57. Gute Ratschläge

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POV Sophie Künstner

Ich saß am großen Esstisch, während ich meine Freundin dabei beobachtete, wie sie alles fürs Frühstück vorbereitete. Sie wollte mich nicht helfen lassen und so fragte ich mich, wie ernst sie das vorhin gemeint hatte. Es hatte ehrlich und aufrichtig gewirkt, doch trotzdem hatte ich immer noch Angst, ich würde sie irgendwann mit meinem Oversharing vertreiben. Sollte ich ihr wirklich weiterhin alles erzählen? Ihre Stimme riss mich dann zum Glück aus meinen dunklen Gedanken: „Möchtest du mir nun vom Treffen mit deinem Vater erzählen oder lieber nicht?" Ich überlegte kurz. Eigentlich war ja nichts dabei, sie könnte es ruhig wissen, immerhin betraf es sie ja auch irgendwie. „Er hat sich entschuldigt..." Sie blickte mich ein wenig verwundert an, wirkte aber positiv überrascht. „Das ist doch... gut, oder?" Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung... Ja, schon irgendwie, aber hätte er diesen Sinneswandel ein wenig früher gehabt, hätte er mir unendlich viel Leid ersparen können... Ich hätte mein Leben einfach normal weiterleben können und...", ich stoppte und dann bemerkte ich es. „Nein, eigentlich bin ich froh darüber, wie es gekommen ist. Mein normales Leben war nichts gegen ein Leben mit dir..." Federica lächelte und zog mich in ihre Arme. „Ich liebe dich", flüsterte sie und ich erwiderte ihre Worte. „Aber nun erzähl schon, inwiefern hat er sich entschuldigt?" Ich holte tief Luft und sprach: „Er hat mir erklärt, seine neue Freundin – eine Marta übrigens – hätte ihm die Augen geöffnet. Sie hat scheinbar einen schwulen Sohn, der auch mit einem Mann in einer Beziehung lebt und als er gesehen hat, wie gelassen sie das nimmt und wie gut die Mutter-Sohn-Beziehung ist, hätte er bemerkt, dass das der Weg gewesen wäre, den er auch mit mir gehen hätte sollen. So irgendwie hat er das formuliert. Und naja, scheinbar war meine Mutter die ganze Zeit über das Problem, er hat ihre Meinung und Entscheidung nur akzeptiert und mitgetragen – er hätte mich nie rauswerfen wollen." Nun atmete Federica tief durch: „Also, damit ich das richtig verstehe... Deine Mutter hat beschlossen, dich nicht mehr sehen zu wollen, bis du ,normal' wärst? Und dein Vater hat das so akzeptiert?" „Wenn du es so sagst, klingt es eigentlich wieder ziemlich hart..." Sie lächelte mild, dann sprach sie: „Was willst du tun? Kannst du ihm verzeihen? Möchtest du mit ihm wieder regelmäßig Kontakt haben?" Ich zuckte erneut mit den Schultern. „Auch das weiß ich nicht... Es ist alles so anders jetzt. Meine Eltern lassen sich scheiden, haben beide neue Lebenspartner und ich habe jetzt irgendwie auch noch einen Stiefbruder, den ich gar nicht kenne und... Gott, es ist einfach so viel auf einmal. Damit habe ich einfach nicht gerechnet." Wieder nickte Federica und dann war es eine Weile still zwischen uns, doch diese Stille war sehr angenehm. Ich hatte die Möglichkeit, in Ruhe über alles nachzudenken und fühlte mich durch ihre Anwesenheit trotzdem sicher und geborgen. Sie schien ehrlich interessiert an meiner Erzählung, was mir meine Zweifel stückweise nahm. Vielleicht war das gestern wirklich einfach eine blöde Situation gewesen. Ich hätte ihr einfach von dem geplanten Treffen erzählen sollen, dann wäre es nie so weit gekommen. Diesen Gedanken schob ich nun allerdings auch wieder beiseite, denn gerade kam eine relativ verschlafene Anja im Morgenmantel zur Tür rein. Der Anblick war göttlich, sodass ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Guten Morgen, noch müde?" Sie blickte mich gespielt böse an und fragte dann: „Mich wundert eher, dass ihr beiden so gut gelaunt seid!" Sie richtete einen vielsagenden Blick an Fedè, die ihr nur erleichtert zulächelte, wodurch sie zu verstehen schien, dass zwischen uns alles wieder in Ordnung war. Sie nickte knapp und machte sich dann auf direktem Weg auf zur Kaffeemaschine.

Es war schon wieder Abend und ich beschloss, Federica um ihre Meinung zu fragen, was meinen Vater betraf. Ich hatte keine Ahnung, ob ich ihm verzeihen wollte, ob ich es könnte und noch weniger wusste ich, ob ich ihn wieder in meinem Leben haben wollte. Ich hatte ihn die ganze Zeit über sehr vermisst, doch dieses Gefühl war stets mit einem bitteren Beigeschmack gekommen: Er hatte mich aus seinem Leben gestrichen, mich wissentlich gehen lassen. Ich trat ins Gästezimmer, in dem Federica die letzte Stunde bereits damit zugebracht hatte, etwas für das kommende Semester an der Uni vorzubereiten. „Klopf klopf", sprach ich vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, doch es passierte wohl das Gegenteil, denn meine Freundin fuhr zusammen und schloss reflexartig die Tabs auf ihrem Laptop. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken", meinte ich schmunzelnd und auch sie stimmte nun mit ein. „Alles gut. Was gibt's? Haben dich die Jungs freigegeben?" Ich hatte in der Zeit, in der Fedè gearbeitet hatte, mit ihnen die versprochene Mario-Kart-Revanche nachgeholt, mittlerweile hatte Anja sie aber dazu angewiesen, sich endlich bettfertig zu machen und nun stand ich hier wie das nach Hause geschickte Nachbarskind, dem erklärt worden war, dass morgen ja auch noch ein Tag wäre. Ich schmunzelte. „Kann man so sagen." Ich überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, ob ich Federica denn bei der Arbeit störte und ob ich sie nicht diesmal wirklich damit nerven würde, wenn ich sie um ihre Meinung bat, doch ich verwarf den Gedanken so schnell es ging wieder. Sie hatte mir versichert, sie wolle an meinem Leben teilhaben – wenn sie es denn wirklich störte, dann müsste sie es mir auch klar und deutlich kommunizieren. „Können wir kurz reden oder ist es gerade blöd?", fragte ich trotzdem und Fedè klappte sofort ihren Laptop zu und ließ sich aufs Bett fallen. Ich tat es ihr gleich und dann fragte ich: „Was würdest du an meiner Stelle tun? Also mit meinem Vater?" Sie zögerte kurz, dann hakte sie nach: „Du meinst, ob ich ihm noch eine Chance geben würde?" Ich nickte und wartete ab. „Naja... er hat sich bei dir entschuldigt und scheint nun ein anderer, ein besserer Mensch zu sein. Es wäre irgendwie fair, wenn du ihm zumindest die Chance gibst, dir das zu beweisen, sich um dich zu bemühen. Die Entscheidung liegt natürlich bei dir, aber wenn es mein Vater wäre und ich hätte die Möglichkeit, ihn wieder in meinem Leben zu haben – ich denke, ich würde es versuchen..." Wieder nickte ich. „Ich habe ihm gesagt, dass ich mich bei ihm melde... Ich hätte ihn sehr gerne wieder in meinem Leben, allerdings nur, wenn er wirklich so ist, wie er behauptet hat... Was, wenn das nur ein Vorwand war? Ich kann ihm einfach nicht mehr blindlings vertrauen, ich bin einfach nicht bereit, nochmal so verletzt zu werden..." Federica schien das zu verstehen. Sie blickte mich mitleidig an, schlug mir dann aber etwas vor, das nach gar keiner so schlechten Idee klang: „Was, wenn du ihn anrufst und ihm erklärst, dass du momentan mit deiner Freundin hier bist und sie ihm gerne vorstellen möchtest? Dann siehst du einerseits, ob er es ernst meint, andererseits lerne ich ihn auch mal kennen und ich kann dir somit in Zukunft besser zur Seite stehen. Man könnte das ja damit verbinden, dass er dir seine neue Freundin vorstellt." „Du würdest wirklich mit mir gemeinsam zu ihm fahren?" Sie lächelte: „Tesoro, ich würde mit dir überallhin fahren."

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Na, was sagt ihr zu diesem Vorschlag? Denkt ihr, das könnte gutgehen? Lasst es mich gerne wissen! :)

Fighting the demons from our pasts - Will love be enough?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt