Kapitel 5: Alleine sind wir besser dran

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Es ist dunkel. Ich erkenne kaum etwas. Die einzige Lichtquelle im Moment ist der Mond. Es ist kalt. Ich beschwere mich in meinen Gedanken über Thilo und seine Arroganz und das Berlin nicht einmal Straßenlaternen besitzt. Dafür muss ich zugeben das ich nicht mehr innerhalb der Stadt bin. Ich bin auf irgendeiner Landstraße, weit entfernt von der Zivilisation. Seit 20 Minuten laufe ich schon ohne Orientierung diese Straße entlang. Ich schaue auf mein Handy, noch 5%. Keine Nachrichten von Thilo. Das enttäuscht mich so sehr, dass sich meine Augen mit Tränen füllen. Ich versuche nicht zu weinen, denn ich habe keine Lust sensibel zu sein. Thilo hatte es immer schon als eine Schwäche von mir angesehen. Seitdem er es mir damals gesagt hatte, versuche ich kaum noch negative Emotionen zuzulassen. Es ist schwer, aber machbar. Ich öffne den Chat zwischen mir und Thilo. Ich scrolle durch die Nachrichten und auf einmal erscheint ein Bild. Ich habe es total vergessen. Auf dem Bild sieht man Thilo und mich, zu dem Zeitpunkt waren wir 17 oder 18 Jahre alt. Nun kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Mir wird klar das ich schon damals total in ihn verliebt war, es aber nie wahrhaben wollte. 3%. Ich stecke mein Handy in meine Jackentasche und setze mich auf den kalten Boden. Ich bin wütend auf mich selbst, nicht mehr Thilo. Ich habe es vermasselt. Es ist alles meine Schuld. Vielleicht sind wir alleine besser dran. Ich habe immer noch keine Ahnung wo ich bin und ich bin zu stur Thilo anzuschreiben, geschweige denn ihn anzurufen. In der Ferne erkenne ich ein Licht, das sich so bewegt als würde jemand rennen. Insgeheim hoffe ich das es Thilo ist. Ich hoffe das er mich sucht. Ich hoffe das er sich Sorgen macht. Ich hoffe das es ihm leid tut. Ich hoffe das er mich sieht. Ich hoffe das er mich findet. Ich hoffe das er mich in seine Arme schließt, sobald wir wieder vereint sind.

Ich schließe meine Augen für einen kurzen Moment. Als ich sie wieder öffne, ist das Licht verschwunden. Keine Spur von Leben. Ich reibe mir die Augen. Doch ich sehe nichts mehr. Kein Licht. Kein Thilo. Habe ich mir das gerade eingebildet? Ich kriege Panik. Es war dumm wegzulaufen. Es war dumm zu denken Thilo würde nach mir suchen. Es war dumm zu denken, dass ich jemanden an meiner Seite habe. Durch die Kälte, tut mein ganzer Körper weh. Ich fange an schnell zu atmen. Ich beschließe die Straße wieder zurück zu rennen, in der Hoffnung ich würde Thilos Wohnung wieder finden. Ich renne. Meine Beine tun weh. Ich kann nicht mehr. Meine Lunge fühlt sich so an als würde sie brennen. Ich bleibe stehen. Kurze Pause. Dann renne ich weiter. Ich sehe Lichter, verschwommen in der Ferne. Ich lächle. Warum ich das tue, weiß ich nicht. Ich laufe so schnell ich kann. Ich will es schaffen. Ich will es schaffen, wieder zurück zu kommen. Ich brauche Luft. Egal. Ich laufe und laufe. Bis mir schwindelig wird und ich auf die Knie falle. Ich höre kaum etwas. Eine Stimme. Oder? Ich kann nichts sagen. Ich versuche kontrolliert zu atmen. Es funktioniert nicht. Mein Kopf voller Gedanken. Ich fasse mir an die Stirn. Kopfschmerzen. Warum ich? Warum? Eine Person redet ständig auf mich ein. Ich verstehe nichts. Mein Kopf wird leerer. Thilo. Wo ist er? Ich muss zu ihm. Ich bilde Wörter: "Ich kann gleich wieder. Ich brauch nur ne kleine Pause. Ich hab keine Zeit mehr." Die Person redet mit mir. Ich höre nicht zu. Meine Augen geschlossen. Thilo. Ich muss ihn finden. Die unbekannte Person hält ihre Hände an meine Wangen. "Öffne doch die Augen!", es klingt wie jemand den ich kenne. Den ich suche. Als ich meine Augen öffne, blicke ich direkt in Thilos Gesicht. Er weint. Warte. Ich bin verwirrt. Ich habe ihn noch nie weinen sehen. Es bricht mir das Herz ihn so zu sehen. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Thilo umarmt mich. Ich umarme ihn zurück. Er ist warm. Ohne das ich es will fange ich an zu weinen. Ich bin erleichtert das er jetzt bei mir ist. Er ist der einzige der mir Frieden bringen kann. Der mir ein Gefühl von Freiheit gibt und bei dem es sich so anfühlt als wäre ich zuhause angekommen. Er lässt mich wieder los und wischt sich seine Tränen aus dem Gesicht. Ich komme in die Realität zurück. Nichts ist Okay. Wir wissen das nichts okay ist. Wir schweigen.

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