~Tag 1~

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{Ethans Sichtweise}

Ich ging durch die hellen Gänge der Schule, bis ich in der großen Aula ankam und mich dort in eine dunkle Ecke stellte. Ich zog mir meinen dunkelgrauen Hoodie über und zog mir die Kapuze tief in Gesicht. Gleich wäre es so weit. Sie würde durch die Türe der Schule kommen und wie an jedem Morgen würde sie an mir vorbeilaufen, ohne mich überhaupt zu bemerken. Ob mich das störte? Ein wenig vielleicht, doch in Fantasien zu schwelgen war oftmals besser als die Realität zu verändern. Meine Gedanken gi8ngen noch ein wenig weiter, doch plötzlich gingen die Türen der Aula auf und endlich, sie kam herein. Ihre dunklen, langen Haare fielen über ihre Schultern und bedeckten diese ganz. Ihre engen hellen blauen Jeans und ihr kurzärmliges azurblaues T-Shirt betonten ihre karamellfarbene Haut. Sam das schönste Mädchen der ganzen Schule, zumindest wenn es nach mir ginge. Alle anderen Mädchen waren einfach zu normal, sie hatten nichts an sich was mich interessierte und dennoch klebten sie mir jede freie Sekunde an der Backe. Bei dem Gedanken stieß ich einen genervten Seufzer aus, jedoch anscheinend lauter als gewollt, denn Sam, die gerade dabei war an mir vorbeizugehen, hielt an und drehte den Kopf zu mir. „Hey, geht’s dir gut?“, fragte sie mich und sah mit ihren haselnussbraunen Augen direkt in meine zartbitterschokoladenbraunen Augen. Mit einem sanften Lächeln sah sie mich an und legte den Kopf wartend leicht schief. „Bestens, mir geht es bestens.“, murmelte ich und löste meinen Blick endlich von ihren wunderschönen Augen. ‚In diesen Augen könnte man ja glatt versinken...‘, dachte ich. „Freut mich.“, sagte sie nur, drehte sich wieder um und ging den Gang entlang, höchst wahrscheinlich zu ihrer Klasse. Da viel mir ein, ich kannte weder ihre Klasse noch ihren Jahrgang. Seufzend sah ich mich um und entdeckte die Uhr der Aula versteckt hinter einem Palmwedel. Ja, wir hatten Palmen in unsrer Aula stehen. Warum jedoch, wusste niemand so genau, aber es hinterfragte ja auch keiner. Die Uhr zeigte 5 Minuten vor 8 Uhr an. ‚Genug Zeit.‘, meinte ich in Gedanken zu mir und trottete langsam, um unentdeckt zu bleiben, hinter Sam her. Es vergingen kaum 2 Minuten, da bog sie in einen Raum ein und verschwand darin. Unauffällig lehnte ich mich an die Wand, zog mein Handy heraus und tat so als würde ich ein Selfie machen, doch eigentlich fotografierte ich mir das Schild an ihrer Türe. Ja, ich hätte auch hingehen und es mir ansehen können. Das wäre mir jedoch zu auffällig gewesen und immerhin sollte nicht gleich jeder wissen das ich einem Mädchen ‚hinterher spionierte‘. Mit einem zufriedenen Grinsen wandte ich mich zum Gehen, doch da ertönte ein Schrei aus Sams Klasse. „Lass ihn doch einfach in Ruhe!“, schrie eine Stimme. Meine Miene verfinsterte sich schlagartig. Das war Sams Stimme gewesen. Ich überlegte einen Augenblick, doch ohne es zu merken hatte mein Körper sich bereits in die Klasse begeben. Was ich da sah, hätte mich beinahe zum Rückzug gebracht, aber was wäre denn das Leben ohne Risiken? Ein Junge hielt eine Art von Messer in der Hand, doch war die Klinge nicht gerade sondern gebogen und ziemlich schmal. Blut tropfte von der Klinge herab auf den beigen Overall des Jungen mit dem Dolch in der Hand. Mit vor Schmerz verzogenem Gesicht krümmte der Junge unter ihm den Oberkörper und keuchte: „Tut mir leid Joel, ich wusste nicht das Cláries deine Freundin ist.“ Der Junge, der Joel genannt wurde, schnaubte verabscheuend und ließ den Jungen fallen. Dieser landetet mit einem dumpfen Knall am Boden und sofort beugte sich Sam über ihn und drückte auf die schmale Stichwunde, um die Blutung abzuschwächen. Joel jedoch schien das nicht so toll zu finden und ehe ich mich versah, hatte ich den Jungen gepackt und ihm den Dolch aus der Hand geschlagen, da dieser gerade meine Sam angreifen wollte. ‚Meine?‘, dachte ich etwas verwirrt über meine eigene Wortwahl, achtet jedoch dann nicht weiter darauf, sondern riss Joel zu Boden und fixierte ihn dort, indem ich mein Knie auf seinen Rücken presste. Sam sah nur kurz erleichtert zu mir, was mir einen Schauer des Wohltuns durch meinen Köper fahren ließ, und wandte sich dann wieder dem Verwundeten zu. Unter mir wand Joel sich und versuchte, vergebens da ich sehr viel Stärker als der zweit Klässler war, sich aus meinem Griff zu befreien. „Bleib ruhig liegen Conner, sonst tut es noch mehr weh!“, zischte Sam gerade Conner und verband seine Wunde behelfsmäßig. Auch wenn der Junge verletzt war und sich die beiden anscheinend nur freundschaftlich nahestanden, löste es etwas in mir aus, sie so nah über einem anderen Jungen gebeugt zu sehen. Ich musste zu dem Zeitpunkt noch nicht, was das für ein Gefühl war, doch bald würde ich es herausfinden. Als nächstes vergrub ich den Gedanken an dieses ungute Gefühl erst einmal in den tiefen Abgründen meines Gedankenpalastes und konzentriert mich auf denjenigen unter mir. Er hatte sich mittlerweile ganz gut beruhigt und bat mich nun ‚ruhig und sachlich‘: „Geht runter du Wixxer. Ich habe besseres zu tun als mich hier noch länger aufzuhalten und meine Zeit zu verschwenden.“ Mit einem Augenverdrehen ließ ich von ihm ab und sofort stand Joel auf. Mit einem letzten, feindseligen, Blick sah er auf die Anwesenden und ging dann mit hoch erhobenem Kopf aus der Klasse, so als hätte er gerade den Kampf seines Lebens gewonnen. ‚Unnötiges provozieren‘, dacht ich still bei mir und schüttelte nur meinen Kopf, wobei mein dunkelbraunes Haaren etwas in mein Gesicht fielen. Es war mal wieder Zeit zum Friseur zu gehen, doch jeder Friseur der gut war und den ich einigermaßen kannte, hatte geschlossen oder war in einen anderen Stadtteil gezogen. „Hier.“, riss mich Sams Stimme aus meinen Überlegungen. Sie hielt mit ein schwarzes Haargummi für meine schon viel zu langen Stirnfransen hin. Ich verzog kurz das Gesicht. Ein Junge mit einem Haargummi? Das war für mich was Neues, doch dann nahm ich es und betrachtete es einige Sekunden lang. Da viel mir ein, ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man sich mit diesen Dingern die Haare zusammenband. Früher hatte ich für meine Stirnfransen immer ein Stirnband in Sport und Bewegung benutzt, doch selbst dafür waren sie mittlerweile etwas zu lang und vielen immer wieder an der Seite vor. Sam sah mich an, als würde sie auf etwas warten. Als ich das Haargummi nur ratlos ansah, nahm sie es mir aus der Hand, kniete sich vor mir hin und nahm meine Stirnfransen. Sie musterte meine Haare genau und band sie dann zusammen. Es zog stark und ich schnaubte leicht. „Das tut ja weh.“, meinte ich und schielte zu dem kleinen Schopf hoch, der über meiner Stirn baumelte und mit einem meiner Bewegungen mitwippte. Damit sah ich bestimmt bescheuert aus, doch Sam musterte mich mit einem zufriedenen Blick. Sie erkannte wohl nicht mein Unwohl sein mit diesem Ding an meinem Kopf rumbaumeln. Amüsiert grinste sie mich an, als sie meine Gedanken scheinbar ertappte und meinte: „Also ich finde es sieht gut aus so- anders.“ Sie lächelte und stand auf. Ich erhob mich ebenfalls vom Boden und begann mir den Staub vonmeiner dunklen Jeans zu klopfen. Conner hatte sich mittlerweile wieder aufgesetzt und gegen einen der Stühle hinter sich gelehnt. Ächzend hielt er sich an der Lehne des Stuhles fest und zog sich daran hoch. Sam eilte sofort zu ihm zurück und stützte ihn. Ein Schauer fuhr durch meinen Körper. Wie konnte er es wagen sich von ihr so bemuttern zu lassen? Sich von ihr anfassen zu lassen? Wut stieg in mir auf und ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Ethan, da bist du ja. Bro, ich habe dich schon seit einer Viertelstunde gesucht. Was treibst du hier?“, hörte ich die Stimme meines besten Freundes, Jake, doch seine Stimme hörte sich weit entfernt an. Meine Gedanken rasten. Aus einem mir unbekannten Grund ballte sich die Wut in mir. Ich verspürte nur mehr den Drang, diesen Conner Tod zu prügeln. Dann könnte er Sam nie wieder nahekommen und sie nie mehr anfassen. Mit diesem Gedanken machte ich einen Schritt nach vorne, doch ich stieß gegen ein Hindernis. Langsam wurde meine Sicht wieder klar und ich erkannte, was da in meinem Weg stand. Es war Jake, mein bester Freund, seit wir in den Kindergarten gingen stand vor mir und hielt mich an den Schultern fest. „Ethan? Hallo? Ist alles gut bei dir?“, fragte er mich mit einem leicht besorgten Unterton, seine Augen jedoch verrieten, dass er bereits eine Ahnung von dem hatte, was in mir vor sich ging. „Komm, wir gehen an die frische Luft.“, sagte Jake, packte mich am Arm und schleppte mich mit sich mit, bis auf den kleinen Schulhof hinaus. Dort ließ er mich nur zögernd los und musterte mich noch einmal argwöhnisch. „Was war das?“, fragte er mich. Ich wusste genau was er meinte. Selbst ich hatte jetzt bemerkt, was für schreckliche Gedanken das gewesen waren und konnte mir nicht erklären, wieso ich so ausgerastet war. Sam und Conner waren Freund, es war total normal, dass sie ihm half, vor allem da er ja jetzt noch dazu verletzt war. Wahrscheinlich würde sie jetzt bei ihm sein und ihn auch pflegen, wenn es sein müsste. Ich verdrängte den Gedanken einfach so gut es ging und grinste Jake an. „Was war was?“, fragte ich ihn und versuchte so überzeugend wie möglich zu sein. „Du weißt genau was ich meine. Du hast ausgesehen wie damals-..“ Jake war knapp davor etwas über den Vorfall vor 3 Jahren zu sagen, doch dann erinnerte er sich, dass wir uns versprochen hatten, nie mehr ein Wort darüber zu verlieren. „Ich hab alles unter Kontrolle.“, knurrte ich ihn an, schubste ihn unsanft von mir weg und schnaubte dann. „Ich geh zum Unterricht.“, sagte ich und ging, ohne mich noch einmal zu dem verdutzt dreinblickenden Jake umzudrehen, ins Schulgebäude zurück. Drinnen angekommen lief ich sofort zu nächsten Toilette und sperrte die Eingangstüre ab. Ja, an unserer Schule war es üblich das man jeden Raum von innen abschließen konnte, auch ohne Schlüssel. Es gab in der Vergangenheit einige Amokläufe und so hatten die Eltern die Schule aufgefordert für mehr Sicherheit zu sorgen und das war die Antwort der Schule: Schlösser für jeden Raum. Als ob Schlösser jemals einen richtigen Amokläufer davon abhalten könnten zu tun, was Amokläufer eben tun. Ich schlug meine Faust gegen die Kabine der ersten Toilette. Mit einem lauten knarren sprang die Türe auf und knallte gegen die Kabinenwand. „So eine Scheiße!“, schrie ich und schlug noch ein paar Mal auf die Türe ein. Klappernd krachte diese immer wieder gegen die Kabinenwand und musste sich von draußen ziemlich seltsam anhören, doch das war mir egal. Mir war auch egal, dass meine Fingerknöchel langsam rot wurden und die Haut an ihnen aufriss. Ich schlug, ohne auf die Schmerzen meiner Hand zu achten, weiter auf die Türe ein. In meine Gedanken spielten sich verschiedenen Szene ab. Ich sah das Szenario von vor 3 Jahren: Ich stand über einen Jungen gebeugt, hinter mir einen weinendes Mädchen, neben mir Jake der nichts machen konnte, außer zu glotzen, er hatte keine Chance gegen mich. Das wusste er damals schon. Voller Wut schlug ich auf den Jungen vor mir ein und hörte erst auf, als dieser zu Boden sank und sich keinen Millimeter mehr bewegte. Langsam spürte ich wie das Blut an meiner Hand herab rann und ich kam wieder aus meinen Gedanken. Der Jungen und die anderen waren verschwunden und ich stand vor einer mit meinem Blut verschmierten Toilettenkabine. Mit meiner wiedergewonnen Kontrolle über meinen Körper kamen auch die Schmerzen.

Meine Hand begann stark zu zittern und ich spürte wie meine Fingerknöchel bei jeder Bewegung brennend schmerzten. „Fuck.“, knurrte ich genervt vorn mir und meinem Ausraster. Etwas stimmte nicht mit mir, da war ich mir seit 3 Jahren sicher. Was genau es war, wusste ich nicht. Ich wusste auch nicht, wieso ich es da war oder wie ich es wieder loswurde. Doch vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Jedes Mal während meiner Ausraster spürte ich weder schmerzt noch Emotionen. Ich konnte mich danach noch nicht einmal richtig an alles erinnern. Die Erinnerungen kamen erst nach Wochen, vielleicht sogar erst nach Monaten zurück und dann waren sie ja nicht mehr so wichtig. Auch wenn ich nicht wusste, wieso, ich begann dieses Gefühl zu mögen. Ich begann dieses „Es“ zu mögen. Ich schnappte mir einige Tücher, die es auf allen Toiletten dieser Schule gab, und feuchtete sie mit eiskaltem Wasser an. Ich wickelte die nun nassen Tücher um meine schmerzenden Knöchel und zischte leise auf, da es die ersten Sekunden mehr brannte als wie davor. Doch gleich darauf spürte ich keinen Schmerz mehr, die Kälte betäubte meine Finger und nahm mir somit jeden Schmerz. Ich entschied nach Hause zu gehen. Hier konnte ich heute nicht mehr bleiben, außerdem waren die letzten Stunden nur Naturwissenschaften und Englisch, beides Fächer in denen ich weder lernen noch anwesend sein musste.

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Soooo- das war jetzt Tag 1 von Ethans Sichtweise.
Die Kapitel werden immmer so sein, dass 2 Teile 1 Kapitel sein sollten.
Einmal aus Ethans Sichtweise und einemal aus Sams Sichtweise.

{Ich hoffe die Story gefällt euch bis jetzt und ich würde mich über Kommis, Votes und Verbesserungsvorschläge freuen. ^^}

~Crazy for you~  ObsessionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt