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4. Kapitel

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Endlich durfte ich wieder in ein Kleid schlüpfen und fühlte mich sofort wieder deutlich weiblicher. Statt meine Mathe-Hausaufgaben zu machen, hatte ich mich entschieden, mich auf ein zweites Date mit Mats einzulassen.

Die Tatsache, dass ich mir letzte Nacht im Bett ausgemalt hatte, wie wohl unsere Kinder aussehen würden, wertete ich als gutes Zeichen.

»Du siehst toll aus!«, ließ er mich wissen und gab mir ei­nen Kuss auf die Wange.

Und sofort begannen die Schmetterlinge in meinem Bauch, eine Party zu schmeißen. Hör bitte nie wieder auf, mich zu küssen. »Danke, du auch!«

Er strich mir über die Wange, und uns war beiden klar, dass wir eigentlich gar nicht in dieses Restaurant wollten. Viel lieber würde ich mit ihm auf einer gemütlichen Couch liegen und so viel Körperkontakt wie möglich herstellen. Er hatte es tatsächlich geschafft, meinen Sexualtrieb aus dem Dornröschenschlaf zu holen.

»Eigentlich habe ich gar keine Lust auf den Italiener«, sagte er plötzlich, als könnte er meine Gedanken lesen. »Was hältst du davon, wenn wir zu mir gehen, es uns dort auf der Couch ein bisschen gemütlich machen und uns etwas bestel­len?«

Ich grinste bis über die Ohrläppchen, denn ich konnte ein­fach nicht fassen, wie ähnlich wir uns waren. »Nichts lieber als das!«

Eine Stunde später aß ich das letzte Stück Pizza, während wir Oberschenkel an Oberschenkel auf der Couch saßen. Er hatte seine Hand auf mein Knie gelegt.

Mats hatte eine schöne Wohnung. Zwar merkte man, dass hier ein Mann wohnte, doch er hatte definitiv Geschmack. Es waren die vielen kleinen Details, die der Wohnung eine so wunderbar persönliche und wohnliche Note gaben. In der Küche hing eine Postkarten-Kollektion, im Wohnzimmer hatte er den gesamten Türrahmen mit Polaroids beklebt, in den Vitrinen standen Souvenirs, die er offenbar auf der gan­zen Welt gesammelt hatte, und die Wände zierten Fotografien, die er laut eigener Aussage selbst gemacht hatte. Es war kaum zu übersehen, dass er ein Weltenbummler war, der nicht nur in Hop-On-Hop-Off-Bussen saß. Allein den Bildern zufolge konnte ich schon sagen, dass er stattdessen in Tuk- Tuks und Rikschas, auf Elefanten, Kamelen, Eseln, Katamara­nen, Segelschiffen, Schlauchbooten und mit Wasserflugzeu­gen unterwegs gewesen war.

Während ich noch an meiner Pizza kaute, wanderte seine Hand auf meinem Bein hin und her. Ich sollte mich mit der italienischen Delikatesse wohl besser ein bisschen beeilen.

»Weißt du, was?«, fragte er mit sanfter Stimme. »Ich hätte nie gedacht, dass man so schnell Vertrauen zu einem Men­schen fassen könnte.«

Ich zog meinen Käsefaden ein und lächelte ihn glücklich an. »Geht mir auch so«, stimmte ich ihm zu.

»Du bist wirklich anders«, sagte er, und es kam ehrlich und von Herzen über seine Lippen. »Ich habe so etwas wirk­lich noch nie gespürt. Es fühlt sich so an, als würden wir uns schon ewig kennen. Dabei ist es gerade einmal das zweite Date!«

Ich gab mir Mühe, den letzten Bissen schnell zu zerkauen und in meinem Magen zu versenken. In romantischen Au­ genblicken machte sich ein voller Mund nie gut. Und ein Kä­sefaden, der einem aus dem Mundwinkel hing und schnell

mit einem Sabberfaden verwechselt werden konnte, auch nicht.

Er rückte noch näher an mich heran.

Eilig ließ ich meine Zunge über meine Zähne gleiten, um zu checken, dass sich auch ja keine Tomatenschale mehr zwi­schen meinen Beißerchen versteckt hatte.

Dann sah er mir tief in die Augen. Seine Augen waren nicht einfach nur blau. Die Farbe erinnerte mich an das Was­ser, das die Malediven umgab. Noch nie zuvor hatte ich je­manden gesehen, dessen Augenfarbe aussah wie kristallkla­res türkisfarbenes Wasser. Beim Blick in meine Augen sah er leider nur schwarz, doch ihm schien es zu gefallen, denn er hatte ein Lächeln auf den Lippen.

»Ich mag dich wirklich sehr gern«, richtete er aufrichtig seine Worte an mich.

Es fühlte sich an wie ein Liebesgeständnis.

Ich beugte mich zu ihm nach vorn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich hoffte, dass er verstand, dass das meine Art war, ihm zu sagen, dass ich genauso für ihn empfand.

Ich ließ meine Hände über seinen Körper wandern. Seine weiche Haut fühlte sich gut an. Auch wenn der letzte Sex bei mir schon ewig her war und mein Jungfernhäutchen inzwi­schen vermutlich Wiederauferstehung gefeiert hatte, wusste ich in diesem Moment genau, was zu tun war. Es fühlte sich so natürlich an.

»Sex darf man doch erst ab dem dritten Date haben«, flüs­terte mir Mats ins Ohr.

Ich sah ihn prüfend an und stellte erleichtert fest, dass er es nicht ernst gemeint hatte. »Wir haben auch schon die Kein-Küssen-beim-ersten-Date-Regel gebrochen. Da macht das wohl auch keinen Unterschied mehr«, entgegnete ich.

»Du bist also eine richtige Rebellin, ja?«, hakte er nach und ließ sich nicht dabei beirren, Küsse auf meinem Hals zu platzieren.

»Kommt darauf an. Ich bleibe manchmal an einem Stopp­schild nur zwei Sekunden stehen und keine drei. Also ja, man kann mich wohl als Rebellin bezeichnen.«

Er lachte leise. »Du lebst ja richtig risikoreich.«

»Du hast ja keine Ahnung! Ich habe neulich eine Wasser­melone gekauft, ohne sie vorher abzuklopfen. Wenn das nicht Leben am Limit ist, weiß ich auch nicht.«

Er grinste, und es freute mich, dass er über meinen billigen Humor lachen konnte. Meine Mutter hatte mich stets als al­bern abgestempelt. Albern schien bei Männern offensichtlich gut anzukommen. Oder zumindest bei Mats.

»Ich bin beeindruckt«, ließ Mats mich wissen und spielte nun an meinem BH-Verschluss herum.

Nun geriet mein Herz doch für einen Moment in Turbulen­zen. Als sich der Verschluss öffnete, rutschte es in ein Luft­ loch ab. Doch schnell drangen die Hormone ins Cockpit ein und übernahmen die Kontrolle.

Mats entledigte sich seines Shirts und ließ es achtlos auf den Boden fallen.

»Ich bin ein bisschen aus der Übung«, flüsterte ich ihm ins Ohr. Ich wollte die Erwartung so niedrig wie möglich schrau­ben.

»Ich auch«, ließ er mich wissen. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren. »Dann entdecken wir einfach ge­meinsam wieder, wie schön Sex sein kann.«

War das hier wirklich wahr? Ich hatte Angst, gleich aus diesem wunderschönen, kitschigen Traum aufzuwachen.

Mats streichelte über meine Arme, und ich fühlte mich wie ein Ameisenhaufen. Mein ganzer Körper kribbelte.

»Warum bist du so perfekt?«

Ich hatte mir diese Frage nicht verkneifen können, denn genau das war er. Er war perfekt. Und damit meinte ich nicht seine Muskeln, sein süßes Lachen, seine vollen, gelockten Haare oder seine Sommersprossen. Nein, ich meinte seine Worte, seine Empathie, seinen Humor und seine Intelligenz.

»Das Gleiche könnte ich dich fragen!«

O Gott, war das kitschig! Unser Dialog könnte aus einer ARD-Vormittagsserie stammen. Aber ich liebte Kitsch! Zu­mindest in der Liebe.

»Dann sind wir wohl das perfekte Paar!«, rutschte es mir unbedacht über die Lippen. Ich hielt inne. Hatte ich das ge­rade wirklich gesagt? Ach du heilige Scheiße! Ich hatte uns nicht nur voreilig als Paar bezeichnet. Nein, ich hatte uns so­ gar als das perfekte Paar bezeichnet.

O Tilda! Was tust du nur wieder? Du fällst nicht einfach mit der Tür ins Haus. Nein, du nimmst gleich die ganze Häuser­ front mit.

»Schon okay«, beruhigte mich Mats, als er zu spüren schien, dass ich mich verkrampft hatte. »Mir gefällt die Vor­stellung.«

Dann zog er mich zu sich heran und küsste mich noch lei­denschaftlicher als zuvor.

Two Faces (ehemals Babyface)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt