem, als Jonny den Kuss schließlich löste. Er musterte Robin, und in seinem Blick glaubte dieser, so etwas wie Bedauern erkennen zu können.
„Tut mir ja wirklich leid, aber ich muss los“, sprach er ein weiteres Mal die grausame Wahrheit aus, die Robin frustriert aufatmen ließ. Löste sich, dieses Mal vollständig, aus dessen Umarmung und setzte sich auf die Bettkante, um nach ein paar Sekunden, die er für gewöhnlich brauchte, bis sein Kreislauf dazu bereit war, auszustehen.
„Du bist wirklich gemein!“, rief Robin ihm nach, wobei es ihm nicht gelang, so ernst zu klingen, wie er es beabsichtigt hatte. Noch immer spürte er seinen Puls deutlich, und er hätte viel dafür gegeben, dass Jonny noch länger bei ihm geblieben wäre. Zumindest noch ein paar Minuten.
„Ich weiß“, erklang die Antwort aus dem Flur, gedämpft von der angelehnten Zimmertür. Dann folgte das Geräusch der Badezimmertür, die ins Schloss fiel.
Robin seufzte. Vermutlich war er doch zu anhänglich, zumindest konnte es doch nicht normal sein, dass es ihn jedes Mal dermaßen störte, wenn Jonny ohne ihn für ein paar Stunden das Haus verließ. Nicht, weil er eifersüchtig wäre - das wäre wirklich albern und vermutlich auch ungesund kontrollierend gewesen, wenn er jedes Mal derartige Gedanken gehabt hätte - sondern einfach, weil er sich einsam fühlte. Ein Gefühl, das ihn viel zu sehr, viel zu schmerzhaft an die dunklen Phasen seiner Vergangenheit erinnerte.
Als Jonny wieder aus dem Bad kam hatte Robin es geschafft, sich aufzusetzen, sodass er in den Flur blicken und sehen konnte, wie sein Freund sich auf den Weg in die Küche machte.
„Hast du heute Abend Lust auf Sushi?“, rief er ihm zu, worauf Jonny sich zu ihm drehte, kurz zögerte, und dann nickte.
„Klar. Ich hab immer Lust auf Sushi.“
„Ja ich weiß… gut, dann bestell ich was!“ Die Idee war Robin spontan gekommen, aber sie gefiel ihm; die Vorstellung, einen gemütlichen Abend zu verbringen, sich zusammenzusetzen und gemeinsam zu essen, etwas, das in der allgemeinen Hektik des Alltags oft unterging, war zumindest ein wenig ablenkend davon, dass er die nächsten Stunden alleine verbringen würde.
Was Jonny noch erwiderte verstand Robin nicht mehr, vermutlich war es jedoch etwas gewesen wie „Ich nehm dann das Übliche“, was in seinem Fall einen Haufen Maki mit Gurke und Avocado bedeutete.
Das Übliche. Ein ganz normaler Tag.
Gegen 5 Uhr verließ Robin die Wohnung, um das Sushi abzuholen. Kurz vorher hatte Jonny ihm geschrieben, dass die letzte Vorlesung ausfiel und er deshalb bereits gegen halb sieben zuhause sein würde, und so war Robin direkt aufgebrochen, nachdem er geantwortet hatte, dass Jonny auf sich aufpassen sollte.
Das übliche Prozedere. Sie wussten beide, dass dort draußen jemand war, von dem eine Gefahr ausging, und sie waren beide wachsam. Seit Monaten ging das so, die Drohungen, die höhnischen Nachrichten.
Monate, in denen nichts passiert war. Verstrichene Zeit, die langsam immer mehr den Verdacht zuließ, dass niemals wirklich etwas passieren würde. Dass die bedrohlichen Anrufe und Textnachrichten, die in unregelmäßigen Abständen eingingen, nicht mehr waren als hohle Worte eines verdrehten, von Wut zerfressenden Verstandes.
So machte Robin sich nicht wirklich Gedanken, als er auf seine letzte Nachricht keine Antwort mehr erhielt. Vermutlich war Jonny beschäftigt, und was hätte er auch anderes zurückschreiben sollen als die üblichen Floskeln; dass er natürlich auf sich aufpassen würde, dass er sich auf heute Abend freute und so weiter. Es war absolut typisch für Jonny, dass er darauf verzichtete, diese ewig gleichen Sätze von sich zu geben und seine Zeit damit zu verschwenden, etwas zu sagen, das Robin ohnehin eigentlich wusste.
Trotzdem war es noch nicht einmal halb sieben, als Robin begann, sich Sorgen zu machen.
Er wusste nur zu gut, dass Jonny zu pragmatisch war für Smalltalk. Egal, wie oft Robin ihn bat, kurz zu schreiben, wenn er sich auf den Heimweg machte, Jonny vergaß es einfach. Nichts Schlimmes, aber manchmal machte es Robin wahnsinnig. So wie an diesem Tag.
Als halb sieben dann vorbei war nahm seine Nervosität zu. Er stand am Fenster und beobachtete die Straße, kontrollierte parallel immer wieder sein Handy auf Anrufe oder Nachrichten, beides ohne Erfolg. Er sah den Bus – bereits den späteren als der, den Jonny normalerweise genommen hätte - an der Haltestelle am Ende der Straße halten, sah Leute ein- und aussteigen. Lauter Fremde. Niemand darunter, den er näher kannte.
Vier Mal lief er zur Wohnungstür, kontrollierte, ob die Klingel womöglich ausgeschaltet war. Eigentlich hatte Jonny einen Schlüssel, aber vielleicht hatte er ihn ja vergessen, oder verloren…
Er ging ins Treppenhaus, sah sich um, um dann wieder zum Fenster zu laufen und nach draußen zu starren, als hätte sein Beobachten irgendeinen Einfluss darauf, ob Jonny nach Hause kam oder nicht.
Er schrieb Lola, fragte sie, ob sie etwas gehört hatte, aber ihre Antwort würde erst Stunden später kommen nachdem sie ihre Schicht im Supermarkt beendet hätte, und zu diesem Zeitpunkt wusste Robin längst, was passiert war.
Es war zwanzig vor neun, und langsam fürchtete Robin ernsthaft, den Verstand zu verlieren, als sein Handy klingelte.
Jonnys Nummer auf dem Display zu sehen löste in Robin ein starkes Gefühl der Erleichterung aus. Alles war gut, oder zumindest in Ordnung, Jonny würde erklären was passiert war und weshalb er sich nicht eher gemeldet hatte; vermutlich steckte ein absolut bescheuerter Grund dahinter, und sobald das letzte Gefühl von Sorge verschwunden wäre würden sie beide darüber lachen, während sie endlich gemeinsam das Sushi aßen das seit Stunden unberührt auf dem Esstisch herumstand.
Dann hörte Robin die Stimme.
„Hallo, Robin.“
Sie klang ruhig, gefasst, dabei dezent amüsiert. Als wäre das alles für sie ein riesiger Spaß. Und sie gehörte nicht Jonny.
Es war Seine Stimme, die Stimme des Mannes, der immer wieder versuchte, Robins Leben zur Hölle zu machen, seit Jahren bereits. Marcs Stimme.
Beinahe hätte Robin das Handy fallengelassen. Er wollte schreien, schwankte, musste sich an der Fensterbank festhalten um nicht in sich zusammenzusacken. Die weiteren Worte des Anrufers verstand er nur schwer, sie waren dumpf, verzerrt, als kämen sie von weit, weit weg. Und ohnehin hatte er sie sofort wieder vergessen. Nicht, dass sie wichtig gewesen wären.
Marc hatte aufgelegt, bevor Robin selbst sich so weit hatte sammeln können, dass er auch bloß einen Laut hätte hervorbringen können.
Sekunden später vibrierte das Handy in seiner Hand erneut, doch dieses Mal war es kein Anruf.
Es waren Fotos.
26 Stück insgesamt, aber bereits nach zweien war Robin nicht mehr in der Lage, sich mehr davon anzuschauen.
Er wollte es nicht sehen. Wollte nicht sehen, wie Jonny blutend auf einem dreckigen Betonboden lag, voller Schnittwunden und dunkler Flecken, die auf Schläge hindeuteten.
Die nächste Nachricht, die er erhielt, beinhaltete einen Standort, gemeinsam mit den Worten „je schneller du hier bist, desto mehr Schmerz kannst du ihm ersparen.“
Robin hatte nicht eine Sekunde lang daran gedacht, die Polizei einzuschalten. Zu riskant, und dabei wohl nichts weiter als Zeitverschwendung. Es ging dem Absender nicht darum, Geld zu bekommen oder irgendetwas anderes, über das zu verhandeln gewesen wäre.
Es ging ihm einfach bloß darum, Robin zu bestrafen. Sich zu rächen für etwas, das in seinen Augen ein furchtbares Unrecht gewesen war.
Und Robin hatte geglaubt, dass diesem hasserfüllten Mann das reichen würde. Dass es ihm ausreichend Genugtuung sein würde, zu sehen, wie Robin darunter litt, was seinem Freund passiert war. Dass er mit Freude zusehen würde, wie Robin verzweifelte, und es dann gut sein lassen würde.
Robin hatte nicht geglaubt, dass Marc weitergehen würde. Das passte nicht zu ihm; Marc war jemand, der große Töne spuckte, herumpöbelte und gerne mal zuschlug, aber nicht mehr. Nicht so.
Und so ging er alleine. Nahm die Waffe mit sich, die immer versteckt in der untersten Küchenschublade lag, nicht wirklich davon ausgehend, dass er sie würde benutzen müssen.
Machte sich auf den Weg zu dem Ort den Marc ihm geschickt hatte, rannte große Teile der Strecke, ignorierend, dass das Seitenstechen ihn umbrachten und Panik weiterhin im Begriff war, die Kontrolle über ihn zu gewinnen.
Er glaubte nicht, dass Marc Jonny töten würde, aber das bedeutete nicht, dass seine Angst irgendwie gemindert wurde. Jede Sekunde, die sein Verlobter sich in der Gegenwart dieses Mannes befand bedeutete potenziell mehr Leid für ihn, und allein der Gedanke daran brachte Robin beinahe um den Verstand.
Er war bereit, alles zu tun, was Marc von ihm verlangte. Ihn anzuflehen, zu betteln, all diese erniedrigenden Dinge, bei denen Robin normalerweise schon der Gedanke daran Übelkeit verursachte.
Es war egal. Ganz egal. Hauptsache, es bewahrte Jonny vor mehr Schmerzen.
Und all diese Dinge hatte er keine halbe Stunde nach Marcs Anruf wirklich getan. Ein Teil von ihm war von sich selbst angewidert gewesen, davon wie er dort auf dem Boden hockte und zu Marc aufsah, der einige Meter von ihm entfernt stand und ein Messer an Jonnys Kehle hielt, alles sagte, was von ihm verlangt wurde und einfach bloß zu Marcs Belustigung diente.
Aber dem Großteil von ihm war egal gewesen, wie armselig er ausgesehen haben musste. Das Einzige, was in diesem Moment wirklich von Bedeutung gewesen war, war, dass Jonny nicht noch mehr verletzt werden würde.
Er hatte alles getan, und es hatte ausgesehen, als wäre Marc damit zufrieden. Er hatte Jonny irgendwann von sich weggeschubst und war einige Schritte zurückgewichen, hatte zugesehen wie Robin zu seinem Verlobten gestürzt war und ihn an sich gezogen hatte.
Jonny war voller Blut gewesen, er zitterte und verkrampfte immer wieder unkontrolliert, aber die Verletzungen, mit denen er übersät gewesen war, waren nicht lebensbedrohlich gewesen.
Und Robin hatte geglaubt, dass es vorbei war.
Die Pistole hatte in seiner Manteltasche gesteckt, doch er hatte in diesem Moment keinen Gedanken daran verschwendet, die auf Marc zu richten, denn Marc war jetzt nicht wichtig, er hatte bekommen was er wollte, und sicher würde Robin ihm das irgendwann heimzahlen, aber nicht jetzt, nicht hier, nicht, während Jonny stark blutete und immer wieder bei jeder kleinen Bewegung versuchte, Aufschreie von Schmerz zu unterdrücken.
Robin hatte geglaubt, dass er noch Zeit haben würde. Dass es vorbei war, fürs erste.
Und plötzlich war Marc wieder da gewesen, direkt hinter Jonny, aber bloß für wenige Sekunden, und Robin hatte nicht verstanden, was überhaupt passierte. Jonny hatte geschrien, und dann war etwas zu Boden gefallen, während Marc sich umgedreht hatte und losgerannt war, dieses Mal wirklich in der Absicht, zu verschwinden.
Erst, als Robin das blutige Messer auf dem Boden gesehen hatte, hatte er ansatzweise begriffen.
Aber da war es längst zu spät gewesen.

„Es tut mir so unglaublich leid“, flüsterte Robin.
Das wievielte Mal war es, dass er diese Worte aussprach, Worte, die keinerlei Bedeutung innehatten und ungehört verklangen?
Er wusste es nicht. Und es spielte auch keine Rolle.
Es war vorbei, es gab nichts, was er noch tun konnte, und das Gefühl der Ohnmacht machte ihn beinahe wahnsinnig. Ebenso, wie die Schuld. Hätte er Jonny bloß nicht gehen lassen…
Robin hatte nicht gemerkt, wie er wieder von der Couch aufgestanden war und begonnen hatte, im Zimmer auf und ab zu laufen. Ruhelos von einer Wand zur anderen, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Bloß nicht aufsehen, nicht die Bilder ansehen, oder irgendetwas anderes, das die Erinnerung an seinen Verlobten und damit den Schmerz wieder verstärken würde...
Ja, die Wohnung fühlte sich zu leer und zu groß an. Und gleichzeitig gab sie Robin das Gefühl, in ihr zu ersticken.
Er musste hier raus. Er ertrug es nicht, hier zu sein, in diesen Wänden in denen er so viele schöne Stunden zusammen mit Jonny verbracht hatte. Stunden, die nun bloß noch der Vergangenheit angehörten und sich niemals wiederholen würden.
Der Schmerz war zu groß, und der Druck, den die Trauer in seiner Brust verursachte, nahm ihm den Atem.
Diese Wohnung war wie Gift für ihn. Das wurde mit jedem Tag, der verstrich, deutlicher und deutlicher.
Als Robin nun wieder seinen Mantel ergriff und ihn sich überzog glitt das Messer aus der Tasche und fiel zu Boden.
Kurz betrachtete er es, musterte die silbrige Klinge und überlegte, ob er es aufheben sollte, entschied sich dann jedoch dagegen.
Was glaubte er eigentlich, mit diesem Messer ausrichten zu können?
Die Chance, Marc zufällig über den Weg zu laufen, war bereits gering genug. Noch unwahrscheinlicher war es, ihn in eine Situation zu bringen in der es ihm gelingen würde, ihn mit einem Messer ernsthaft zu verletzen.
Marc war ihm körperlich eindeutig überlegen; gut zwei Köpfe größer als Robin und fast doppelt so breit wie er. Und in der Realität reichte es nicht so wie im Film aus, einmal zuzustechen um jemanden gefährlich zu verwunden. Marc würde ihn überwältigen, und was dann passieren würde wollte sich Robin gar nicht erst vorstellen. Nicht, dass der Gedanke, zu sterben, ihm ernsthafte Angst machte... wenn er an diese Option dachte, war da nichts als Gleichgültigkeit in ihm.
Doch würde das auch bedeuten, dass Marc ein weiteres Mal bekommen würde, was er wollte. Dass ihm keine Konsequenzen drohen würden, sofern er es wieder schaffen würde unterzutauchen, so wie er es nach Jonnys Ermordung getan hatte. Und er hätte eine weitere Genugtuung gehabt – die Person, die er so sehr hasste, wie es wohl auch andersherum der Fall war, endlich beseitigt zu haben.
Nein, das Messer war keine gute Option. Die Pistole wäre viel sinnvoller.
Es war ein Leichtes, die kleine Waffe im Mantel zu verstecken. Robin war nie ein Fan von der laschen Waffenpolitik des Staates Kansas gewesen, doch nun kam sie ihm sehr gelegen. Nicht, dass sie das im Falle, dass er Marc wirklich etwas antun würde, davor schützen würde bestraft zu werden.
Aber darum ging es ihm nicht. Sollten sie ihn festnehmen, wenn er wirklich etwas derartiges tun würde, das wäre nur fair. Und es war okay.
Dass Marc weiterhin unbehelligt sein Leben lebte, sich darüber freuend, was für Leid er Robin und auch Jonny angetan hatte, hingegen war nicht okay.
“Du solltest einfach hoffen, dass du mir nicht mehr über den Weg läufst”, murmelte Robin, während er die Stufen hinunter und durch die noch geschlossene Bar ging, die sich unter seiner Wohnung befand.
Und er war sich nicht sicher, ob er selbst das nicht auch besser hoffen sollte.

VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt