81. Kapitel - Warten auf den Sturm

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550 Jahre später:

Der dritte Tag nach der Wegscheide war vorüber und wir rasteten. Immer noch waren wir im nördlichen Ithilien, doch schon morgen würden wir dies Land verlassen und weiter gen Norden ziehen, wo die Einöde begann. Östlich von uns wirkte der Himmel dunkle und Saurons Präsenz wurde immer deutlicher. Wir alle spürten sie und sie versuchte, unsere Gedanken zu verpesten. Sich langsam einzunisten, nie wieder loszulassen.
Ich lag gerade auf meinem Rücken und starrte in den Nachthimmel. Einige Wolken hingen wie Nebelfetzen vor den Sternen und Mond und wurden fahl beleuchtet. Das Licht wirkte jedoch kalt und die von Osten ausgehenden dunklen Wolken trübten die Schönheit des Himmels. Sie nahmen ihm die Magie der Nacht, und doch schien es mir, als ob die Natur gegen die Dunkelheit ankämpfte. Gewiss war es ein Kampf, den Sauron gewinnen würde, wenn es zum Ausfechten käme, doch einstweilen standen sich das Licht und die Dunkelheit gegenüber. Ganz oben in den Lüften hatte ich vor kurzem noch die Nazgûl gesehen, wie sie mit ihren Schreckensgestalten durch die Lüfte flogen. Sie waren düster und die böse Energie, welche von ihnen ausging, drückte den Menschen auf ihr Gemüt. Beinahe schien es so, als ob der Dunkle Herrscher unseren Kampfwillen beeinflussen wollte. Nicht so stark, sodass die Menschen die Flucht ergriffen, doch stark genug, dass der Anblick des Schwarzen Tores furchterregend wäre. Nun, dies war er bereits ohne dem Gedanken, dass unsere Armee der Kraft Saurons unterlegen war. Zumindest lag seine Aufmerksamkeit auf uns, was alles gewesen war, was wir gewollt hatten – Frodo mehr Zeit zu verschaffen.
Meine Augen blickten in den Himmel, mein Hinterkopf lag auf einer gefalteten Decke. Eine leichte Brise kitzelte meine Wangen samt Nase. Es war kühl, aber das Feuer schenkte uns Wärme. Auf unserer Reise setzten wir nicht auf Heimlichkeit – Sauron sollte wissen, dass wir kamen –, und so konnten wir uns wenigstens unsere Glieder wärmen. Meine Ohren vernahmen das Knistern des Feuers und vor meinem inneren Auge konnte ich sehen, wie die Flammen das Holz fraßen. Schritt für Schritt breiteten sich die orangen Flammen aus, tanzten ihren Tanz der Zerstörung. Das Holz war seine Lebensenergie und zusammen schenkten sie uns Licht, obwohl sie beide den Tod füreinander bedeuteten. Feuer und Holz konnten nicht ohne einander, trotzdem brachten sie sich gegenseitig ihr Ende. Das Holz als Opfer, der Saft des Lebens, fürs Feuer und die Flammen, die erloschen, wenn sie alles Holz zerstört hätten. So wirkte das Knistern des Lagerfeuers mehr wie kleine Hilfeschreie. Hilfeschreie des Holzes und Machtschreie des Feuers. Beide wurden aber stetig leiser, bis sie verstummen würden.
Meine Gedanken kreisten umher und kamen nicht zur Ruhe, wie ich. Zwar lag ich auf meinem Rücken und versuchte, einzuschlafen, aber ich konnte es nicht. Nicht einmal mit offenen Augen träumen konnte ich und dies sollte etwas heißen. Mein linke Hand hatte ich hinter meinem Kopf und meine Haare waren wieder in einem geflochtenen Zopf, den mir Legolas heute frisch gemacht hatte. Dieser war weniger aufwendig, doch ich sollte ihn öfters meine Haare machen lassen. Meiner Schulter ging es schon besser und ich konnte sie bereits wieder anheben, doch wenn wir diese Schlacht überleben sollten, würde sie noch ihre Zeit zu heilen brauchen.
Im nächsten Moment seufzte ich leise, fuhr mir durch mein Gesicht und setzte mich schlussendlich auf. Mein Körper wurde ins warme Licht des Feuers getaucht, um welches gerade Aragorn, Gandalf und Elrohir standen. Sie wärmten sich ihre Hände und schienen miteinander zu sprechen. Den zweiten Sohn Elronds fand ich etwas abseits, wie er sich um seine Waffen kümmerte. Die Vorhut hatte sich zusammen um ein großes Lagerfeuer versammelt und sitzend in meinem Schlafplatz erblickte ich Legolas und Gimli, die mich so ansahen, als ob ich von den Toten auferstanden wäre. Beide hatten sich ihrer Waffen entledigt und nahmen eine Mahlzeit zu sich. Ebenso wie ich saßen sie auf ihren Decken und die zwei ungleichen Augenpaare sahen mich neugierig an. Schwarze und blaue Augen blickten in meine Richtung, Gimli hob eine Braue.
»Ich kann nicht schlafen«, gab ich meine Meinung kund, blickte in ihre Gesichter.
»Wir befinden uns wahrlich am Ende, wenn Lithil nicht schlafen kann«, spottete Gimli und ich schenkte ihm einen vernichtenden Blick, den er ignorierte. Zwar wusste ich, dass er sich mit seinen Worten vom Unvermeidlichen ablenken wollte, doch trotzdem fand ich sie nicht witzig. Ich wollte schlafen und wenn ich es nicht konnte, wurde ich zornig.
»Warum kannst du nicht schlafen?«, fragte wenigstens Legolas, doch bekam nur ein Schulterzucken von mir.
»Weiß ich nicht«, erklang meine Stimme, dann stand ich auf, griff nach meinem Schwert und sprach weiter: »Ich gehe Wache halten, die Gegend erforschen.«
Ich schlenderte an ihnen vorbei, wobei ich Legolas' Blick in meinem Rücken spürte. Meine Füße schritten über die Ebene und als ich am Lagerfeuer vorbeiging, bekam Aragorn die gleiche nüchterne Erklärung von mir, mit der er sich zufriedengeben musste.
Die Gegend zu erkunden war nichts, was ich nicht dürfte, und ebenso bewegte ich mich als Elbin lautlos durch die Natur. Vielleicht würde ich etwas Hilfreiches entdecken, oder auch nicht. Ich musste gerade meine Beine vertreten und hoffte auf körperliche Müdigkeit, die mir nachher den Schlaf bringen würde. Während dem Gehen schnallte ich mein Schwert um die Hüfte, obwohl ich mir sicher war, dass ich es nicht gebrauchen würde. Ich spürte folglich das gewohnte Gewicht auf meiner rechten Seite und meine Füße bewegten sich Schritt für Schritt.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff / Teil 1 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt