Die Zeit in Minas Tirith verging geschwind. Ehe ich mich versah, war der Mai und Juni beinahe um. Oft hatten wir uns die Stadt angesehen und viel Zeit miteinander verbracht. Aragorn hatte als König viele Pflichten zu erledigen, und doch verbrachte er seine freien Stunden bei uns Gefährten, oder wir bei ihm. Während die anderen im Haus waren, befand ich mich gegenwärtig bei Aragorn in der Königshalle. Ein großer Residenzsaal der Herrscher von Gondor, der sich im Erdgeschoss vom Weißen Turm, auf der siebten Ebene, befand. Es war ein Ehrfurcht gebietender Raum mit hohen weißen Säulen, zwischen denen Statuen der Könige Gondors standen. Im hinteren Teil der Halle befand sich ein Podest, auf dem der Thron des Königs stand. Hinter dem Thron war ein gemeißeltes und mit Edelsteinen verziertes Abbild vom Weißen Baum, doch meine Aufmerksamkeit galt den Statuen. Die Steinhauer hatten sich alle Mühe getan und auch Aragorn neben mir musterte seine Vorfahren. Seine Finger waren hinter seinem Rücken verschränkt, seine grauen Augen lagen auf dem Gestein. Mir schien jedoch, als ob er die Statuen nicht wirklich betrachtete, da er in Gedanken versunken war.
Folglich grinste ich leicht, was mehr einem Zucken meiner Mundwinkel gleichkam, und dachte an den Grund Aragorns Verhalten. Er war in sich gekehrt, obwohl er innerlich überaus aufgeregt sein musste. Heute war der Tag der Sommersonnenwende und Boten von Amon Dîn waren heute in die Stadt gekommen, wie mir König Elessar erzählt hatte. Erzählt, weil er wahrscheinlich langsam kein Geheimnis mehr daraus machen konnte, da er überaus aufgeregt war. Die Boten hatten gemeldet, dass viele vom schönen Volk vom Norden heranritten und sich der Pelennor-Mauer näherten. Dass sich in diesem Geleit viele Elben aus Imladris und Lórien befanden, war klar und auch, dass sich unter ihnen Arwen Abendstern befand. Das Geleit sollte noch vorm Abend zum Mittsommer die Weiße Stadt erreichen und Aragorn hatte alles für den Empfang vorbereiten lassen. Nun konnte er jedoch nichts mehr anderes tun, als zu warten und der Sonne bei ihrem Weg in den Westen zuzusehen.
»Gar wirkt es so, als ob du die Nervosität in deinem Inneren ertränken willst, mein Freund«, ließ ich meine Stimme klingen, nahm den Blick von der Statue und sah nach rechts. Meine Worte fanden in Aragorn Gehör und der Mensch drehte seinen Kopf nach links. Seine Augen verloren die Nachdenklichkeit und er fragte, leicht amüsiert: »Und seit wann kannst du das Innere von anderen lesen?«
»Immer dann, wenn es offensichtlich ist, oder es mich interessiert«, erwiderte ich, »und du interessierst mich und bist mein liebster Ringgefährte, aber kein Wort zu den anderen, verstanden?«, ich sah ich ihn verschwörerisch an und schaffte es, ihm ein Lachen zu entlocken. Er schüttelte seinen Kopf und zusammen spazierten wir aus der Halle. In der Königshalle und auch sonst überall standen die Wachen Gondors, die keine Miene verzogen und mich an die Palastwachen des Düsterwaldes erinnerten.
»Nun, gewiss wirst du recht haben.«
»Ich, Lithil, habe immer recht.«
»Freilich, hast du das«, immer noch zierte ein kleines Lächeln seine Lippen, »Manchmal frage ich mich, was ich nur ohne dich machen soll, wenn jeder wieder seinen Weg geht. Ruhig wird es dann sein.«, ich rollte mit meinen Augen und darauf erreichten wir die Mauer. Die Sonne stand bereits mehr im Westen als im Süden, trotzdem würde sie noch Stunden benötigen, um den Abend anzukündigen.
»Trauer wird dich nach unserem Abschied heimsuchen, doch du hast ja deine Arwen, die dir Gesellschaft leisten wird.«, ich sah neckisch zu Aragorn, der seine Hände auf der Mauer hatte, und doch ließ ich ihn nicht zu Wort kommen: »Ich weiß, ich weiß, doch ich habe in den letzten Monaten viele Sticheleien aufgrund meines Liebeslebens ertragen müssen, jetzt musst du denselben Weg gehen, Elessar.«
»Leider ist in diesen Worten eine Wahrheit«, seufzte er gespielt, »und auch waren es herrliche Monate und gewiss werde ich jetzt Sticheleien ertragen müssen, doch damit lässt dich leben.«
»Wie mit der Nervosität, die dich einhüllt, wenn du an deine Hochzeit denkst?«
»Ich bin nicht nervös, nur aufgeregt, doch vergiss nie; Hochmut kommt vor dem Fall. Dir steht dies ebenso noch bevor.«
»So streng nehme ich es nicht, du weißt, wie dies bei uns Elben ist«, begann ich und stützte meine Ellenbogen auf die Mauer ab, sah in die Ferne, »Solange wir uns Elben schwören, für ewig zusammen zu bleiben, kann eine Zeremonie warten«, erklärte ich und Aragorn nickte wissend. Bei uns Elben gab es den Brauch, dass sich zwei Liebende selbst zu Mann und Frau, ohne Zeremonie und Zeugen, nehmen dürften. So konnten zwei sich liebende Elben auch in schwierigen Zeiten heiraten, wenn man keine Hochzeit organisieren könnte. Dieser Schwur war jedoch schon bindend, wie eine richtige Heirat. Wie Legolas und ich es jedoch machen würden, wusste ich nicht und auch, ob er als Prinz anderen Regeln zu befolgen hatte. Für mich zählte nur, dass Legolas der war, mit dem ich mein ewiges Leben verbringen wollte, mehr brauchte ich nicht.
»In diesem Lächeln sind wir uns zumindest schon einmal einig«, bemerkte der Mensch an und mir war gar nicht aufgefallen, dass ich zu lächeln angefangen hatte. Ich hatte an Legolas denken müssen. Etwas ertappt sah ich hinüber zu Aragorn, der in die Ferne blickte und ebenso lächelte.
»Lange habe ich sie nicht mehr gesehen, zu lange. Ich sehne mich danach, sie wiederzusehen, in meinen Armen halten zu können«, sein Blick nahm einen träumerischen Ausdruck an, »Lange habe ich auf diesen Tag gewartet und nun stehe ich hier, als König von Gondor und Arnor. Meine Reise, die mir vorherbestimmt war, habe ich gemeistert. Jetzt möchte ich einfach nur leben und mein Glück mit der Frau genießen, die ich liebe. So lange habe ich gezweifelt, sie gebeten, sich keinem Sterblichen hinzugeben, doch gegen die wahre Liebe kann man sich nicht wehren, was ich auch nicht mehr tun werde. Seit dem ersten Augenblick an, als ich Arwen sah, hat ihr mein Herz gehört und heute werde ich ihr dies schwören.«
Und, obwohl ich nicht sentimental war, spürte ich, dass diese Worte aus dem innersten seines Herzens gekommen waren, und in diesem Moment war ich mir sicher, dass zwischen Aragorn und Arwen die Macht der wahren Liebe herrschte.
»Wenn du nur ansatzweise in ihrer Gegenwart so sprichst und sie so ist, wie in deinen vielen Schilderungen, wundert es ich mich nicht, dass ihr beide euch füreinander entschieden habt«, erwiderte ich und sah zu Aragorn, dessen Krone in der Sonne funkelte, »Unsere Reise hat uns zwar keine Jahre gegeben, doch was ich mitbekommen habe, bist du ein großer Mann, Aragorn, und noch ein viel besserer Mensch in deinem Inneren. Ich wünsche dir für den heutigen Tag alles Glück auf dieser Welt und dass dieser einer der schönsten Tage deines Lebens wird«, als ich endete, tauchte ein ehrliches Lächeln auf seinen Lippen auf.
»In meinem Leben habe ich viel Bekanntschaft mit dem schönen Volk gemacht und dachte, dass mich nichts mehr so schnell überraschen kann. Ich habe mich geirrt, als ich dich als Ringgefährtin kennenlernen durfte. Es gab keinen einzigen Moment, in dem ich an dir gezweifelt habe, wie auch an den anderen Gefährten, doch in dir habe ich jemanden gefunden, mit dem ich frei sprechen kann. Das bedeutet mir sehr viel.«
Nach seinen Worten erwiderte ich sein ehrliches Lächeln, danach fragte ich keck: »Also, ich bin ich dein Liebling unter uns Gefährten?«, meine Frage brachte ihn zum Seufzen, doch in seinen Augen fand ich Zustimmung, warum ich zu lachen anfing.
Unser Gespräch wurde jedoch kurz darauf von jemandem unterbrochen, der mit Aragorn über den heutigen Empfang sprechen wollte, und so verabschiedeten wir uns voneinander. Ich müsste mich sowieso umziehen, da eine einfache Hose mit Tunika nicht das war, was man zu einem festlichen Anlass trug.
![](https://img.wattpad.com/cover/153918390-288-k128920.jpg)
DU LIEST GERADE
Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff / Teil 1 ✔
FanfictionKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...