"Warum hast du mir nicht gesagt, dass du zum Zirkus gehörst? Ich habe dir erzählt, dass ich Zirkus liebe und heute im Zirkus bin, und du antwortest in deinen Nachrichten, als wärst du zuhause auf dem Sofa und in Wirklichkeit warst du die ganze Zeit hier. Dachtest du echt ich erkenne dich nicht in der Manege? Was hättest du mir gesagt, wenn der Löwe dich nicht erwischt hätte? Erkläre es mir bitte", fragt Anni traurig. Carlo schaut betroffen zu Boden. Nach einigen Momenten der Stille seufzt Anni auf und macht Anstalten aufzustehen.
"Es tut mir leid, Anni. Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich hatte Angst, du dann nicht mehr mit mir ausgehen würdest. Die meisten Mädchen lieben Darsteller, aber eben nur so lange, wie sie vor Ort sind. Wir bleiben nie lange an einem Ort. Was ich dir gesagt hätte, wenn heute alles glatt gegangen wäre? Ich weiß es nicht. So weit habe ich nicht gedacht. Ich habe mich so darüber gefreut, dass du mit mir ausgehen willst und konnte nur daran denken, da habe ich das einfach verdrängt. Ich hatte einfach Angst, dass du dich auch wieder von mir abwendest", antwortet Carlo und traut sich nicht Anni anzusehen. Einen Moment lang sieht Anni ihn stumm an.
"Ich kann verstehen, wenn du nicht mehr mit mir ausgehen willst", fügt er noch hinzu.
"Dummkopf", sagt Anni leise. Verwundert sieht Carlo Anni an. Sie lächelt ihn an und umarmt ihn. Erschrocken reißt Carlo die Augen auf und weiß einen Augenblick nicht, wie er reagieren soll. Er legt seine Arme um sie und drückt das Mädchen an sich.
"Carlo, wie geht es dir?", stürzt Angelo plötzlich in den Wohnwagen. Anni und Carlo fahren auseinander.
"Papa, du störst", sagt Carlo sauer. Anni guckt peinlich berührt auf ihre Hände.
"Tut mir leid, mein Sohn, aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht", sagt Carlos Vater und läuft auf seinen Sohn zu.
"Es geht, Papa. Franko bringt mir später noch Schmerztabletten und will den Verband wechseln", meint Carlo.
"Vielleicht sollte ich jetzt lieber gehen", sagt Anni und steht auf. Carlo tut es ihr gleich.
"Warte. Papa, das ist Anni, Anni, mein Vater Angelo", stellt er die beiden vor, Komm, ich weiß, wo wir hingehen können. Carlo nimmt Annis Hand und führt sie humpelnd aus dem Wohnwagen raus und über den Zeltplatz.
"Wo bringst du mich denn hin?", fragt sie neugierig.
"Das siehst du dann. Warte kurz hier, ja?", bittet Carlo sie und lässt sie am Zirkuszelt stehen, worin er verschwindet. Aus einer der Aufbewahrungstruhen, hinter der Manege, holt er ein paar Decken und eine alte Öllampe und geht zurück zu Anni.
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Manege frei
Teen FictionDas Zirkusleben ist nicht leicht. Immer an einem anderen Ort und nie lange genug um sich dort zuhause zu fühlen. Doch trotzdem liebt Carlo sein Leben. Bis zu einem Abend der sein ganzes Leben auf den Kopf stellt. Doch was passiert wenn plötzlich to...