Ich hörte im Hintergrund das konstante Piepen der Gerätschaften auf der Intensivstation. Ich hätte nicht gedacht, dass es so weit kommen würde, aber was haben wir erwartet? Es war im Grunde vorherzusehen, wie ein Haufen Teenager, die ihren letzten Sommer mit nie endenden Nächten, unzählige Partys und literweise Alkohol zum unvergesslichsten Sommer ihres Lebens machen wollten, endet.
Wobei man das unvergesslich streichen kann, denn durch die vielen Filmrisse hat sich das wieder erledigt. Wir feierten jedes Wochenende, als sei es das letzte und vielleicht war dieses Wochenende auch das letzte. Zumindest für sie.
Ich war völlig in meinen Gedanken verloren und konnte nicht mehr klar denken, was nicht nur am Vollrausch lag, sondern auch an der Tatsache, wer gerade in dem Raum auf dem Bett lag. Wir saßen zu fünft auf dem Gang des Krankenhauses.
Mein Kopf dröhnte und das grelle Licht war unangenehm und nur schwer zu ertragen. Doch wir hielten es aus, was vermutlich daran lag, dass wir wie gebannt auf die verschlossene Tür zum Zimmer starrten und darauf hofften, dass sie sich endlich öffnete und eine Schwester heraustrat, um uns mitzuteilen, dass es ihr gut ging.
Doch das passierte nicht. Die nächste Viertelstunde nicht und auch die nächste halbe Stunde daraufhin nicht. Der Gang des Krankenhauses war völlig leer, bis die ersten Eltern auftauchten, um zwei von uns abzuholen. Ihre Gesichter waren besorgt. Nachdem sich erstmal gefühlte fünf Minuten lang unter Tränen in die Arme gefallen wurde, verschwanden sie dann auch wieder und ließen uns zu dritt zurück.
Nach weiteren zehn Minuten des Schweigens verließ uns noch eine Person und wir waren nur noch zu zweit. „Kommen deine Eltern noch?", fragte Ellie mich. Ich schüttelte bloß mit dem Kopf. „Muss wohl laufen – habe sie nicht erreicht und Geld für ein Taxi habe ich auch nicht", antwortete ich, meinen Blick auf den Boden gerichtet.
„Wenn du möchtest, kannst du mit zu mir kommen und bei mir übernachten, meine Väter haben sicher nichts dagegen", schlug sie vor. Ich lächelte leicht, nickte und bedankte mich dann bei ihr. Eine gefühlte Ewigkeit später saßen wir dann auf der Rückbank des Autos von Ellies Vätern, auf dem Weg zu ihnen nach Hause. Als wir dann ein wenig später am Küchentisch der kleinen Familie saßen und eine Tasse Kaffee tranken fingen wir an zu erzählen was passiert war.
Alles begann am allerletzten Schultag. Die Zeugnisvergabe hatte vor fünf Minuten stattgefunden und nun standen wir alle beieinander und unterhielten uns. Niki, meine beste Freundin erzählte mir gerade von ihren Plänen für unsere letzten Sommerferien.
Zugegeben war ich ein wenig neben der Spur, denn dies war mein letzter richtiger Sommer, bevor der Ernst des Lebens richtig anfing. Wir haben nun alle einen Schulabschluss und die langweiligen Unterrichtsstunden endlich abgesessen und dennoch würde ich alles dafür tun, noch ein weiteres Jahr zur Schule zugehen.
Was sehr ironisch war, denn den letzten Monat waren wir kaum noch da und generell schwänzten wir oft mal den Geschichtsunterricht. Ich meine, ob wir jetzt zuhause schliefen oder in diesem stickigen alten Klassenzimmer machte doch strenggenommen keinen Unterschied. Und zugegeben habe ich schon ein wenig Angst vor der Zukunft, denn niemand weiß so richtig was dort auf uns wartet.
„Erde an Alicia! Bist du dabei?", wurde ich von Niki aus meinem Gedankengang gerissen. Ich sah sie fragend an. „Kommst du heute Abend zum Vorglühen für die Abschlussfeier? Die Zwillinge haben uns eingeladen", klärte meine beste Freundin mich auf. Ich nickte.
Die Zwillinge Finley und Felice waren auch Teil unserer kleinen aber feinen Freundesgruppe. Sie waren genau wie Niki sehr aufgeweckte und energiegeladene Persönlichkeiten. Das war in unserer Gruppe stark vertreten. Eine energische Lebensfreude. Ich hatte also zum Vorglühen zugesagt und als es so weit war, standen meine beste Freundin und ich zusammen mit Ellie, welche ebenfalls zu unserer Gruppe gehörte, vor der Haustür der Zwillinge.
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Ein letzter Sommer
Teen FictionAuf Alicia und ihre Freunde wartet ein unvergesslicher Sommer und ein unerwartetes Ende. Während aller Schwierigkeiten geht die Freundesgruppe durch dick und dünn.